Donnerstag, 25. Januar 2007

Aus dem Archiv: Gasthaus Stromberg - Familiäres Ruhrgebiet

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008".

Mitten in der Fußgängerzone der Waltroper Innenstadt liegt das Gasthaus Stromberg, ein schönes historisches Fachwerkhaus zwischen zahlreichen Neubauten aus den letzten zwanzig Jahren. Obwohl ein Gourmetrestaurant, herrscht in den gemütlichen, mit biedermeierlichem Chic eingerichteten Gasträumen in der Mittagszeit eine herzlich-familiäre Atmosphäre wie in einer Vorortkneipe. Fast könnte man hier Sozialstudien übers Ruhrgebiet betreiben. Zwei Rentnerpärchen, die die 75 rüstig überschritten haben, speisen andächtig zu Mittag („Immer wenn wir hier sind, geht es uns ausgezeichnet!“), während am Tresen ein überaus angeheiterter Weißweintrinker in den besten Jahren, aber mit viel Zeit, trotz seines Zustandes mit mütterlicher Fürsorge betreut wird. Ein alleinerziehender Vater zeigt am Nebentisch seiner etwa dreizehnjährigen Tochter, dass Grünkohl mit Mettwurst, das heutige Mittagsangebot für EUR 10, eine leckere Alternative zum Fast Food ist. Und der Filius des Hauses kommt aus der Schule, setzt sich an einen freien Tisch und beginnt brav mit den Schularbeiten, bis der Opa ihm ebenfalls eine leckere Mahlzeit aus der Küche bringt.

Kaum zu glauben, das Küchenchef Stefan Manier ein Mitbegründer des Köcheclubs der „Jungen Wilden“ ist (und auch des FC Ruhrgebiet). Bei allem Lokalkolorit, dass er sein Handwerk u.a. bei Heinz Winkler in Aschau gelernt und sich als Küchenchef in Bad Laasphe einen Michelin-Stern erkocht hat, merkt man seinen Gerichten auch an. Auf eine bestimmte Richtung will er sich nicht festlegen, bekennt er auf der Speisekarte, aber der Bezug zur regionalen Küche ist ihm wichtig und er schätzt die Produkte der näheren Umgebung. Neben einer kleinen Auswahl gutbürgerlicher Kost wie Saftige Frikadellen vom Laufsteg mit Kartoffel-Gurken-Salat (EUR 9) oder Überbackenes Schweinerückenschnitzel „Tessiner Art“ mit Bratkartoffeln und kleinem Feldsalat (EUR 15) bietet er eine Menükarte an, aus der sich der Gast ein Drei- oder Vier-Gang Menü (EUR 36 und 44) zusammenstellen kann. Ich entscheide mich, als Erinnerung an das z. Z. des Testbesuches gerade vergangene Weihnachtsfest, für eine Maronenschaumsuppe mit Orangen (EUR 6), eine herzhaft-süße, doch leicht beschwingte Angelegenheit. Der Hauptgang, Pralinen vom geschmorten Ochsenschwanz mit Apfelkraut glaciert, Pastinakenpüree und warmem Salat von Serviettenknödeln (EUR 20), ist ebenfalls ein wahres Festtagsessen, überraschend angerichtet und von süß-erdiger, angenehm weicher Textur. Dazu passt ein Viertel des eleganten Spätburgunders vom Weingut Pfaffmann (EUR 6,80), der offen im Ausschank ist, hervorragend. Auch das Dessert, Gebrannte Diabolo-Creme mit Feigen und Rotweineis (EUR 6), ist stimmig zusammengestellt. Doch scheint mir die Crème brulée vorgebrannt aus der Kühlung zu kommen. Wäre sie frisch gemacht und noch warm, hätte das dem Nachtisch den letzten Pfiff gegeben.

Nachsatz: Obwohl ich glücklich und zufrieden das Gasthaus Stromberg verlassen hatte, sah ich mir zu Hause noch einmal die Rechnung an. Da schlug mein Menü völlig korrekt mit 36 Euro zu Buche. Nur, so bemerkte ich erst jetzt, hätte ich alle Gänge einzeln bestellt, hätten sie nur 32 Euro gekostet.
-kopf

Waltrop, Dortmunder Str. 5
Fon 0 23 09. 42 28
Di-Fr ab 17 Uhr, Sa ab 12 Uhr. So, Mo geschlossen
https://gasthaus-stromberg.de/

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