Donnerstag, 18. Januar 2007

Aus dem Archiv: Venus im Schloss Nordkirchen - Barocke Heiterkeit

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 20087/2008".

Eigentlich sollte man den Ausflug nach Schloss Nordkirchen nicht zur Winterszeit machen, sondern im hellen Sommer. Denn der einstige Sitz der Münsteraner Fürstbischöfe liegt inmitten eines prächtigen Barockparks, den man als Besucher des Schlossrestaurants „Venus“ standesgemäß über eine gepflasterte Allee an langen Kanälen vorbei durchqueren darf, wenn man bis zum Schloss vorfährt. Und davon sieht man in der dunklen Jahreszeit leider nicht viel.

Doch auch im Winter herrscht in den weitläufigen Gewölben des „westfälischen Versailles“ eine fröhliche Heiterkeit. Pfiffige Kellner in roter Livree und charmante Kellnerinnen im Maria-Theresia-Look betonen die spielerische Lust, mit der hier getafelt werden kann. Das mag nicht zuletzt an Hausherr Franz L. Lauter liegen, der neben dem Kochen das Malen zu seiner zweiten Leidenschaft erkoren hat. Überall hängen seine farbenfrohen, z.T. surrealistischen Bilder an der Wand. Nicht von ungefähr ist ein Strohhut ohne Deckel sein Markenzeichen und nicht die steife Kochmütze. Auch auf der Speisekarte fällt in erster Linie die Kreativität auf, mit der die Gourmet-Gerichte zusammengestellt sind und die sich beim Anrichten auf dem Teller fortsetzt. Dabei verliert Lauter nie den Bodenkontakt, verfällt nicht in exzentrische Exotismen, sondern bleibt Jahreszeit und Region verbunden. Auch der Gast kann bei ihm kreativ sein und sich von den Vorschlägen der Menükarte ein Drei-, Vier- oder Fünfgang-Menü (EUR 36,48,67) zusammenstellen, zudem bietet die normale Karte zusätzlich eine schöne Auswahl an weiteren Gerichten.

Während wir noch im Kartenstudium schwelgten, wurde uns als Küchengruß eine kleine Auswahl an Fingerfood-ähnlichen Häppchen gebracht: etwas Tafelspitz, eine Ziegenkäsepraline, Lachs auf Pumpernickel, Gänseleber u.a., alles schön garniert und köstlich angemacht. Doch das war keineswegs das Amuse gueule, wie ich erst dachte. Das kam auch noch: Ochsenbäckchen in Blätterteig auf herzhaftem Stielmus, wir sind ja in Westfalen. Diese Region schlug sich auch bei der Vorspeise aus vorzüglichem Lachs nieder. Der mit dem französischen Qualitätssiegel „Label Rouge“ versehene Edelfisch wurde selbstverständlich nicht als gängiges Carpaccio, sondern fast schon exotisch als Pfefferpotthast angerichtet, wunderbar pfeffrig mariniert und mit einem pikanten Zwiebeljus gekrönt (EUR 12). Ein kleines Körbchen aus Kartoffelteig bildete das Nest der dazugehörigen Wintersalate. Eine wunderbare Geschmackskombination bildeten auch die Shrimps auf Avocadocrème mit Wintergemüse (EUR 13,50) unserer zweiten Vorspeise. Jeder Bestandteil schmeckte schon für sich phantastisch, steigerte sich aber beim gemeinsamen Genuss zu einem wahren Geschmackserlebnis. Auch hier war das Arrangement der Salatgarnitur ein kleines Kunstwerk. Rauke, Endivie und Feldsalat rankten sich an einem kleinen Gitter aus getrockneter Tintenfischtinte empor.

Dass Eleganz und Herzhaftigkeit sich nicht ausschließen müssen, zeigten auch die Hauptgänge. Der butterzarte, auf den Punkt in Rotwein geschmorte Hirschkalbrücken auf Steckrübengemüse mit Haselnussdonuts und Zwiebelmarmelade (EUR 26) schien bereits als Gipfel der Versuchung, wurde aber von der halben Ente aus dem Rohr mit Rotkohlstrudel, Kartoffelklößen und Cassissauce (EUR 21) noch übertroffen. Allein die Idee, den Rotkohl in Strudelteig zu packen, war ein optischer Genuss, der sich im Mund sofort zu einem kulinarischen verwandelte.

Den süßen Abschluss des feudalen Menüs bildete der „Venusgarten“ (EUR 12), ein betörendes Potpourri von sieben süßen Köstlichkeit wie Gewürzkaffeemousse, Mangosorbet, Feigen mit Zimt und anderem. Gern hätten wir eine Flasche Rotwein aus der umfangreichen Weinkarte zum Essen ausgewählt, doch leider erforderte der Heimweg vom weitab der Autobahn gelegenen Schloss Nordkirchen eine längere Autofahrt, und die restlichen Räume des Schlosses beherbergen leider kein Hotel, sondern eine Schule für Finanzbeamte des Landes NRW. So nahmen wir mit den offenen Empfehlungen vorlieb, die glasweise ausgeschenkt wurden. Eine spanische Tempranillo-Garnacha-Cuvée und ein sizilianischer Primitivo (je 0,25l EUR 6) waren ideale Begleiter unseres Menüs, kräftige Burschen auf samtweichen Pfoten.
-kopf

Nordkirchen, Am Schloss 1
Fon 0 25 96. 97 24 72
Do-So ab 12 Uhr. Mo,Di,Mi geschlossen
https://lauter-nordkirchen.de/

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