Der Text erschien erstmals in Dortmund geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Toni Pace betreibt seit 2020 "Toni's Gusto Italiano" in Dortmund-Hörde.
Eigentlich ist es eine Sünde, hier nicht in Damenbegleitung hingekommen zu sein. Denn Toni’s Ristorante präsentiert sich in der anmutigen Eleganz eines venezianischen Palazzos, mit der man jede einigermaßen romantisch veranlagte Verabredung in Verzückung bringen könnte. Kristallene Lüster an der Decke, aufwendig eingedeckte runde Tische, Stühle, deren weiße Überwürfe an der Lehne mit einem kecken Schleifchen zusammengerafft sind. Fast meint man, Eros Ramazzotti sänge hier sein Duett mit Anastacia, die auf Absätzen so hoch wie die Stiele der überall funkelnden Weingläser über die Marmorfliesen schwebt. Und das in der Trabantenstadt von Kirchhörde!
Aber Dienst ist Dienst, und so muss ich meine Gelüste auf die überdimensionalen Karten richten. Das Weinangebot beeindruckt mit großen Namen. Der piemonteser Altmeister Marchesi di Barolo tummelt sich neben Ornellaia, dem Supertoskaner aus der Maremma und Luce, dem Joint Venture des Kaliforniers Mondavi mit dem Florentiner Frescobaldi. Die Preise erfährt man diskreter Weise nur auf Anfrage, aber es gibt auch eine ordentliche Auswahl preiswerterer Weine, meist aus Süditalien.
Die Speisekarte bietet eine Fülle von feinen und edlen mediterranen Gerichten, Suppen, Salate, Pasta, Risotto, Fisch und Fleisch. Da ist man froh, dass eine kleine Auswahl an Empfehlungen vorangestellt ist. Dennoch ist mir nicht nach den empfohlenen marinierten Flusskrebsschwänzen als Vorspeise zu Mute, sondern nach dem Risotto mit Steinpilzen (EUR 10,50) von der Standardkarte, bei dem sogar die Reissorte Carnaroli angegeben ist.
Patron Toni mag die Sehnsucht in meinen Augen erkannt haben und verspricht, ausnahmsweise nur für mich das Gericht mit einer selbst gemachten Paste aus weißen Trüffeln zu verfeinern. So entströmt ein unbeschreiblicher Duft dem Teller, und der Reis hat jene für Risotto typische cremig schimmernde Konsistenz, die an das Make-up auf Anastacias Wangen erinnert. Die Zunge befriedigt, die Phantasie beflügelt – dieser Abend ist gelungen, da kann kommen was will!
Zum Hauptgang dann „Orata auf Pernodschaum“ (EUR 23,80). Durchaus schmackhaft, aber der Schaum ist leider eine recht kompakte Sahnesauce mit interessantem Anisgeschmack, die der an sich schon fetten Dorade noch eins drauf gibt. Zum Glück muss ich meine Hosen nicht bauchfrei tragen wie Anastacia.
Der Nachtisch würde ihr wahrscheinlich besser gefallen. Die luftige Panna cotta (EUR 4,80) ist mit einem in Spaghetti ähnliche Streifen geschnittenen Apfel und dekadent blassen Erdbeeren garniert, die jetzt im Februar weiß Gott wo herkommen mögen – einfach köstlich. Als mir der Kellner zum Abschluss noch einen „Absacker“ auf Kosten des Hauses anbietet und mir die Wahl zwischen Grappa und Ramazzotti lässt – raten Sie mal, was ich genommen habe. Doch Anastacia ist auf ihren Absätzen schon längst entfleucht und mir bleibt nur die Erkenntnis: Kulinarik ist eben die Erotik des Alters.
@AU:-kopf
www.tonis-ristorante.de
@DA:Kirchhörde, Max-Brandes-Str. 25
Fon 9 79 79 49
di-so 18-24 Uhr, mo Ruhetag
Keine Kreditkarten
v t HG EUR 18,40-23,50
@Rang:
Donnerstag, 2. Februar 2006
Aus dem Archiv: Toni´s Ristorante - Kulinarische Erotik
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen