Sonntag, 21. Januar 2007

Aus dem Archiv: Eggers - Nichts für magere Mädchen

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008"

Jenseits der A43, wo mit den sanften Hügeln der Elfringhauser Schweiz das Westfälische ins Bergisch-Rheinische übergeht, liegt mitten in dem Dörfchen Sprockhövel-Niedersprockhövel das Hotel-Restaurant von Dirk Eggers. Die landschaftlich reizvolle Umgebung ist mit Ausflugslokalen reich gesegnet, doch Eggers ist sicherlich der anspruchsvollste Gasthof der Region. Nicht nur die Hotelgäste wissen das zu schätzen, hier finden in den verschiedenen, z.T. kleinen und verwinkelten Gastzimmern auch zahlreiche Familienfeiern statt, und selbst die anspruchsvollen Zungen des Gourmet-Vereins Slow Food wusste Dirk Eggers schon mit einem speziellen Menü zu verwöhnen. „Salon de Menu“ nennt er sein gut besuchtes Restaurant im Untertitel.

Eggers hat sich der regionalen Küche mit französischem Einschlag verschrieben, und das auf beachtlichem Niveau. Und so fällt dem Gast beim Studium der Karte die Wahl schwer. Soll er nun eines der Menüangebote wählen, etwa das Gourmetmenü (EUR 50) mit fünf variantenreichen Gängen von Ente über Jakobsmuschel bis Wildschwein auf Feigenrotkohl, das viergängige Saisonmenü (EUR 34), einen Streifzug durch die deutschen Regionen von Nord nach Süd und Ost nach West, oder die kräftig-deftigen Gerichte von der sog. Feinschmeckerkarte, die sich frisch zubereitet an den Produkten der Saison orientieren?

Ich war bereits im letzten Frühjahr in den Genuss eines Menüs mit zwölf (!) Miniatur-Gerichten in vier Gängen gekommen, das Eggers im Rahmen des „Menuekarussells“, einer alljährlich stattfindenden, zeitlich befristeten Aktion von Lokalen der Region, anbot (EUR 40). Das in seiner Präsentation fast asiatisch anmutende Potpourri an leckeren Häppchen zeigte deutlich, dass er das Handwerk der Haute Cuisine versteht, brachte aber die eifrige Bedienung ob seiner unüberschaubaren Vielfalt in arge Konfusion.

So wählte ich diesmal personalschonend die Hausmannskost und sollte es nicht bereuen. Als Amuse Gueulle wurde mir ein Töpfchen mit sündhaft leckerem Schweineschmalz serviert, süß-kräuterig angemacht mit knusprig ausgebratenen Grieben, daneben ein Löffelvoll köstliches Blutwurst-Steckrüben-Püree und ein Gläschen Wasabi-Erdnüsse, die durch ihre überraschende Schärfe wie kulinarische Knallfrösche wirkten - alles sicherlich nichts für Askese gewohnte magere Mädchen.

Als Vorspeise wurde eine Apfel-Sellerie-Suppe in einem kleinen Kaffeekännchen serviert, aus dem man sie in eine Tasse gießen musste, in der unter einer in Butter weich geschwitzten Apfelscheibe ein Stückchen geräuchertes Welsfilet schlummerte (EUR 5,90). Das war so originell wie lecker. Der Name des Hauptgangs ließ nicht nur mich, sondern auch die beiden Deko-Fasane und den holzgeschnitzten Jägersmann, die mir von der Fensterbank aus beim Essen beäugten, schmunzeln: „Paella des Bergmanns“ nannte sich das üppige Pfännchen (EUR 13,90), das dann aber eher an eine Elsässer Schlachtplatte erinnerte als an das spanische Reisgericht. Allerdings war die vegetabile Grundlage, die von so köstlichen Schlemmereien wie Mett-, Gelb- und Entenbratwurst, Schweinebacke, geräucherter Entenbrust und gebratenem Speck gekrönt wurde, nicht Sauerkraut, sondern herzhafter Grünkohl. Dazu erstklassige Bratkartoffeln und ein selbst angerührter Senfdip, und mir leuchtete die alte Bergmannsweisheit, dass wer hart arbeitet, auch gut essen muss, auf der Stelle ein. Als Restauranttester war ich ja auf Arbeit und langte also kräftig zu. Dazu, als Tribut an die Rheinische Lebensart, ein Alt – großartig.

Der Nachtisch war eigentlich unbeschreiblich: Ein warmer Pumpernickelpudding mit Rübenkraut-Buttermilcheis und Kirschen (EUR 7) zeigte einmal mehr, was für ein feines Produkt Pumpernickel ist. Kein noch so lockerer Schokoladenkuchen hätte dieser Kreation das Wasser reichen können.

-kopf

Hauptstraße 78, 45549 Sprockhövel. Tel. 02324-71780. Do-Mo 11:30 - 23.00 Uhr,  Küche  12:00 - 14:00 Uhr & 18:00 - 21:00 Uhr. https://www.eggers-sprockhoevel.de/

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