Im Glas funkelt ein Tariquet.
Man kann von den pingeligen Essgewohnheiten der Jugend von heute denken, was man will. Veganismus oder der neue Burger-Kult machen immerhin deutlich, dass sich die Leute Gedanken um die Qualität des Essens und der Zutaten machen. Das war nicht immer so. Als der Genießer vor etwa 25 Jahren begann, sich mit der Gastronomie kritisch auseinanderzusetzen, waren mexikanische Restaurants in Mode. Mit Schaudern denke ich an den Eröffnungspressetermin eines Mexikaners in Dortmund-Hörde zurück, auf dem der Betreiber voller Stolz verkündete, keinen Herd in der Küche zu haben. Stattdessen präsentierte er eine Batterie von Mikrowellen, in denen die Fertiggerichte aus den dazugehörigen Tiefkühltruhen aufgetaut wurden. Das einzige, was in zwei Fritteusen frisch zubereitet wurde, waren die Pommes.
Moderne von gestern im Blaubuchsenviertel
Das ist im Neuland anders. „Selbstverständlich kochen wir nur frisch und legen Wert auf gute Zutaten, besonders beim Fleisch“, sagt Andreas Browa, der die mit den Prädikaten „Bar, Bistro, Stadtzimmer“ versehene ehemalige Eckkneipe im Bochumer Griesenbruch seit zweieinhalb Jahren betreibt. Regelmäßig finden hier Kulturveranstaltungen statt und setzen die Tradition fort, die die Adresse Rottstr. 15 seit dem Kulturhauptstadtjahr hat. Im Zug des damaligen Kreativwirtschaftshype und dem beginnenden Bau des Bochumer Musikzentrums, das in diesem Herbst tatsächlich eröffnet wird, hatten die Stadtplaner das westlich der City gelegene Stadtviertel zwischen Viktoria-, Hattinger, Bessemer-, Allee- und Rottsraße mit seiner 50-er-Jahre-Architektur kurzerhand zum ViktoriaQuartier umfirmiert (klick hier), in der Hoffnung, es würde einen ähnlichen Aufschwung nehmen wie das Bermudadreieck. Die Gastronomien am Hans-Ehrenberg-Platz boten dafür ein schönes Beispiel. Ein großer Schritt war die Etablierung des Moltke Marktes auf dem Springerplatz, und auch die Eröffnung des spanischen Restaurants „La Mesa“ im edel renovierten „Bessem-Carré“ (klick hier) scheint zu funktionieren. Doch der soziale Wandel im ehemaligen Blaubuchsen-Viertel geht nur langsam voran.
Urbanes Wohnzimmer.
Auch das Neuland profitierte ein wenig von der Politik und fand bei der Gründung Unterstützung beim Kulturamt der Stadt, das sich beim Ordnungsamt für den Laden einsetzte. Doch das Szenepublikum hielt sich leider nicht so ganz an die Vorgaben der Stadtplaner und fand in letzter Zeit seine neue Heimat eher am Kortländer, da wo sich die Ausfallstraßen Dorstener und Herner Straße am nördlichen Rand der City endlich küssen. „Da fehlt mir jetzt die Laufkundschaft“, meint Andreas etwas sehnsüchtig.
Leckere Frischeküche.
Von den gebratenen Sesamgnocchi mit Fenchel, Kirschtomaten, Parmesan, Dattel-Pflaumen-Pesto und Schweinefilet (16,80 Euro), die Andreas mir von der kleinen Karte serviert, bin ich jedenfalls begeistert. Alle Aromen sind präsent, und das Filet ist schön saftig. Dazu ein Glas Tariquet, was Besseres kann es an einem späten Samstagnachmittag kaum geben.
Clash der Wohnkulturen.
Während ich esse, ergötze ich mich an der Einrichtung des Ladens. Es ist jener postmoderne Wohnzimmer-Altmöbel-Stil, den ich seit meiner Studienzeit in den 1970-er Jahren aus den Fachschaftsräumen an der Uni und der Hausbesetzerzeit in den 1980-er Jahren kenne. Wie Jahresringe sind die Dezennien der letzten 60 Jahre erkennbar. Pseudobarocke Sitzmöbel sogar noch aus der Vorkriegszeit, Lampenschirme aus den frühen 1950ern, eine Musiktruhe und Kunstledersessel aus den 1960ern, Kneipenstühle aus den 1970ern und ein Thekenbereich aus der Neuzeit. Und langsam füllt sich das Neuland auch mit weiteren Gästen. Ich bin überrascht – es sind keine bärtigen Hipster, sondern ein anscheinend gut situiertes Ehepaar um die 60.
Neuland. Bar. Bistro. Stadtzimmer. Rottstr. 15, Bochum. Dienstag bis Donnerstag 17.30-23Uhr, Freitag und Samstag 17-1 Uhr, Sonntag 15.30-23 Uhr. Infos auch übers Kulturprogramm hier.
Tapenade-Häppchen zum Wein.
Einst als Eckkneipe gebaut.
Hauptsache gesund!
Das sieht schon sehr edel aus.
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