Bei der der Durchsicht meiner alten Restaurantkritiken in den letzten Wochen bemerkte ich, dass ich den Besuch in „Hürster’s Kochwerkstatt in Dortmund-Bodelschwingh im Jahr 2011 eigentlich nie vergessen hatte (klick hier). Denn das schöne Mittagessen, das mir Patron Stefan Hürster, der sein Lokal 2013 schloss, damals auftischte, brachte mir neben dem Genuss auch die Erkenntnis, dass es sich durchaus lohnen kann, für eine Mahlzeit ein paar Euro mehr auszugeben. Von der Zusammenstellung der einzelnen Komponenten und ihrer handwerklichen Zubereitung her war das „Kotelett vom Ibericoschwein mit Kartoffel-Sellerie-Püree, Wirsing à la crème und Dörrobst-Sauce“ einfach spitzenmäßig.
Das Fleisch vom Ibericon galt damals als das Non plus ultra, nachdem der Bochumer Großhändler Niggemann es in die Ruhrgebietsgastronomie eingeführt hatte. !7 Euro 50 fand ich damals für so ein bodenständiges Gericht allerdings nicht unbedingt preiswert. Schließlich hatte ich kurz zuvor einem Wattenscheid-Höntroper Lokal ein ähnliches Gericht für 14 Euro 60 bekommen, „Medaillons vom Schweinefilet mit Rahmwirsing und Maccairekartoffeln“, an dem ich erstmals nichts zu meckern hatte (klick hier). Doch im direkten Vergleich kamen das trocken gebratene Fleisch, das schwere Gemüse und vorgefertigte Kartoffelzubereitung nicht im Geringsten an die Mahzeit in Bodelschwingh heran. Was drei Euro mehr doch ausmachen können.
An dieses lehrreiche Erlebnis musste ich denken, als neulich Bauer Schulte-Stade in Hattingen Koteletts vom Bunten Bentheimer Bio-Weideschwein im Angebot hatte. Ich beschloss sofort, damit nach 14 Jahren das Gericht aus „Hürster’s Kochwerkstatt“ nachzukochen, denn das Bunte Bentheimer finde ich als regionale Rasse noch wesentlich interessanter als das Iberico aus dem fernen Spanien, das mittlerweile ja ziemlich inflationär geworden ist. Als Referenz für die Zubereitung hatte ich noch eine andere Erinnerung an ein Schweinkotelett, die auf einen Besuch des italienischen Restaurants „Da Daniele“ in Essen auf der Steeler Straße zurückgeht. Das muss vor 1993 gewesen sein, doch leider habe ich von diesem Besuch keinen Text mehr. (Zu zwei anderen Texten klick hier und hier). Nachdem ich mit Daniele ins Plaudern gekommen war, wollte er mir, nachdem ich ein übliches Pasta-Gericht gegessen hatte, unbedingt die wahre italienische Küche nahe brinegn. Die baut bekanntlich auf die einfachste Zubereitung von allerbesten Produkten, und so briet er mir ein Schweinkotelett „nature“, so zart, so saftig, so aromatisch, dass ich es bis heute nicht vergessen habe. Ob ich das auch hinkriegen würde?
Die Beilagen des Hürster-Gerichtes machten mir keine Sorgen. Weil ein Kartoffel-Sellerie-Püree eigentlich ziemlich simpel ist, hatte Stefan Hürster damals die Beilage noch mit Trüffelöl aromatisiert; ich hatte keines zur Hand und gab stattdessen ein Fädchen geröstetes Arganöl dazu.
Spitzkohl
Allerdings machte mir beim Rahmwirsing der Biomarkt meines Vertrauens einen Strich durch die Rechnung, weil er keinen Wirsing hatte. Die Saison beginnt schließlich erst wieder im März. Stattdessen stieg ich kurzerhand auf einen zarten Spitzkohl um, den ich mit etwas Senf und anstelle der üblichen Sahne mit meinem heißgeliebten Ziegenfrischkäse verfeinerte.
Um für die kurzgebratenen Koteletts genügend Sauce zu bekommen, die ja Dörrobst enthalten sollte, erinnerte ich mich an das „Schlesische Himmelreich“, einen Klassiker aus dem heutigen Polen, den ich einmal in der Museumsgaststätte „Pferdestall“ auf Zeche Zollern II in Dortmund-Bövinghausen gegessen hatte (klick hier) und dann auch einmal in einem meiner Kochkurse hatte zubereiten lassen (klick hier). Dafür wird Schweinebauch mit Backobst gekocht, und so nahm ich beim Einkauf auch noch einen Streifen geräucherten Bauchspeck vom Bunten Bentheimer mit. Den kochte ich zusammen mit Trockenpflaumen weich; die entstandene Brühe dickte ich mit einer Butter-Mehlschwitze etwas an und bekam so genügend Sauce., deren betörende Süße ich ebenfalls mit Senf etwas aufpeppte.
Den gekochten Schweinebauch brauchte ich für mein Gericht allerdings nicht. So nahm ich etwas Sauce ab und damit gönnte ihn mir samt zwei Klößen aus der Packung, die ich noch von Weihnachten übrig hatte, ganz klassisch als Extra-Mahlzeit „Schlesisches Himmelreich“.
Übrigens: Dass meine Koteletts wunderbar saftig wurden, dafür sorgten ein paar Stücke Butter, mit denen ich sie belegte, als ich sie nach dem Bräunen in der Pfanne zum Fertigbraten in den Ofen schob. Dass das gesamte Gericht ein geradezu sündhaftes Stück Soulfood wurde, muss ich wohl nicht extra erwähnen
Rezept: Kotelett vom Bunten Bentheimer an Backpflaumensauce „Schlesisches Himmelreich“ mit Kartoffel-Sellerie-Püree und Rahm-Spitzkohl
Für die Sauce:
200 g geräucherter durchwachsener Speck
200 g Soft-Trockenpflaumen oder andere Trockenfrüchte
1 Stange Zimt
1 Zwiebel
1 Sternanis
3 Nelken
¾ l Brühe
Butter, Mehl
Salz, Pfeffer, Senf
Speck in einem großen Topf anbraten. Brühe angießen, Trockenpflaume, die mit den Nelken gespickte Zwiebel, Zimtstange und Sternanis dazugeben und alles 1,5 Stunden sanft köcheln lassen.
Wenn das Fleisch gar ist, zusammen mit den Trockenfrüchten herausnehmen. Brühe abseihen.
In einem Topf Butter schmelzen lassen und das Mehl einrühren. Langsam die Brühe dazu gießen und alles unter Rühren köcheln lassen, bis eine sämige Sauce entsteht und alles nicht mehr nach Mehl schmeckt. Trockenfrüchte dazugeben und mit Salz, Pfeffer und Senf abschmecken.
Tipp: Ein Drittel des Sauce und der Trockenpflaumen abnehmen und mit dem Fleisch zu Klößen als „Schlesisches Himmelreich“ servieren.
Für das Kartoffel-Sellerie-Püree:
500 g Kartoffeln (mehligkochend)
300 g Sellerie
100 ml Milch, ich habe Hafermilch genommen
2 EL Butter
geriebene Muskatnuss
Trüffelöl oder geröstetes Arganöl
Kartoffeln schälen, waschen und in kleieen Würel schneiden. Sellerie schälen und in ähnlich große Würfel schneiden. Zusammen in Salzwasser 15 Minuten kochen, bis es weich ist..
Abgießen, etwas ausdämpfen lassen, zerstampfen und Milch und Butter unterheben. Darauf achten, dass es nicht zu flüssig wird. Mit einem Holzlöffel schlagen, bis ein feines Püree entanden ist. stampfen. Mit Salz, Muskatnuss und Gewürzöl abschmecken.
Rahmspitzkohl:
200 g Spitzkohl, in feine Streifen geschnitten
30 g Speck
50 ml Brühe
40 ml Milch
1 EL Mehl
1 TL Butter
1 bis EL Ziegenfrischkäse
Salz, Pfeffer, Muskat, Senf
Zwiebel und Speck in feine Würfelschneiden. Mit etwas Butter tter in einem Topf bei mittlerer Hitze leicht bräunen. Den in feine Streifen geschnittenen Spitzkohl dazugeben und kurz anbraten. Die heiß Brühe dazugeben, umrühren und alles bei mäßiger Hitze weich dämpfen.
Das Mehl mit der Milch verrühren und dezu geben. Kurz aufkochen lassen. Unter das fertige, nicht mehr kochende Gemüse den Ziegenfrischkäse ziehen. Mit Pfeffer, Salz, geriebener Muskatnuss und etwas Senf abschmecken.
Koteletts:
2 Stielkoteletts mit Knochen, vorzugsweise vom Bunten Bentheimer
Pfeffer, Salz, getrockneter Majoran
Bratöl
1-2 EL Butter
Backofen auf ca. 180 Grad vorheizen.
Fettrand der Koteletts in 1 Zenitmeter Breite einschneiden. Koteletts mit Salz, Pfeffer und getrocknetem Majoran gut einreiben.
Öl in einer ofenfesten Pfanne erhitzen und die Koteletts auf jeder Seite fünf Minuten scharf anbraten. Auf die Koteletts je ein Stück Butter setzen und in den Ofen schieben. In ca. 10 Minuten fertig braten.
Pfanne aus dem Ofen nehmen und die Koteletts in Folie gewickelt etwas ruhen lassen.
Anrichten:
Auf vorgewärmten Tellern eine Spiegel aus Sauce verstreichen. In die obere Hälfte des Spiegels je zwei El Kartoffel-Sellerie-Püree und Rahm-Spitzkohl setzen, darunter ein gebratenes Kotelett. Backpflaumen aus der Sauce darauf verteilen und noch etwas Sauce darüber geben.
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