Mittwoch, 5. August 2020

Dolce vita pur: „Da Giulia“ im Werdener Löwental

Einschenken in Zeiten von Corona. Enzo in Aktion

Mehr Italien-Urlaub kann es in diesem Jahr nicht geben. Jedenfalls nicht in Essen. Schon seit ewigen Zeiten befindet sich im Werdener Löwental ein Campingplatz, einer der wenigen an der Ruhr, auf dem es nicht nur Platz für Langzeitcamper gibt, sondern auch für durchreisende Zelt- und Wohnwagenfreunde. Eine idyllisch vor dem Waschhaus am Eingang platzierte holländische Windmühle mag auf die Zielgruppe hinweisen, die man traditioneller Weise ansprechen möchte. Doch in dem Restaurationsgebäude gegenüber herrscht seit ein paar Wochen italienisches dolce vita pur.

 Prosecco trifft Windmühle:
Zwei Camping-Kulturen in Essen-Werden

Lässiger geht es kaum

Essen mit alten Freunden 

... und Marilyn lacht

Da, wo früher solide Camping-Verpflegung ausgegeben wurde, hat Vincenzo Errico, genannt Enzo, den wohl lässigsten Edel-Italiener Essens aufgemacht. „Da Giulia“ hat er es in italienischer Familiarität benannt, nach dem Namen seiner Mutter und seiner kleinen Tochter. Als ich anlässlich eines kleinen Presseessens mit ein paar Kollegen die Terrasse betrete, fühle ich mich trotz des zeitgenössischen Sitzmobiliars sofort an den Campingurlaub im Jahr 1968 in Caorle an der Adria erinnert, an die Zeit von Fellini und Visconti. Riesige Sonnenschirme schützen vor der Sonne, die vom blauen Himmel herunter knallt und nur langsam hinterm Haus verschwindet, kurzbehoste Männer und frischgeduschte Damen nehmen draußen Platz und sehnen sich im Laufe des immer kühler werdenden Abends nach ihren Pullovern. Drinnen erinnern Kronleuchter und Möbel an karges sizilianisches Barock, und von den Wänden strahlen die Leinwandidole der guten alten Zeit von Don Camillo über Adriano Celentano bis zur unvermeidlichen Marilyn.

 Enzo erklärt

Enzo selbst scheint auch aus dieser Zeit zu stammen. Freunde der italienischen Küche kennen ihn besonders aus Mülheim, wo er im noblen Stadtteil Saarn (und später auch in Werden) in zahlreichen einschlägigen Ristoranti dafür zuständig war, was auf den Teller kam – in der Lederfabrik, in der Senffabrik, im Gartencenter Terra und anderswo. Hier auf dem Campingplatz kann er ganz zwanglos seinen kreativen Ideen nachgehen, die von seinem großen Vorbild, dem Zwei-Sterne- und Fernseh-Koch Antonino Cannavacciuolo, inspiriert sind. Dabei macht er vor exklusiven Zutaten genauso wenig halt wie vor Rezepten aus der traditionellen regionalen Küche Italiens. Ausschlaggebend für den Gast sind dabei die Tagesangebote auf den zahlreichen Tafeln, die auf der Terrasse stehen. (Die gedruckte Karte umfasst einige schöne Standards und vor allem eine Anzahl von Pizze, die als Take-Away-Produkt in Corona-Zeiten unumgänglich ist.) Produziert wird alles in einer unprätentiösen Küche mit campingplatz-affinem Gas – ein hübscher Gegensatz zu der im “Chefs & Butchers“, jenem Shooting-Star unter den Essener Gourmetrestaurants, das gleich gegenüber des Campingplatz-Eingangs liegt.

 Der Rotwein funkelt im Glas

Die Gerichte, die Enzo uns auftischt, werden vielleicht in nächster Zeit auf der Tageskarte landen, für vieles hat er sich spontan entschieden. Ausgewählte Zutaten wie die Schinkenspezialität Culatello, Kaisergranat oder extra für ihn hergestellte Profiteroles, individuelle Kombinationen und Zubereitungsarten wie Risotto mit Pfifferlingen zum Paillard vom Schwertfisch oder Vongole zu Pasta mit kleinen grünen Bohnen und natürlich ein Wirsing-Kartoffel-Stampf zur löffelweichen Lammhaxe – zwangloser als auf dem Campingplatz kann man italienische Küche nicht genießen. Zu jedem Gang präsentierte Enzo den passenden Wein, vorzugsweise aus Süditalien. Nur zum Lamm gab es einen Toskaner.


Enzos Presse-Menü am 5.8.2020 


Taggiasca-Oliven zum Brot

Culatello mit Melone und Salat

Enzos Kartoffelsalat mit San-Marzano-Tomaten

Spaghetti mit Lamm-Tomaten-Sugo

Pasta e fagioli mit Vongole im Parmesankorb und Kaisergranat

Paillard vom Schwertfisch und Pfifferlingrisotto und Kräutergnoccho 

Melonensorbet zur Erfrischung

 
Löffelweich geschmorte Lammhaxe auf Wirsing-Kartoffel-Stampf

Profiterole mit geeister Erdbeere 



Zufriedene Gäste, glücklicher Gastgeber

Da Giulia. 45239 Essen. Löwental 67. 0201 17171064. Geöffnet 12-22 Uhr. Infos auf Facebook.

Der Genießer bedankt sich für die Presseeinladung.

1 Kommentar:

  1. Für Freunde der Gastro-Historie des Ruhrgebiets hier meine Rezension über "Da Enzo" in der Alten Lederfabrik in Mülheim aus dem Restaurantführer "Essen geht aus 2014".

    Abenteuer Zackebarsch

    Es ist typisch für den Strukturwandel im Ruhrgebiet, dass heutzutage in alten Fabrikgebäuden nicht mehr Produkte hergestellt werden, sondern gekocht und gegessen wird. Nachdem Enzo Errico seine „Fattoria“ aufgab, gab es ein „Da Enzo“ in der Alten Lederfabrik, da, wo heute „Kai’s Eataliano“ ist. Doch von da zog Enzo vor drei Jahren in die Alte Senffabrik, wo er bis heute geblieben ist. Wie Leder waren seine Gerichte auch früher nie, und Senf wird heute nur da eingesetzt, wo er auch angebracht ist, etwa beim „Marktsalat mit gebratener Entenbrust und italienischem Senfdressing“ (11,90 Euro).
    Die moderne italienische Eleganz des kleinen Lokals, die dennoch einen Drang zum leicht Morbiden hat, passt gut in die Räumlichkeiten der alten Fabrik, auch der schwarze Flügel steht wieder da. Der Service gibt sich so, wie man es von einem italienischen Familienbetrieb kennt, von temperamentvoll-engagiert bis hin zu unwissend-phlegmatisch. Obwohl es bei Enzo durchaus gehobener italienische Küche gibt, versucht er immer wieder, mit Sonderangeboten zu locken. Im Sommer war es das Assagni Menü: Wer mittags mindestens drei oder abends mindestens fünf Gänge bestellt, bezahlt pro Gang nur 4,50 Euro. Solche Aktionen sind anscheinend auch im noblen Mülheim-Saarn wirklich notwendig.
    Mein Testbesuch fand jedenfalls vor dieser Aktion statt, und so hielt ich mich einfach an die Speisekarte. Die umfasst ein kleines Pizza-Angebot von 7,50 bis 9 Euro sowie eine Reihe von schönen Pasta-Gerichten wie Linguini Estate mit frischem Basilikum, Sardellen, Oliven und Ricotta auf einem Carpaccio- Rand (9,50 Euro) oder Ravioli mit weißem Alba-Trüffel auf Parmesan und Parma Schinken (12,90 Euro). Für Fisch- und Fleischgerichte werden ausgezeichnete Zutaten wie schottischer Lachs, Iberico-Schwein oder Simmentaler Rind verwendet.
    Fündig wurde ich aber auf der wechselnden Tageskarte. Bei den pikanten Penne mit sizilianischer Salsiccia und Brokkoli (9,50 Euro) hatten es mir besonders die Salsiccia angetan, in diesem Fall eine herzhafte, salamiartige Trockenwurst, die fein mit Fenchel gewürzt war. Der Brokkoli war kurz in der Pfanne angebraten und hatte einen sanften Biss, geschmolzene Tomaten brachten Saftigkeit dazu. Nicht ganz stilecht empfand ich den darüber gehobelten Parmesan, aber schmecken tat’s prima.
    Den Hauptgang bestellte ich aus reiner Abenteuerlust, denn ich wusste nicht recht, was ich mir unter „Zackebarsch Wildefang Mediterran Tomaten-Pesto“ (18,90 Euro) vorstellen sollte. Serviert wurde mir ein knusprig auf der Haut gebratenes, gut gewürztes und saftiges Stück Fisch, das von Rosmarinkartoffeln, Brokkoli und grünen Bohne begleitet wurde und mit angedünsteten Tomaten- und roten Zwiebelwürfeln bestreut war, die mich an die Auflage der Bruschetta erinnerten, dich als Gruß aus der Küche gleich zu Anfang bekommen hatte. Ein klasse Gericht.
    Das Dessert war dann so einfach wie lecker. Ein großes Stück Mokka-Halbgefrorenes mit einem großen Berg kaltem Kompott aus Pfirsich- und Erdbeerstücken war genau das richtige für einen lauen Sommerabend.
    -kopf

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