Sonntag, 25. Juli 2004

Aus dem Archiv: Toto - Rosa Wölkchen auf blauem Himmel

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005".
Das Restaurant gib es nicht mehr.


Wer vor dem Haus Frankenstraße 110 gleich neben dem alten Rellinghauser Rathaus steht, glaubt kaum, dass sich in dem unscheinbaren, dicht an der Straße stehenden Gebäude ein pittoreskes Stück italienischer Gastro-Kultur befindet. Betritt man den nicht allzu großen Gastraum vom Ristorante Toto, ist man erst einmal von einem großen, fresko-artigen Bild einer idealen italienischen Landschaft überwältigt, das die ganze Wand gegenüber einnimmt. Und dann die Decke! Höchstens in der Renaissance wurden die Gefühle von Pizza- und Pasta-Essern mit solch blauem Himmel und rosa Wölkchen dargestellt wie hier. Und dann noch die elysischen Düfte, die der offenen Show-Küche entströmen – einfach himmlisch.

Hier hantiert ein Koch mit Pfannen und Töpfen, dass es eine Lust ist, ihm dabei zuzusehen. Inhaber Giuseppe Castronovo hat sein Ristorante der sizilianischen Küche verschrieben, und so gibt es bei ihm – neben den für einen Italiener im Ruhrgebiet unentbehrlichen Pizza- und Nudelgerichten - süditalienische Spezialitäten wie Coniglio alla Cacciatora (Kaninchenfilet mit Oliven, Austernpilzen, Rosmarin in Weißweinsauce 16,20 EUR) oder Filetto alla Arancia (Rinderfilet in einer Orange-Grand-Marnier-Sauce 18,40 EUR). Aber auch die piemontesische Küche hat es dem Padrone angetan, besonders die Weine, die er auch auf seiner schönen Internetseite empfiehlt und bei gelegentlichen Weinproben seinen Gästen kredenzt. Mittags kommen gern Besucher der Messe Essen vorbei, und auch für Kinder gibt es ein spezielles Angebot.

Bis zum letzten Sommer verfügte das „Toto“ über keinen Außenbereich, aber dem hat Inhaber Giuseppe Castronovo Abhilfe geschaffen. Durch eine umfangreiche Umbaumaßnahme hat er eine überdachte Terrasse anlegen lassen, auf der man – ähnlich wie in einer überdimensionalen Einfahrt – auch bei weniger gutem Wetter draußen sitzen kann. Bei dem diesjährigen Sommer eine weitsichtige Investition.
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Essen-Rellinghausen, Frankenstr. 110


Aus dem Archiv: Gummersbach - Fleisch exklusiv

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005".

Seit Kaiser Wilhelms Zeiten war hier eine große, repräsentative Eck-Kneipe, die vom bürgerlichen Leben in Essen-Borbeck zeugte. Und auch noch heute, wo Klaus Gummersbach und seine Frau hier ihr Feinschmecker-Lokal betreiben, ist die geschmackssicher renovierte Örtlichkeit ein Zeichen dafür, dass man auch in den nördlichen Essener Stadtteilen gut zu leben weiß. Denn kaum ein Restaurant im Umkreis legt so viel Wert auf exklusives Fleisch.

Das Rindfleisch stammt in der Regel vom „bæuf de Hohenlohe“. Das sind Rinder, die im Schwäbischen gemästet werden und schon Ende des 18. Jahrhunderts die Köche in Paris wegen ihrer Zartheit und ihres vorzüglichen Geschmacks überzeugte. Das Schweinefleisch stammt vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein, eine besondere Rasse, die der König von Württemberg um 1820 durch die Zufuhr von chinesischen Maskenschweinen züchten ließ. Es ist fester und etwas dunkler als normales Schweinefleisch, und aufgrund der gesunden Zellstruktur hält es den Saft besonders gut. Manchmal kauft Klaus Gummerbach auch ein schottisches Luing-Rind aus der Herde des Nebenerwerbs-Viehzüchters Karsten Schütt. Dieses Fleisch gibt es nur kurze Zeit, Stammkunden bestellen Mahlzeiten, zu denen gewisse Stücke verwendet werden, lange vor.

So ist es kein Wunder, dass es im Gummersbach keine große Karte gibt, sondern die kleine, aber exklusive Auswahl an Gerichten auf die Angebotstafeln passt. Küchenchef Hans-Joachim Nitschke verarbeitet das erstklassige Fleisch zu bodenständigen, fast gutbürgerlichen Gerichten, die allen schmecken. Und auch die Vorspeisen zeugen eher von den Vorzügen der heimischen Küche, etwa gebratene Jakobsmuscheln (EUR 6,50) die mit einer üppigen Garnitur serviert wurden, oder die Blutwurstpraline, ein überbackener Kartoffel-Püree-Baiser mit Blutwurstfüllung (EUR 5,50).

Große Erwartungen richteten wir natürlich auf die Fleischgerichte, und wir wurden nicht enttäuscht. Das Kalbskotelett „bæuf de Hohenlohe“ mit Morchelrahm, pommes maçanaires und Gemüse (EUR 21,90) war in der Tat ein saftig-zartes, recht großes Stück Fleisch, das „nature“ gebraten war und alle seine Vorzüge zeigte. Fast hätte man sich gewünscht, dass es nur mit etwas Bratensaft auf den Tisch gekommen wäre, denn der Morchelrahm war zwar eine schmackhafte, aber doch sehr dominierende Ergänzung zum Fleisch. Wie bei Muttern mundete die Leber vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein mit Röstzwiebeln, Apfelschnitzen und Kartoffelpüree (EUR 14,90). Schmelzend zergingen die schmackhaften Innereien auf der Zunge, und auch das Püree war von wahrhaft schneeiger Konsistenz. Lediglich die Äpfel hätten etwas aromatischere, süßsaure Akzente setzen können.

Wer ganz unkompliziert die Qualität der Gummerbach-Küche antesten will, dem sei das „Mittwochs-Menü“ empfohlen. Das kleine, aber runde Menü mit fünf Gängen, wobei man beim Hauptgang zwischen Fisch und Fleisch wählen kann, kostet schmale EUR 17,70. Donnerstags gibt es ein Tapas-Menü für EUR 15,50, und montags ab 18 Uhr den legendären Hummer-Brunch, bei dem man Hummer mit Beurre blanc, Aioli und Baguette bis zum Abwinken essen kann, und das für EUR 19,80! Allerdings unbedingt reservieren!
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Essen-Borbeck, Fürstenbergstr. 2
Fon 0201.  67 64 64
Do-Mo ab 17 Uhr, Di, Mi geschlossen
https://gummersbachessen.de/

Aus dem Archiv: Gebrandenhof - Es ist ja nur Obst

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Das Anwesen wird 2017 nicht mehr gastronomisch genutzt.


Bis 1940 wurde der 1798 erbaute Bauernhof am Rande des Essener Stadtwaldes noch landwirtschaftlich genutzt, dann setzten der damalige Besitzer und seine Nachfolger auf die Gastronomie. Werner Rzepucha, der den Hof 1990 übernahm, machte aus dem stattlichen Fachwerkhaus schließlich das Schmuckstück, als das sich der Gebrandenhof heute dem Publikum präsentiert - mit Bierschwemme, Bauernstübchen, Galerie und Tenne für geschlossenen Gesellschaften und einem weitläufigen Biergarten. In einem gläsernen Anbau ist die Küche untergebracht, in dem man die Köche werkeln sehen kann.

Dass hier auf kulinarischem Gebiet etwas anderes passiert als in ähnlichen Ausflugslokalen, merkt man sofort, wenn man das alte Bauernhaus betritt. Wie an einem Marktstand werden die frischen Produkte, die die Küche verarbeitet, dem Gast dekorativ präsentiert. Offene Weinkisten mit guten Bordeaux-Weinen signalisieren, dass das rustikale Bachkieselpflaster des Hauses ein durchaus gehobenes lukullisches Parkett ist. So bodenständig Atmosphäre und Ambiente wirken, so weltläufig ist das Angebot, das die Speisekarte bietet. Eine traditionelle gutbürgerliche Küche wird hier mediterran interpretiert: zum Beispiel Seelachs mit Zucchini und Kirschtomaten auf Rosmarinbutter mit Wildreis (EUR 14,60) oder Rumpsteak gefüllt mit Kräuterschalotten auf Marsalareduktion mit gratinierten Rahmkartoffeln (EUR 18,90). Ein täglich wechselnder Mittagstisch und das samstägliche große Eintopf-Büffet ergänzen dieses Angebot.

Ohne lange zu zögern, schleppt Werner Rzepucha eine große Angebotstafel herbei, auf der jene Gerichte mit saisonalen Zutaten aufgelistet sind, die die Standardkarte nicht enthält. Leutselige schimpft er dabei übers Wetter, das die Biergartensaison dieses Jahr so verhagelt hat, und dass es deshalb nicht die Grillspezialitäten wie etwa die berühmte halbe Ente vom Grill gibt. Ich entscheide mich für ein Kartoffelsüppchen (EUR 4,50) und Fischfilet mit Pfifferlingen (EUR 17,50). Mit welcher Sorgfalt hier auf Kleinigkeiten geachtet wird, zeigte schon das Weißbrot, das als Appetitanreger gebracht wurde, herrlich duftend und wohlschmeckend. Das Süppchen entpuppte sich als ordentliche Portion in einer Löwenkopfterrine, sorgsam abschmeckt und pikant verfeinert. Den Fisch hätte es beim Italiener nicht besser geben können. Die beiden üppigen Filets waren wunderbar gebraten und wurden prächtig durch die Pfifferlinge ergänzt. Dennoch gab es noch Gemüse dazu, Zucchini und Broccoli, mit Biss gegart und mediterran mit Kräutern aromatisiert. Das Extraschälchen mit Kartoffeln schien fast schon zuviel, doch auch sie waren von perfekter Konsistenz und appetitanregend gewürzt.

Verschmitzt empfahl Werner Rzepucha einen Früchteteller zum Dessert und brachte schließlich einen dieser überdimensionierten Pasta-Teller á la Alfred Biolek voll frischer Wald-, Johannis- und Erdbeeren, dass es eine Pracht war (EUR 7,50). Als ich voller Skepsis äußerte, ob ich diese Riesenportion noch verkraften könnte, meinte er gönnerhaft: „Es ist ja nur Obst!“
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 Essen-Stadtwald. Wittenbergstr. 85

Freitag, 23. Juli 2004

Aus dem Archiv: Capobianco - Zu früh, zu früh

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005".
Mittlerweile ist das Restaurant durchgehend geöffnet.


Es ist gar nicht so einfach, im nördlichen Teil jener ‚Niere’, die die Essener Innenstadt geografisch darstellt, am späten Nachmittag etwas zu essen zu bekommen. Selbst das „Capobianco“ macht nach seinem beliebten Mittagstisch von drei bis halb sechs zu, und wenn man dann vor dem Schaukasten mit dem vergilbten, welligen „Essen geht aus“ vom letzten Jahr steht, könnte man fast meinen, das hochgelobte Ristorante, mit dem sich die Brüder Capobianco seit 1997 in die Herzen ihrer Stammkundschaft gekocht haben, hätte überhaupt geschlossen. Wenn man endlich kurz vor sechs als erster und vorläufig einziger Gast den noch leeren Laden betreten kann, ist man erst einmal verwirrt und staunt.

Ein Labyrinth von eng aneinander stehenden Tischen mit bequemen, viel benutzten Rattanstühlen lässt das Auge keinen Fixpunkt finden. An den Seiten stehen hie und da ein paar antike Vitrinen, voll gestopft mit Weinflaschen und –kisten. Die Fresken mit nachempfundenen Motiven aus der Sixtinischen Kapelle an der Wand und die bunten Fliesen auf dem Boden, das Oberlicht, das durch eine große runde Dachluke als architektonischer Effekt den Raum erhellt - all das macht die Orientierung nicht leichter.

Leider fühlte sich niemand von der Belegschaft bemüßigt, dem hilflosen Gast einen Platz anzubieten, und so setzte ich mich beherzt an einen Tisch, auf dem kein „Reserviert“-Schildchen stand und von dem aus ich eine darüber hängende Angebotstafel mühelos entziffern konnte. Schließlich wurde ich doch mit einem herzlichen „Boungiorno, dottore“ begrüßt und mir wurde die Karte überreicht. Doch weder nach einer Salatkomposition mit gebratenen Pilzen und Parmesankäse (EUR 9,50), noch nach Tortellini al Gorgonzola (EUR 7,70), Filetsteak in Trüffelsauce (EUR 20,00) oder nach Hummerkrabben mit frischen Kräutern überbacken (EUR 20,50) stand mir der Sinn. Die geheimnisvollen Hieroglyphen auf der Angebotstafel forderten meinen Stolz aus Gourmet heraus. Also bestelle ich „Seeteufel in CHAMPANEZAFFERAN“ (EUR 19,50), und als Pastagang hausgemachte Orechietti mit Rucola und Parmaschinken in Cherrytomaten (EUR 9,90).

Stand möglicherweise Chef-Koch Camillo di Lucia nicht persönlich am Herd? Trotz der tadellosen frischen Zutaten machte die Zubereitung der Speisen einen unkonzentrierten und ungeduldigen Eindruck. In der salzigen, zu wenig eingekochten Nudelsauce befanden sich keine Cherrytomaten, sondern in Stücke geschnittene normale Tomaten, und die ausgesprochene Herbheit der Champagner-Safran-Sauce zum Fisch erklärte ich mir damit, dass der Koch vielleicht beim Ablöschen die Champagner- mit der Grappa-Flasche verwechselt hatte. (Dass unter dem Teller eine Seeteufelgräte klebte, und dass eine Rotte von Fruchtfliegen eine Attacke nach der anderen auf mein Weinglas flog, förderte den Appetit auch nicht wirklich.)

Nach dem Empfehlungen, die ich von verschieden Kollegen gehört hatte, war ich etwas enttäuscht. Aber warum geht man auch sofort nach Ladenöffnung als erster Gast in der Essener Innenstadt essen? Als ich das „Capobianco“ gegen sieben verließ, hatte sich eine ganze Reihe von glücklichen Gästen eingestellt. Alles hatte sich eingespielt, und der Patron machte charmant seine Honneurs. Und ab jetzt schmeckte das Essen sicher besser.

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Essen-City, Rottstr. 7
Fon 0201. 22 66 03
tägl. 12-24 Uhr
https://capobianco-ristorante.de/

Aus dem Archiv: Acquario - Italien wie bei Muttern

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005".

Donnerstag, 18 Uhr. Ganz Deutschland ist arbeitslos und jammert. Ganz Deutschland? Nein, in Steele, am Kaiser-Wilhelm-Platz, im Ristorante „Acquario“, gibt es Arbeit ohne Ende. Fast alle Plätze in dem verwinkelten Laden sind besetzt. Mit ganzen Familien, die was zu feiern haben, Pärchen, die Händchen halten, Mittdreißigerinnen, die den Sex in der Steeler City suchen. Nur ein einsamer Essen-geht-aus-Tester muss am Katzentisch Platz nehmen, um mit der nötigen analytischen Skepsis sein frugales Mahl zu verzehren. Kann ein Lokal beliebter sein?

Der Service, in dem anscheinend sämtliche Mitglieder der Familie von Riccardo und Francesco Pappa, die das Lokal seit 1980 betreiben, tätig sind, bändigt das brodelnde Chaos mühelos. Mit der professionellen Routine einer Kantine werden Pasta und Pizza, Carpaccio von Schwertfischfilet mit Rucola-Salat und Rosa-Pfeffer (EUR 9), Kalbsmedaillons in Parmaschinken, Salbei und Weißweinsauce (EUR 14,50) oder San Peterfisch mit frischen Tomaten, Knoblauch und Basilikum (EUR 14,50) an den Gast gebracht. Dass man es schafft, große Massen ansprechend zu bedienen, zeigt auch die umfangreiche Cateringkarte im Internet, die zahlreiche üppige Büffets aufweist.

Der 80er-Jahre-Neubau-Urbanisation des Steeler Zentrums italienische Romantik einzuhauchen, gelingt dem „Acquario“ kaum. Aber mit sorgsam ausgewählten Versatzstücken wie einer üppigen Antipastitheke, Terracotta-Bodenfliesen, barocken Wandreliefs, Weinregalen, Gemälden von Bella Italia und einer frischen, das Sonnenlicht imitierenden Farbgestaltung gelingt es immerhin, die moderne, saubere Atmosphäre eines Speisesaals in einem guten Ferienhotel zu imitieren. Auch die Möblierung der Terrasse setzt solche Akzente: zwar sind es Rattanmöbel, aber pflegeleicht.

Entsprechend problemlos erweist sich auch das Essen. Die gemischte Vorspeisenplatte (EUR 9,50) bot all das, was die Einmachgläser der italienischen Küche so verlockend macht. Selbst die Portion Surimi, das bekannte japanische Kunst-Krebsfleisch, hatte eine erfrischend pikante, säuerliche Note. Die zarten Scheiben einer ausgelösten Lammkeule mit dem Namen „Agnello agli aromi“ (EUR 16,50) waren auf den Punkt rosa gebraten, für die Aromen sorgten ein paar Scheibchen Knoblauch und ein Stängel Thymian. Und dennoch dachte man bei dem Tellergericht weniger an eine „cucina alla mamma“, sondern an den Sonntagsbraten bei Muttern. Ob das an den perfekt gegarten, mit Petersilie bestreuten Salzkartoffeln lag, die als Beilage dienten? Authentisch italienisch hingegen wirkte der Rotwein, der offen (EUR 3,40 0,2 l) serviert wurde. Es war ein rustikaler Salice Salentino aus Apulien mit dem herzhaftem Aroma von Trockenpflaumen, den man auch – wie eine große Auswahl anderer Weine auch – mit nach Hause nehmen kann.
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Essen- Steele, Kaiser-Wilhelm-Platz 5
Fon 02011. 51 26 65
DI-So 12-23.30 Uhr, Mo Ruhetag
www.acquario.de

Mittwoch, 21. Juli 2004

Aus dem Archiv: Casa Lodato - Individualität und Persönlichkeit

Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2005".
Das Restarunt steht seit 2015 unter neuer Leitung und heißt "Casa Lodato Da Giovanni".


Mit sichtlicher Vorfreude begutachtet die alte Dame die ordentlich in Tupperware verpackten Köstlichkeiten, die Patron und Küchenchef Nicola Lodato in ihrem mitgebrachten Transportkorb verstaut. Allerlei leckere Antipasti sind dabei, aber auch Nudeln mit Sauce und vieles mehr. Bernd Lewin, seines Zeichens für den Service zuständig, lässt sein Markenzeichen – das breite, herzliche Lächeln – blicken und flüstert mir komplizenhaft zu: „Der Dame ist das Selberkochen zu anstrengend geworden. Deswegen holt sie sich immer, wenn sie Gäste hat, ein paar Sachen bei uns und richtet sie zu Hause selber an.“ Kann es ein besseres Zeichen dafür geben, wie sich die Casa Lodato im ersten Jahr ihres Bestehens bei ihren Gästen beliebt gemacht hat?

Ich war vor einem dieser unsäglichen Frühsommerschauern dieses Jahres über die kleine Terrasse auf dem Bürgersteig in das ehemalige Café gesprungen – und befand mit schlagartig in einer anderen Welt. Die heimelige Gemütlichkeit einer Landhausküche umgab mich. Ein alter Kohleherd, ein aufwändiger Schinkenschneideapparat und gerade einmal neun kleine Holztische verbreiteten einen zauberhaften Charme, und als sich draußen die novemberdunklen Wolken verzogen hatten, brachte die sommerliche Spätnachmittagssonne, die durch die großen Fenster schien, auch die wahre Pracht der antiken Bodenfliesen von Villeroy und Boch an den Tag. Flaschen mit Barolo und Chianti lugten aus dekorativen Körben malerisch zum Verkauf, denn die Casa Lodato ist auch ein Weinhandel. In der Weinstube im hinteren Teil des Lokals kann man die Weine zum Mitnahmepreis zuzüglich eines Korkgeldes von EUR 10 auch gleich an Ort und Stelle trinken.

Der mit Schreibmaschine getippte Zettel, den mir Bernd Lewin anstelle einer Speisekarte reichte, war so unprätentiös wie exklusiv und zeugte von der Individualität und Persönlichkeit der Küche. Nur ein paar wenige Nudel- (etwa gefüllte Pasta mit Spinat und Gorgonzola EUR 9,50), Fleisch- (Lammhüfte auf Rotwein EUR 14,50) und Fischgerichte (Dorade mit Kräutern und Weißwein EUR 18,50) standen darauf, die man einzeln bestellen, aber auch zu mehrgängigen Menüs (zu EUR 19, 25 oder 30) kombinieren konnte. Ich entschied mich für die mittlere Preisklasse und schwebte im siebten Himmel.

Selten habe ich so eine harmonische Antipastiplatte vorgesetzt bekommen: Vitello Tonnato, Bruschetta mit Tomaten und Pesto, Salat aus Sellerie und Flusskrebsen, Rucola mit Tomaten und Parmesan, Bohnen mit Thunfisch, geröstete Auberginen, Zucchini mit Minze – das Feuerwerk an Aromen zerging auf der Zunge, stillte den Hunger und machte gleichzeitig Appetit auf Neues. Und wie selbstverständlich lag zwischen den italienischen Köstlichkeiten ein Stück Matjes. „Es ist gerade die Zeit dazu“, erläuterte Bernd Lewin schelmisch diese Kreativität der Küche.

Als Hauptgang gab es Tagliatelle mit Scampi in Grappasauce, ein Schmaus für Gaumen und Augen gleichermaßen. Die sorgsam geschmorte und raffiniert abgeschmeckte Tomatensauce zeugte von der nötigen Geduld in der Küche, das Essen nicht zu früh auf den Tisch zu bringen, auch wenn der Gast schon wartet, und die üppige Portion Scampi, die auf den Nudeln verteilt war, sättigte auf betörende Art und Weise. Da war es kein Wunder, dass auch das gemischte Dessert aus Pannacotta, Tiramisu und Mandelparfait ein wahres Wunder aus Wohlgeschmack und Augenweide war. Dass der dazugereichte offene Frascati (EUR 6,50 das Glas) genau die richtige Temperatur hatte, braucht man eigentlich gar nicht mehr zu erwähnen.
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Essen-Kettwig, Hauptstr. 132
Fon 0 20 54. 97 10 97
Mo-Sa17,30 -23 Uhr, Sa-Mittag nach Vereinbarung, So geschlossen
https://www.casa-lodato.de/

Sonntag, 4. Juli 2004

Aus dem Archiv: Jägerhof - Ausflug zur Mittagszeit

Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2005".
Das Hotel hat den Restaurantbetrieb eingestellt.


Stammessen – irgendwie hört sich dieses Wort typisch deutsch an, nach deftiger Hausmannskost aus der Gulaschkanone, zu der man sich eine „gesegnete Mahlzeit“ wünscht. Im Jägerhof in Kettwig bedeutet Stammessen jedoch einen Mittagstisch, der weit und breit seinesgleichen sucht und für den sich sogar eine längere Anreise lohnt, wenn die Mittagspause das erlaubt. 7 Euro kostet das täglich wechselnde Minimenü, bestehend aus Graupen-, Spargelcreme-, Linsen- oder einer anderen Suppe und einem Tellergericht, wie man es sich zu Hause nicht besser machen kann: z.B. Tafelspitz mit Meerrettichsauce, Salzkartoffeln und Salat oder Schnitzelchen auf Pfifferlingrahm mit Butterspätzle oder Filet vom Victoriabarsch an Dillsenfsauce mit Gurkengemüse und Kartoffeln. Wem diese Köstlichkeiten nicht genug sind, kann von einer Standard-Mittagskarte solch schöne Gerichte wie Hausgemachte Sülze vom Eisbein mit Remouladensauce und Bratkartoffeln (EUR 7) oder Büsumer Speckscholle mit Kapern-Krabbenbutter, Dillkartoffen und Gurkensalat wählen.

Eingenommen werden diese Schmankerln im erlesen ausgestatteten Frühstücksraum des kleinen romantischen Hotels mit Jugendstil-Touch. Wenn das Wetter schön ist, wird in einem kleinen, lauschigen Hinterhof serviert, wo ein Brünnlein murmelt und eine beachtliche Anzahl von Kräutertöpfen duftet.

Besonders stolz ist Hotelier und Wirt Maximilian Loeven jedoch auf das A-La-Carte-Programm, dem man abends im eigentlichen, gemütlich nostalgischen Gastraum zusprechen kann und das die Vorliebe des Hausherrn für eine experimentierfreudige Mittelmeer- und Fischküche offenbart, die aber auch vor Klassikern der gehobenen Küche nicht Halt macht; das lukullische Handwerk hat er bei Krautkrämer in Münster und im Düsseldorfer Victorian gelernt.

Vielleicht sind die Düsseldorfer Reibeplätzchen mit Räucherlachs und Dill-Senfstunke an Salaten der Saison (EUR 11), die ein abendliches Menü im Jägerhof einleiten können, eine Reminiszenz an die Lehrjahre im Rheinischen. Das Süppchen von italienischen Strauchtomaten mit Basilikum und Mozzarella vereint Süße und Pikanerie. Altösterreichisches Flair bringt der feine Tafelspitz in scharfer Meerrettichsauce mit Marktgemüsen und Petersilienkartoffeln (EUR 14), während die frische Atlantikbarbe aus dem Ofen mit Oliven, Knoblauch und Thymian gefüllt den Süden auf die Zunge und in die Nase treibt. Als origineller Abschluss eines Menüs empfiehlt sich eines der wunderbaren Desserts des Jägerhofs, zum Beispiel Tobleroneparfait an einer Kefirsauce und Waldbeeren.

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Essen- Kettwig, Hauptsr. 23