Donnerstag, 17. Juni 2010

„Essen verwöhnt“ gestartet: Nicht ohne meine Currywurst


In den 1970er Jahren hat Peter Zadek einmal gesagt, Kultur müsse sein wie Fußball – und betrachtet man die Kulturhauptstadt RUHR.2010, die mit ihren Kulturaktionen Fußballstadien und Autobahnen füllt, ist das anscheinend Wirklichkeit geworden. Analog könnte man sagen, Haute Cuisine müsse sein wie Currywurst – und betrachtet man das Angebot auf der Essener Gourmetmeile „Essen verwöhnt“, die heute gestartet wurde, ist auch das zumindest im Ruhrgebiet Wirklichkeit geworden. Da kapitulierte der Genießer, der gern gegen die Currywurst als Symbol für die Ruhrgebietsküche wettert, vor der normativen Kraft der Faktischen und biss tapfer in das arme Würstchen, das bei drei Teilnehmern auf der Gourmetmeile als typisches Ruhrgebietsgericht angeboten wird. Das heißt, die Currywurst des „Lucente“ schenkte er sich als jemand, der in Bochum wohnt, denn das war nur der Import der Bochumer Kult-Currywurst von Dönninghaus mit der Sauce aus dem Bratwursthäuschen im Bermudadreieck nach Essen (3 Euro) – simpel, aber durchaus effektiv.

Die beiden anderen Currywürste überzeugten schließlich den Genießer. Holger „Nickel“ Nickelmann (Bild), Küchenchef im „Gummersbach“ präsentierte seine selbstgemachte Lammbratwurst ganz klassisch mit einer dunkelroten, süß-scharfen Currysauce, dazu gab es ein Butterbrot mit schwarzem Grubensalz (4,50 Euro).
Der „Kiepenkerl“ gab sich experimenteller: Die Entenbratwurst wurde auf „etwas Gesundem aus dem Schrebergarten“ (sprich einem grünen Salat) und mit zwei leckeren, aber farblich gewöhnungsbedürftigen Currysaucen serviert (4,50 Euro): einer hellroten („scharf“) und einer gelben („nicht so scharf“).

Oliver Scheytt, Rudi Jelinek, Johann Lafer, Rainer Bierwirth, Thomas Stauder

Die Eröffnung der 12. Essener Gourmetmeile, und dann noch im Kulturhauptstadtjahr, war gestern ein gesellschaftliches Ereignis. Bei strahlendem Kaiserwetter, das der olle Wilhelm vom Burgplatz geschickte hatte, platzte sie schon kurz nach der Eröffnung um 12 Uhr aus allen Nähten, denn die Leute standen an den Zelten der 21 Spitzengastronomen auf der Kettwiger Straße sofort Schlange. Veranstalter Rainer Bierwirth hatte Johann Lafer für die Eröffnung gewinnen können, und gemeinsam mit dem Fernsehkoch, Bürgermeister Rudi Jelinek, Thomas Stauder und später auch noch RUHR.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt führte er die Große Parade der Köche um 16 Uhr vom Willy-Brandt-Platz am Hauptbahnhof die Kettwiger Straße hinunter. Eigentlich habe er gar nicht gewusst, was er in Essen sollte, meinte Johann Lafer bei seiner Eröffnungsansprache, aber was er dann gesehen habe, habe ihn überzeugt. Überzeugt war er auch von den Kochkünsten von Knut Hannappel, an dessen Stand er „Himmel und Erde mit Taube und Blutwurst“ (13 Euro) probierte.

Bürgermeister Rudi Jelinek, Susanne Kötter,
Johann Lafer, Rainer Bierwirth

Jeannette Schnitzler mit Lachsforellen-Bulette,
gebeizte Lachsforelle mit geeistem Bellini
aus Nelson Müllers "Schote"

Der Genießer kostete sich ebenfalls noch weiter durch die Ruhrpott-Gerichte, die das „normale“ Angebot im Kulturhauptstadtjahr ergänzen. Bei „Schnitzlers“ gab es ein mächtige Bulette von der Lachsforelle an Stielmus mit Brunnenkresse-Senfrahm“ (11 Euro). Zum grob geschnittenen Stielmus hätte Mama sicherlich gesagt: „Das ist nicht richtig“ – aber geschmeckt hat es wunderbar.

Sterneküche zum Sonderpreis von 5 Euro gab es am Stand von Schloss Hugenpoet: einen Blutwurststrudel mit Gewürzkürbis und Bohnenragout – ein Schulbeispiel dafür, wie deftige Zutaten fein zugerichtet werden können. (Vielleicht hatte der Strudel etwas zu viel Farbe abkommen – aber bei der intensiven Sonne…). Nelson Müller von der „Schote“ ließ schließlich betörende Aromen und Farben spielen. Die gebeizte Lachsforelle mit Radieschen, Limonensauerrahm und Reibekuchen (10 Euro) war eine pikante sommerliche Erfrischung. Der Genießer nahm hier noch gleich das Dessert mit. Beim Geeisten Bellini mit Waldmeister und Passionsfrucht-Schaschlik (5 Euro) hatte er den Eindruck, Nelson Müller wolle mit Speck Mäuse fangen, denn das Passionsfrucht-Schaschlik erinnerte ihn an mit Likör aromatiserten Mausespeck. Und der gefrorene Bellini war ziemlich mächtig.

Die Gourmetmeile „Essen genießen“ geht noch bis Sonntag. Heute steht der Kochwettbewerb „Reviekönig für einen Tag“ auf dem Programm, bei dem eine Jury, zu der auch der Genießer gehört, das beste Ruhrgebietsgericht aus Rezepten, die Essener Hobbyköche eingereicht haben, prämiert. Als Jury-Chef war Alfons Schuhbeck vorgesehen, doch der hat kurzfristig abgesagt. Nun springt Nelson Müller ein.

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