Es gibt im Rahmen der Ruhrgebietsküche, deren Historie in der Regel von den proletarischen Essgewohnheiten der Berg-und Stahlarbeiter geprägt ist, nur wenige Ereignisse, die in dem Bereich dessen angesiedelt sind, die man heute Fine Dining nennt. Eines davon war die Hochzeit der Industriellen-Erbin Bertha Krupp und des Diplomaten Gustav von Bohlen und Halbach, die im Oktober 1906 auf dem Krupp’schen Edel-Domizil Villa Hügel in Essen stattfand. Über mehrere Tage hinweg wurden damals in Anwesenheit des deutschen Kaisers an die 100 Gäste sowie eine ganze Armee von Bediensteten auf edelste Art verköstigt.
Aus diesem Gerichte-Fundus bot am letzten Sonntag das „Wirtshaus zur Heimlichen Liebe“ in Essen bereits zum fünften Mal das ein Krupp-Menü an. Schließlich hatte der Großvater von Berta Krupp, der Gussstahl- und Kanonenkönig Alfred Krupp, bei einer Wanderung den Ort hoch über dem Ruhrtal in der Gemarkung Baldeney entdeckt und ihn wegen seiner fantastischen Aussicht seine „heimliche Liebe“ genannt. Nicht weit davon entfernt begann er dann mit dem Bau seiner Villa Hügel. So kommt es, dass man von dem entzückenden Biergarten des heutigen „Wirtshauses“ eine spektakuläre Aussicht auf den Baldeneysee und die schlossähnliche Industrielle-Behausung hat - jedenfalls im Sommer und bei schönem Wetter. In Herbst und Winter, wenn es früh dunkel wird, versuchen die Wirtin Maren Romberg und ihr Küchenchef Thomas. Manschke, mit Events wie dem Hochzeitsmenü die Gäste zu locken.
Neben einem Grauen Burgen vom Weingut Bauer an der Mosel
wurden der porugiesische Pegos Claros und
die südafrikanische Bordeaux-Cuvée The Fifth Quarter ausgeschenkt.
Ob das Menü am letzten Sonntag auf eine historische-kritische Art und Weise tatsächlich den Luxus widerspiegelte, den es bei der Vermählung der reichsten Frau damals gab, sein einmal dahingestellt. Vielmehr war es mit seinem in der heutigen Zeit volkstümlichen Preis von 69 Euro für fünf Gänge eher Ausdruck einer knallharten Kalkulation, die Zutaten und handwerklichen Aufwand in Balance halten musste. Die Besucher des Ausflugslokals waren begeistert, nicht nur weil es ihnen schmeckte, sondern weil die Gerichte auch mit hübschen kreativen Ideen von heute serviert wurden.
Natürlich trug zum Gelingen des Abends auch der Vortrag der Gästeführerin, Archäologin und Ruhrgebietsspezialstin Dr. Brigitta Hübner bei, die mit zahlreichen Anekdoten aus der Geschichte der Familie Krupp die einzelnen Gänge verband.
Krupp-Menü
69 Euro
27.10.2024, Wirtshaus zur Heimlichen Liebe
Wie ein hochherrschaftliches Salat-Bouquet sah der Eingangsgang nicht aus, sondern erinnerte eher an einen modernen Beilagensalat. Was eine „Brüsseler Sauce“ ist, konnte ich bei Recherchen im Internet und meinen Handbüchern nicht herausbekommen, die Salattunke schmeckte wie ein normales süßsaures Dressing. Normalerweise wird werden Gerichte nach „Brüsseler Art“ so genannt, wenn Rosenkohl dabei ist, auf Französisch „choux der Bruxelles“. Hier war grüner Spargel das Grundgemüse, was ich bei einer Rezeptvorlage aus dem Oktober 1906 verwunderlich fand. Aber vielleicht konnten sich die Krupps schon damals die Treibhaussegnungen von einem Frühlingsgemüse im Herbst leisten.
Wirtshaus zur heimlichen Liebe. Baldeney 33, 45134 Essen. Tel. 0201/435200. Di-Sa 12-22 Uhr. So & Feiertag 10-21 Uhr. Mo Ruhetag. www.heimliche-liebe.de/