Irgendein picaro hat auf den Aushangkasten des „Andalucia Casa Pedro“ einen Aufkleber der spanischen Region mit dem wenig einladenden Namen Extremadura geklebt, und entsprechend wirkt das Äußere des Tapas-Lokals auch. Zwischen dem kleinen Häuschen und den parkenden Autos zwängt sich ein kaum begehbarer schmaler Bürgersteig, und selbst, wenn der Laden geöffnet ist, sieht die massive Alu-Glas-Eingangstür aus, als wollten die stolzen Spanier einem maurischen Angriff trotzen. Eher abweisend auch die Speisekarte, die draußen aushängt. Bei den zahlreichen Tapas läuft einem zwar das Wasser im Mund zusammen, bei den normalen Gerichten von Fisch über Kaninchen bis Zarzuela fehlen jedoch die Preise, dafür liest man den Hinweis, dass es sie nur auf Vorbestellung für zwei Personen gibt.
Drückt man dann beherzt die Klinke, steht man in einem Gastraum, der spanischer nicht sein kann. Ein liegender brauner Pappmaché-Toro in Neufundländer-Größe begrüßt einen mit kuhäugigem Blick. Das hellbraune Eichen-Gebälk, das die zahlreichen Sitznischen einrahmt, stammt zwar aus der deutschen Kneipen-Ausstattungs-Konfektion „Gemütlich“, spielt seine Rolle als spanische Mittelalter-Applikation allerdings mit eleganter grandeza. Ansonsten wirkt das Ambiente des Ladens edel und karg, schöne Film- und Sherryplakate schmücken in schwarzen Rahmen die weiß getünchten Wände, hier und da entdeckt man dekorative Weinflaschen, -schläuche und –krüge.
Schon kurz nach Öffnung füllt sich der Laden mit Werdener Stammgästen, die keinerlei Schwellenangst haben, sondern genau wissen, wie gut das Essen hier ist. Besonders beliebt ist im Sommer der Balkon, auf dem man nicht nur den Blick auf die Rückseite eines zu Apartments umgebauten antiken Fabrikgebäudes am Ruhrufer hat, sondern zwischen den Häusern hindurch auch auf das Stauwehr des Baldeneysees.
In der Tat legt man im „Andalucia Casa Pedro“ nur wenig Wert darauf, die Hauptgerichte zu verkaufen, die zwischen EUR 9 und 19 kosten, wie die Speisekarte dann doch verrät. Der ganze Stolz liegt auf den Tapas, die mit einem eine Seite langen, eng gedruckten Text über den sozio-gastronomischen Hintergrund eingeführt werden. Die Liste ist endlos, es gibt warme, kalte, welche mit Fleisch und welche mit Fisch und sie kosten zwischen EUR 4 und 9. Kellner und Köche kommen ins Schwitzen, wenn sie Datteln im Speckmantel, Fleischbällchen in Tomatensauce, mit Seehechtfarce gefüllte Paprikaschoten oder gegrillte Gambas an die Tische tragen. Rein vom Fassungsvermögen her konnte ich mir nur drei der pikanten Happen leisten. Die Aljoli verde (EUR 2,80), eine mit Kräutern herzhaft abgeschmeckte Knoblauchmayonnaise, wurde mit frisch aufgebackenem, noch heißem Baguette serviert. Orientalisch wirkten drei dicke mit Thunfisch gefüllte Blätterteigrollen, die ein wenig an türkische sigara erinnerten (EUR 4,80). Klassisch, karg und fantastisch waren die vier gegrillten Lammfiletkoteletts (EUR 8,50), die zusammen mit fein gewürzten Bartkartoffelecken und Aljoli verde auf den Tisch kamen. Den knochentrockenen Rosé aus der Rioja (1/4l EUR 4,50) hätte ich mir etwas lieblicher gewünscht, aber das ist Geschmackssache.
Am Nebentisch saßen zwei große Werdener Mädchen mit einem kleinen (ca. 6 Jahre). Die Kleine, sonst wahrscheinlich eher auf Süßigkeiten wie Nutella oder Smarties abonniert, konnte die pikanten exotischen Häppchen kaum erwarten. „Lecker!“, rief sie angesichts einer in roter Tomatensauce schwimmenden kleinen Schweinerei. Und dann: „Wie im Hotel!“