Mittwoch, 6. August 2003

Aus dem Archiv: Amalfi - Alte Burschen Herrlichkeit

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2004".
Die Pizzeria wird seit 2010 von der Familie Abdyli aus dem Kosovo betrieben.


Nur ein paar Fotos erinnern an das gleichnamige, kleine steinreiche Seeräuberstädtchen mit dem güldenen Dom an der legendären Steilküste südlich von Neapel; das Amalfi, Werdens älteste Pizzeria, ist zwar ganz illuster dem barocken Gebäude der Folkwangschule gegenüber gelegen, versteckt sich aber in einem 50er-Jahre-Wohnzweckbau und zeigt in seiner Weitläufigkeit beim mittäglichen Licht nur wenig Italo-Romantik. Die Wände zieren Wandgemälde von Alt-Werden und vermitteln fast Adenauersche Alte-Burschen-Herrlichkeit, wären dazwischen nicht die Tafeln mit den italienischen Schmankerln angebracht. Die Tagesannoncen bringen Frisches wie Fisch (z.B. Dorade EUR 16, preiswert gegenüber anderswo) oder Seltenes wie Kalbsnieren (EUR 13,50), auf die wir gleich noch zurückkommen. Abends, wenn es dunkel ist, mag es heimeliger sein. Dann strahlen die Tiffanyleuchten, und die Fotos von Promis und Tänzern verbreiten italienische Familiarität.

Zwanzig Pizze in den Varianten grande und piccola (zwischen EUR 2,85 und 8,50): hier isst der Musikstudent und nimmt vielleicht auch gern etwas mit. Uns aber stand trotz schmaler Spesen der Sinn nach Prassen und wir bestellten einen gemischten Vorspeisenteller (EUR 8,20), allerdings mit zwei Gabeln. Die Antipasti reichten auch dicke für zwei, waren vielfältig und lecker. Besonders hübsch waren dabei die Tomaten caprese mit ihren winzigen Mozzarellakügelchen, die je nach Laune des Betrachters an die etwas überdimensionierten Liebesperlen aus den Nuckelflaschen an den holländischen Raststätten oder an die pikante Fracht jener exotischen Käfer erinnerten, die ihre Exkremente aufrollen und auf dem Rücken mit sich herumschleppen – zumal, wenn sie vom dunklen Aceto balsamico benetzt waren. Allerlei gefüllte warme Gemüse schmeckten ebenfalls nach mehr.

„Wir haben täglich selbst gemachte Nudeln“, verheißt die Speisekarte viel versprechend, und so war es selbstverständlich, die empfohlenen Tortelloni mit Steinpilzen (EUR 8,95) zu probieren. Hocharomatisch, in einer mächtigen Sahnesauce, sättigten sie auf alle Sinne betörende Art, dass man nach dem Essen kaum noch hoch kam. Ähnlich befriedigend auch die Kalbsnieren: Nicht ganz so zart und deshalb etwas rustikaler als etwa in der Rüttenscheider Oase, aber wahlweise mit Nudeln oder Gemüse serviert, waren die säuerlichen Innereien an Appetitlichkeit kaum zu überbieten.

Gelungen war die Empfehlung von der immerhin zehn Positionen umfassenden Karte der offenen Weine. Der Brezza (O,2l EUR 3,60) ist ein prickelnder, fruchtiger Weißer der umbrischen Cantine Lungarotti, der seit ca. sechs Jahren die Weinfreunde im Revier begeistert.
-kopf

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Essen-Werden, Bungertstr. 35, Fon 49 40 86
Mi, Do, So 12-23 Uhr, Fr, Sa 12-24 Uhr
Mo, Di geschlossen

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