Mittwoch, 24. Januar 2007

Aus dem Archiv: Zum Treppchen von 1763 - Vertane Chance

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008".
Seit 2017 steht das Restaurant unter neuer Leitung.


Es ist nicht zu verleugnen: Der geheime Ehrgeiz jeder Restaurantführer-Redaktion ist, die Qualitäten eines Restaurants mit liebevollen Texten zu pflegen, um sich später die Lorbeeren als Entdecker an den Hut stecken zu können. Das war sicherlich ein Grund für „Dortmund geht aus“, das „Treppchen von 1763“ in den letzten beiden Ausgaben in die Rubrik „Sternverdächtig“ einzuordnen, zumal seit dem Weggang von Thomas Bühner Dortmund unter dem akuten Mangel an wirklich gehobener Gastronomie leidet. Wenn der Gastronom dann jedoch aus wirtschaftlich vermutlich notwendigen Gründen einen anderen Weg einschlägt, ist die Enttäuschung bei uns kulinarischen Romantikern jedoch groß.

Johannes Tàlyai vom „Treppchen“ hat sich leider den Rabattaktionen des „Gutscheinbuches“ angeschlossen, und das scheint der Leistung des Hauses nicht zuträglich zu sein. Die positive Seite daran ist, dass das „Treppchen“ bei unserem diesjährigen Testbesuch so gut wie ausgebucht war. Die negative, dass Küche und Service mit dem Ansturm kaum fertig wurden, und die 20 Euro Rabatt, die dem zweiten Kunden bei der Bestellung des sog. Treppchenmenüs (Normalpreis 3 Gänge EUR 35, 4 Gänge EUR 42) eingeräumt werden, sich bei der Kalkulation anscheinend ungünstig auf die Qualität der Produkte ausgewirkt hatten. „Sternverdächtig“ war das jedenfalls nicht.

Wir saßen in dem antiken Fachwerkhaus mit der Schieferverkleidung gemütlich und originell. Die alte Einrichtung mit den schönen Fresken und der dunklen Holzverkleidung ist sorgfältig restauriert, und in solch einzigartiger Umgebung wünschten wir unas natürlich auch, entsprechend zu speisen. Die Karte versprach mit ihren verschiedenen Menüs auch einiges, und gerade das Treppchenmenü wies sich dem Namen nach schon als Aushängeschild des Hauses aus. Carpaccio vom Rinderfilet oder Riesengarnelen als Vorspeise, Kartoffelrahmsuppe mit Flusskrebsen oder Wildessenz mit Pilztortelloni als Zwischengang, Tournedo vom Rinderfilet mit Ochsenbäckchenravioli und Ratatouille in Portweinjus oder Steinbuttfilet an Hummersößchen mit Limonentröpfchen und Meeresfrüchtepaella als Hauptgang und Schokomousse mit Himbeertopping an Fruchtsaucen mit Früchten oder Rohmilchkäse mit Trauben als Dessert lasen sich auch verheißungsvoll. Doch was eine Symphonie an Geschmackserlebnissen hätte sein können, erwies sich als wenig liebevolle Zusammenstellung von nur mäßig überzeugenden Produkten.

Lecker waren die beiden Suppen und überraschend die gefüllten Nudeln, die dennoch nur wie eine Beilage wirkten, die halt beigelegt war. Das Tournedo entpuppte sich als simples Filetsteak und war zwar weich, aber mit metallischem Beigeschmack, der Steinbutt dagegen hart, und alles zusammen durch die übermäßige Zugabe von Meeresfrüchten unnötig aufgepeppt. Wem wollte man damit imponieren? Einem Gast etwa, der auch die die laffe Erdbeere Mitte Januar als pfiffige Garnitur gut findet? Oder die holzigen Walnüsse und Mandeln beim Käse? Enttäuschend waren auch die handwerklichen Schnitzer der Küche. Das Carpaccio war noch tiefgekühlt, („Das sollte nicht vorkommen“, murmelte der Kellner), und die Venusmuscheln in der Paella hart und schlichtweg ungenießbar. „Gut, dass Sie es sagen. Wir tun sie nicht mehr dran“, lautete die Entschuldigung. In diesem Zusammenhang wirkte es auch nicht mehr charmant, dass die Bedienung vergessen hatte, welche Käsesorten auf dem Dessertteller lagen.

Einmal mehr wurde deutlich, dass es nur eine Illusion ist, dem Publikum vorzugaukeln, gute Küche sei zum Schnäppchenpreis zu bekommen. Wir hatten übrigens keinen Gutschein, und bezahlten für zwei Menüs samt offenen Weinen und Aperitif 120 Euro. Aber wir wären genauso enttäuscht gewesen, wenn wir die 20 Euro Rabatt mitgenommen hätten, und fühlten uns doppelt düpiert. Denn wer bereit ist, 100 Euro für einen kulinarischen Abend zu zweit zu bezahlen, der ist es auch für 120. Jedenfalls, wenn das Essen gut ist.

-kopf


Dortmund-Hörde, Fassstr.21
Fon 0231, 28 86 34 31
Di-Fr 11-15 Uhr und 17-22 Uhr, Sa 17-22 Uhr, So 11-15 Uhr. Mo geschlossen.
https://www.treppchen-dortmund.de/

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