Sonntag, 28. Januar 2007

Aus dem Archiv: Landgasthof Wellenbad - Neuer Schwung in altem Haus

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008"
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Im letzten Jahr gab es große Veränderungen in dem malerisch direkt an Ruhr in Schwerte-Geisecke gelegenen Hotel, Ausflugs- und Gourmetrestaurant. Frithjof Voll, dessen Sohn Michael mit seiner ambitionierten Küche dem traditionsreichen Haus einen ausgezeichneten Ruf erkocht hatte, verkaufte nach 37 Jahren den Betrieb an die Familie Weinhold. Damit war „Friet“ der zweitlängste Herr auf dem Anwesen, das Mitte des 19. Jahrhunderts als eine Badeanstalt an der Ruhr eröffnet worden war. Und noch heute freuen sich die Radler auf dem Ruhrtalradweg und der Kaiserroute, dass man hier so schön einkehren und sich entspannen kann. Eine besonderes Angebot unter dem Motto „Eat, sleep & bike“ (EUR 59) lädt sie zum Essen und Übernachten ein. Lars Weinhold hält zwar an der anspruchsvollen Küchenlinie seines Vorgängers fest, krempelt zur Zeit aber einiges im Hause um. So wurde im Winter die Terrasse vor dem Haus umgebaut und vergrößert, und auch die Inneneinrichtung, eine putzige Mischung aus Landhausstil und wirtschaftswunderlicher Ruhrgebietsästhetik, soll neuen Glanz bekommen.

Als eine Mischung aus volkstümlicher Esskultur und kreativ-mediterranen Einschüben präsentierte sich die häufig wechselnde Karte beim mittäglichen Testbesuch. Schnitzel vom Schwäbisch-Hällischen Jungschwein mit Bratkartoffeln und glasierten Fingermöhrchen (EUR 14,50) oder Kalbstafelspitz mit frischem Meerrettich mit Serviettenknödeln und Wurzelgemüsen (EUR 15,50) sind herzhafte Gerichte, die jedermann schmecken. Ein gratinierter Ziegenkäse mit Thymian und Honig auf kleinem Wintersalat mit Apfel-Honig-Vinaigrette (EUR 9) als Vorspeise verband schmackhaft winterlich Saisonales mit mediterraner Würze. Ähnliches gelang auch bei der mit EUR 18,50 leider etwas teuren Roulade mit mediterraner Füllung aus getrockneten Tomaten, Ricotta und Parmaschinken, die von Klößen, Birnenkompott und etwas grob geschnittenem Rotkohl umrandet wurde. Zum Nachtisch gab es eine gerade frisch gemachte Crème brulée, die noch schnuckelig warm einen leckeren Kontrast zum Pfirsich-Ricotta-Eis (EUR 7) bildete.
-kopf

Schwerte-Geisecke, Zum Wellenbad 7

Freitag, 26. Januar 2007

Aus dem Archiv: Café Fette Henne - Sympathisch und unkompliziert

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008"
Das Café gibt es nicht mehr. Unter der Adresse befindet sich heute (2014) die Weinbar "No.3".

Im besten Sinne alternativ geht es in der Fetten Henne zu. Benannt nach der Pflanze mit den kleinen, dicken Blättern, ist das Café in der Kleinen Beurhausstraße Treffpunkt für alle, die sich dem fröhlichen und besinnlichen Genuss verschrieben haben. Im Naturholzambiente bietet Betreiberin Bärbel Dem selbst gebackene Kuchen (mit Ökoeiern), großartige italienische Antipasti, Suppen und Pasta (zu sozialen Preisen von EUR 2,50-7,50), Weine (vom Weinladen „Il vinOlio“ in Körne, die Flasche zum Ladenpreis plus einem Korkgeld von 5 Euro) und kleine Mittagsgerichte (vegetarisch und normal) an. Von orientalischer Einfachheit ist da z.B. ein Rinderragout mit Couscous und Datteln (EUR 6,60), richtig lecker und eine klasse Mahlzeit. Denn auf die Grundprodukte legt Bärbel Dem großen Wert. Nicht umsonst ist die Fette Henne jeden zweiten Mittwoch im Monat Treffpunkt des Dortmunder Conviviums von Slow Food. Darüber hinaus finden regelmäßig kulturelle Veranstaltungen wie Lesungen, Konzerte und Ausstellungen statt.
-kopf

Dortmund, Kleine Beurhausstr. 3

Donnerstag, 25. Januar 2007

Aus dem Archiv: Rohrmeisterei - Hektisch vom Ecktisch

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008"

Selten wurde mir ein gutes Essen so schwer gemacht wie in der Rohrmeisterei in Schwerte. Das Restaurant in den alten, zu einem Kulturzentrum umgebauten Fabrikhallen hat ab 15 Uhr geöffnet, aber nur für Kaffee und Kuchen. Die Menüs und Gerichte, die in dem abgeteilten, „Glaskasten“ genannten Gourmetbereich inmitten des todchicen, industriemuseal renovierten Saales serviert werden, und die einfacheren des umliegenden Bistrobereichs gibt es erst ab 18 Uhr. Als ich deshalb eines Dienstags pünktlich viertel nach sechs vor der Tür des Hauses stand, war diese jedoch zu. Ein Zettel belehrte mich, das Restaurant sei wegen einer Großveranstaltung geschlossen, morgen jedoch wieder wie gewohnt geöffnet. Am nächsten Tag war die Tür dann offen, aber in den „Glaskasten“ konnte ich dennoch nicht. Der war nämlich von einer geschlossenen Gesellschaft gebucht, und auch die meisten Tische des Bistrobereiches waren für mehr oder weniger große Gruppen reserviert und füllten sich rasch. Schließlich wies mir eine schöne schlanke Bedienung mit entzückendem östlichem Zungenschlag ein freies Tischchen zu, bedauerte jedoch so charmant wie bestimmt, dass hier keine Gourmetmenüs serviert werden könnten. Fast wollte ich schon die Keule von wegen „Wie werden Pressevertreter behandelt und so“ schwingen, als ihr die überzeugenden Worte über die Lippen kamen. Die Bistrogerichte kämen ebenfalls aus der Küche von FC-Ruhrgebiet-Mitglied Manfred Kobinger und würden genauso gut gekocht – eine Behauptung, von der ich im Laufe des Abends feststellen konnte, dass sie stimmte.

Also verzichtete ich leichten Herzens auf Rehrückenfilet rosa gebraten auf geröstetem Chicorée mit Lorbeerfeigen, Haselnüssen in Karamell und Schupfnudeln (EUR 24,50) oder den ganzen ausgelösten, in der Schale servierten Hummer mit Artischocken und Tagliolini (EUR 34,50), aber auch auf die Senf-Kurkuma-Suppe (EUR 4,50), die aus dem Senf der benachbarten Schwerter Senfmühle Peisert hergestellt wird. Auf der Bistrokarte fiel mir eine eingemachte Gänsekeule vom Grill mit Wirsing, Birne und Speck (EUR 15,50) ins Auge, denn aufgebratenes Gänseconfit ist ein klassisches französisches Bistrogericht und die Beilage erinnerte mich an die Hamburger Volksschauspielerin Heidi Kabel, die in den einschlägigen Fernsehsendungen immer den Eintopf Bohnen, Birnen und Speck kochen musste, weil sie sonst nichts konnte.

Doch ich wollte die diesjährige winterliche Testsaison, die mir so viele fette Fleischgerichte beschert hatte, mit leichten Fischgerichten beenden. Ein Salat von Föhrer Muscheln (EUR 7,50) und Welsfilet mit Rote-Zwiebel-Gemüse, Äpfeln, Grenadine-Sauce und Tagliatelle (EUR 14) schienen mir da angebracht. Doch auch hier war das Essen nicht so einfach wie gedacht, denn in der allgemeinen Hektik wurde mir der Hauptgang „Föhrer Muscheln“ (EUR 9,50) statt des Salates gebracht. Das war aber nicht schlimm, denn die „Austern des kleinen Mannes“ wurden hübsch rustikal in einem schwarz emaillierten Muscheltopf samt Wasserschale zum Fingerwaschen serviert, schmeckten dank des wunderbaren Gemüse-Weißwein-Suds vortrefflich und wurden mir nur zum Preis des Salates berechnet.

Auch der schöne Wels war à point goldbraun gebraten und bildete kulinarisch wie optisch einen hübschen Kontrast zur Sauce. Durch die Zugabe von Grenadine, einem roten Fruchtsirup, den man eigentlich zum Färben und Abschmecken exotischer Cocktails benutzt, wurden die süßsauren Apfelspalten und Zwiebeln von einem samtenen Sahneüberzug in Labskaus-pink umhüllt. Ein gleichwertiger Höhepunkt war dann die kleine Käseplatte (EUR 6,50), die ich mir als Dessert bestellte. Die verschiedenen Rohmilchkäse aus dem Ruhrtal bei Fröndenberg konnten es mit jeder französischen Spezialität aufnehmen. Mango-Chutney, Feigensenf, frische Weintrauben und kandierte Kürbiskerne rundeten diesen Genuss ab.

Beim Bezahlen fragte ich meine schöne Bedienung, ob hier immer so viel Betrieb sei. Ja, meinte sie nach kurzem Nachdenken kurz und bündig. Was ich aus alldem gelernt habe? Wenn ich noch einmal die Rohrmeisterei besuchen werde, was bestimmt geschehen wird, rufe ich vorher an.

-kopf

Schwerte, Ruhrstr. 20
Fon 0 23 04. 2 01 30 01
Mi-Fr ab 17 Uhr, Sa, So ab 10 Uhr, Mo,Di geschlossen.
https://www.rohrmeisterei-schwerte.de/

Aus dem Archiv: Gasthaus Stromberg - Familiäres Ruhrgebiet

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008".

Mitten in der Fußgängerzone der Waltroper Innenstadt liegt das Gasthaus Stromberg, ein schönes historisches Fachwerkhaus zwischen zahlreichen Neubauten aus den letzten zwanzig Jahren. Obwohl ein Gourmetrestaurant, herrscht in den gemütlichen, mit biedermeierlichem Chic eingerichteten Gasträumen in der Mittagszeit eine herzlich-familiäre Atmosphäre wie in einer Vorortkneipe. Fast könnte man hier Sozialstudien übers Ruhrgebiet betreiben. Zwei Rentnerpärchen, die die 75 rüstig überschritten haben, speisen andächtig zu Mittag („Immer wenn wir hier sind, geht es uns ausgezeichnet!“), während am Tresen ein überaus angeheiterter Weißweintrinker in den besten Jahren, aber mit viel Zeit, trotz seines Zustandes mit mütterlicher Fürsorge betreut wird. Ein alleinerziehender Vater zeigt am Nebentisch seiner etwa dreizehnjährigen Tochter, dass Grünkohl mit Mettwurst, das heutige Mittagsangebot für EUR 10, eine leckere Alternative zum Fast Food ist. Und der Filius des Hauses kommt aus der Schule, setzt sich an einen freien Tisch und beginnt brav mit den Schularbeiten, bis der Opa ihm ebenfalls eine leckere Mahlzeit aus der Küche bringt.

Kaum zu glauben, das Küchenchef Stefan Manier ein Mitbegründer des Köcheclubs der „Jungen Wilden“ ist (und auch des FC Ruhrgebiet). Bei allem Lokalkolorit, dass er sein Handwerk u.a. bei Heinz Winkler in Aschau gelernt und sich als Küchenchef in Bad Laasphe einen Michelin-Stern erkocht hat, merkt man seinen Gerichten auch an. Auf eine bestimmte Richtung will er sich nicht festlegen, bekennt er auf der Speisekarte, aber der Bezug zur regionalen Küche ist ihm wichtig und er schätzt die Produkte der näheren Umgebung. Neben einer kleinen Auswahl gutbürgerlicher Kost wie Saftige Frikadellen vom Laufsteg mit Kartoffel-Gurken-Salat (EUR 9) oder Überbackenes Schweinerückenschnitzel „Tessiner Art“ mit Bratkartoffeln und kleinem Feldsalat (EUR 15) bietet er eine Menükarte an, aus der sich der Gast ein Drei- oder Vier-Gang Menü (EUR 36 und 44) zusammenstellen kann. Ich entscheide mich, als Erinnerung an das z. Z. des Testbesuches gerade vergangene Weihnachtsfest, für eine Maronenschaumsuppe mit Orangen (EUR 6), eine herzhaft-süße, doch leicht beschwingte Angelegenheit. Der Hauptgang, Pralinen vom geschmorten Ochsenschwanz mit Apfelkraut glaciert, Pastinakenpüree und warmem Salat von Serviettenknödeln (EUR 20), ist ebenfalls ein wahres Festtagsessen, überraschend angerichtet und von süß-erdiger, angenehm weicher Textur. Dazu passt ein Viertel des eleganten Spätburgunders vom Weingut Pfaffmann (EUR 6,80), der offen im Ausschank ist, hervorragend. Auch das Dessert, Gebrannte Diabolo-Creme mit Feigen und Rotweineis (EUR 6), ist stimmig zusammengestellt. Doch scheint mir die Crème brulée vorgebrannt aus der Kühlung zu kommen. Wäre sie frisch gemacht und noch warm, hätte das dem Nachtisch den letzten Pfiff gegeben.

Nachsatz: Obwohl ich glücklich und zufrieden das Gasthaus Stromberg verlassen hatte, sah ich mir zu Hause noch einmal die Rechnung an. Da schlug mein Menü völlig korrekt mit 36 Euro zu Buche. Nur, so bemerkte ich erst jetzt, hätte ich alle Gänge einzeln bestellt, hätten sie nur 32 Euro gekostet.
-kopf

Waltrop, Dortmunder Str. 5
Fon 0 23 09. 42 28
Di-Fr ab 17 Uhr, Sa ab 12 Uhr. So, Mo geschlossen
https://gasthaus-stromberg.de/

Mittwoch, 24. Januar 2007

Aus dem Archiv: Zum Treppchen von 1763 - Vertane Chance

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008".
Seit 2017 steht das Restaurant unter neuer Leitung.


Es ist nicht zu verleugnen: Der geheime Ehrgeiz jeder Restaurantführer-Redaktion ist, die Qualitäten eines Restaurants mit liebevollen Texten zu pflegen, um sich später die Lorbeeren als Entdecker an den Hut stecken zu können. Das war sicherlich ein Grund für „Dortmund geht aus“, das „Treppchen von 1763“ in den letzten beiden Ausgaben in die Rubrik „Sternverdächtig“ einzuordnen, zumal seit dem Weggang von Thomas Bühner Dortmund unter dem akuten Mangel an wirklich gehobener Gastronomie leidet. Wenn der Gastronom dann jedoch aus wirtschaftlich vermutlich notwendigen Gründen einen anderen Weg einschlägt, ist die Enttäuschung bei uns kulinarischen Romantikern jedoch groß.

Johannes Tàlyai vom „Treppchen“ hat sich leider den Rabattaktionen des „Gutscheinbuches“ angeschlossen, und das scheint der Leistung des Hauses nicht zuträglich zu sein. Die positive Seite daran ist, dass das „Treppchen“ bei unserem diesjährigen Testbesuch so gut wie ausgebucht war. Die negative, dass Küche und Service mit dem Ansturm kaum fertig wurden, und die 20 Euro Rabatt, die dem zweiten Kunden bei der Bestellung des sog. Treppchenmenüs (Normalpreis 3 Gänge EUR 35, 4 Gänge EUR 42) eingeräumt werden, sich bei der Kalkulation anscheinend ungünstig auf die Qualität der Produkte ausgewirkt hatten. „Sternverdächtig“ war das jedenfalls nicht.

Wir saßen in dem antiken Fachwerkhaus mit der Schieferverkleidung gemütlich und originell. Die alte Einrichtung mit den schönen Fresken und der dunklen Holzverkleidung ist sorgfältig restauriert, und in solch einzigartiger Umgebung wünschten wir unas natürlich auch, entsprechend zu speisen. Die Karte versprach mit ihren verschiedenen Menüs auch einiges, und gerade das Treppchenmenü wies sich dem Namen nach schon als Aushängeschild des Hauses aus. Carpaccio vom Rinderfilet oder Riesengarnelen als Vorspeise, Kartoffelrahmsuppe mit Flusskrebsen oder Wildessenz mit Pilztortelloni als Zwischengang, Tournedo vom Rinderfilet mit Ochsenbäckchenravioli und Ratatouille in Portweinjus oder Steinbuttfilet an Hummersößchen mit Limonentröpfchen und Meeresfrüchtepaella als Hauptgang und Schokomousse mit Himbeertopping an Fruchtsaucen mit Früchten oder Rohmilchkäse mit Trauben als Dessert lasen sich auch verheißungsvoll. Doch was eine Symphonie an Geschmackserlebnissen hätte sein können, erwies sich als wenig liebevolle Zusammenstellung von nur mäßig überzeugenden Produkten.

Lecker waren die beiden Suppen und überraschend die gefüllten Nudeln, die dennoch nur wie eine Beilage wirkten, die halt beigelegt war. Das Tournedo entpuppte sich als simples Filetsteak und war zwar weich, aber mit metallischem Beigeschmack, der Steinbutt dagegen hart, und alles zusammen durch die übermäßige Zugabe von Meeresfrüchten unnötig aufgepeppt. Wem wollte man damit imponieren? Einem Gast etwa, der auch die die laffe Erdbeere Mitte Januar als pfiffige Garnitur gut findet? Oder die holzigen Walnüsse und Mandeln beim Käse? Enttäuschend waren auch die handwerklichen Schnitzer der Küche. Das Carpaccio war noch tiefgekühlt, („Das sollte nicht vorkommen“, murmelte der Kellner), und die Venusmuscheln in der Paella hart und schlichtweg ungenießbar. „Gut, dass Sie es sagen. Wir tun sie nicht mehr dran“, lautete die Entschuldigung. In diesem Zusammenhang wirkte es auch nicht mehr charmant, dass die Bedienung vergessen hatte, welche Käsesorten auf dem Dessertteller lagen.

Einmal mehr wurde deutlich, dass es nur eine Illusion ist, dem Publikum vorzugaukeln, gute Küche sei zum Schnäppchenpreis zu bekommen. Wir hatten übrigens keinen Gutschein, und bezahlten für zwei Menüs samt offenen Weinen und Aperitif 120 Euro. Aber wir wären genauso enttäuscht gewesen, wenn wir die 20 Euro Rabatt mitgenommen hätten, und fühlten uns doppelt düpiert. Denn wer bereit ist, 100 Euro für einen kulinarischen Abend zu zweit zu bezahlen, der ist es auch für 120. Jedenfalls, wenn das Essen gut ist.

-kopf


Dortmund-Hörde, Fassstr.21
Fon 0231, 28 86 34 31
Di-Fr 11-15 Uhr und 17-22 Uhr, Sa 17-22 Uhr, So 11-15 Uhr. Mo geschlossen.
https://www.treppchen-dortmund.de/

Sonntag, 21. Januar 2007

Aus dem Archiv: Eggers - Nichts für magere Mädchen

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008"

Jenseits der A43, wo mit den sanften Hügeln der Elfringhauser Schweiz das Westfälische ins Bergisch-Rheinische übergeht, liegt mitten in dem Dörfchen Sprockhövel-Niedersprockhövel das Hotel-Restaurant von Dirk Eggers. Die landschaftlich reizvolle Umgebung ist mit Ausflugslokalen reich gesegnet, doch Eggers ist sicherlich der anspruchsvollste Gasthof der Region. Nicht nur die Hotelgäste wissen das zu schätzen, hier finden in den verschiedenen, z.T. kleinen und verwinkelten Gastzimmern auch zahlreiche Familienfeiern statt, und selbst die anspruchsvollen Zungen des Gourmet-Vereins Slow Food wusste Dirk Eggers schon mit einem speziellen Menü zu verwöhnen. „Salon de Menu“ nennt er sein gut besuchtes Restaurant im Untertitel.

Eggers hat sich der regionalen Küche mit französischem Einschlag verschrieben, und das auf beachtlichem Niveau. Und so fällt dem Gast beim Studium der Karte die Wahl schwer. Soll er nun eines der Menüangebote wählen, etwa das Gourmetmenü (EUR 50) mit fünf variantenreichen Gängen von Ente über Jakobsmuschel bis Wildschwein auf Feigenrotkohl, das viergängige Saisonmenü (EUR 34), einen Streifzug durch die deutschen Regionen von Nord nach Süd und Ost nach West, oder die kräftig-deftigen Gerichte von der sog. Feinschmeckerkarte, die sich frisch zubereitet an den Produkten der Saison orientieren?

Ich war bereits im letzten Frühjahr in den Genuss eines Menüs mit zwölf (!) Miniatur-Gerichten in vier Gängen gekommen, das Eggers im Rahmen des „Menuekarussells“, einer alljährlich stattfindenden, zeitlich befristeten Aktion von Lokalen der Region, anbot (EUR 40). Das in seiner Präsentation fast asiatisch anmutende Potpourri an leckeren Häppchen zeigte deutlich, dass er das Handwerk der Haute Cuisine versteht, brachte aber die eifrige Bedienung ob seiner unüberschaubaren Vielfalt in arge Konfusion.

So wählte ich diesmal personalschonend die Hausmannskost und sollte es nicht bereuen. Als Amuse Gueulle wurde mir ein Töpfchen mit sündhaft leckerem Schweineschmalz serviert, süß-kräuterig angemacht mit knusprig ausgebratenen Grieben, daneben ein Löffelvoll köstliches Blutwurst-Steckrüben-Püree und ein Gläschen Wasabi-Erdnüsse, die durch ihre überraschende Schärfe wie kulinarische Knallfrösche wirkten - alles sicherlich nichts für Askese gewohnte magere Mädchen.

Als Vorspeise wurde eine Apfel-Sellerie-Suppe in einem kleinen Kaffeekännchen serviert, aus dem man sie in eine Tasse gießen musste, in der unter einer in Butter weich geschwitzten Apfelscheibe ein Stückchen geräuchertes Welsfilet schlummerte (EUR 5,90). Das war so originell wie lecker. Der Name des Hauptgangs ließ nicht nur mich, sondern auch die beiden Deko-Fasane und den holzgeschnitzten Jägersmann, die mir von der Fensterbank aus beim Essen beäugten, schmunzeln: „Paella des Bergmanns“ nannte sich das üppige Pfännchen (EUR 13,90), das dann aber eher an eine Elsässer Schlachtplatte erinnerte als an das spanische Reisgericht. Allerdings war die vegetabile Grundlage, die von so köstlichen Schlemmereien wie Mett-, Gelb- und Entenbratwurst, Schweinebacke, geräucherter Entenbrust und gebratenem Speck gekrönt wurde, nicht Sauerkraut, sondern herzhafter Grünkohl. Dazu erstklassige Bratkartoffeln und ein selbst angerührter Senfdip, und mir leuchtete die alte Bergmannsweisheit, dass wer hart arbeitet, auch gut essen muss, auf der Stelle ein. Als Restauranttester war ich ja auf Arbeit und langte also kräftig zu. Dazu, als Tribut an die Rheinische Lebensart, ein Alt – großartig.

Der Nachtisch war eigentlich unbeschreiblich: Ein warmer Pumpernickelpudding mit Rübenkraut-Buttermilcheis und Kirschen (EUR 7) zeigte einmal mehr, was für ein feines Produkt Pumpernickel ist. Kein noch so lockerer Schokoladenkuchen hätte dieser Kreation das Wasser reichen können.

-kopf

Hauptstraße 78, 45549 Sprockhövel. Tel. 02324-71780. Do-Mo 11:30 - 23.00 Uhr,  Küche  12:00 - 14:00 Uhr & 18:00 - 21:00 Uhr. https://www.eggers-sprockhoevel.de/

Donnerstag, 18. Januar 2007

Aus dem Archiv: Venus im Schloss Nordkirchen - Barocke Heiterkeit

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 20087/2008".

Eigentlich sollte man den Ausflug nach Schloss Nordkirchen nicht zur Winterszeit machen, sondern im hellen Sommer. Denn der einstige Sitz der Münsteraner Fürstbischöfe liegt inmitten eines prächtigen Barockparks, den man als Besucher des Schlossrestaurants „Venus“ standesgemäß über eine gepflasterte Allee an langen Kanälen vorbei durchqueren darf, wenn man bis zum Schloss vorfährt. Und davon sieht man in der dunklen Jahreszeit leider nicht viel.

Doch auch im Winter herrscht in den weitläufigen Gewölben des „westfälischen Versailles“ eine fröhliche Heiterkeit. Pfiffige Kellner in roter Livree und charmante Kellnerinnen im Maria-Theresia-Look betonen die spielerische Lust, mit der hier getafelt werden kann. Das mag nicht zuletzt an Hausherr Franz L. Lauter liegen, der neben dem Kochen das Malen zu seiner zweiten Leidenschaft erkoren hat. Überall hängen seine farbenfrohen, z.T. surrealistischen Bilder an der Wand. Nicht von ungefähr ist ein Strohhut ohne Deckel sein Markenzeichen und nicht die steife Kochmütze. Auch auf der Speisekarte fällt in erster Linie die Kreativität auf, mit der die Gourmet-Gerichte zusammengestellt sind und die sich beim Anrichten auf dem Teller fortsetzt. Dabei verliert Lauter nie den Bodenkontakt, verfällt nicht in exzentrische Exotismen, sondern bleibt Jahreszeit und Region verbunden. Auch der Gast kann bei ihm kreativ sein und sich von den Vorschlägen der Menükarte ein Drei-, Vier- oder Fünfgang-Menü (EUR 36,48,67) zusammenstellen, zudem bietet die normale Karte zusätzlich eine schöne Auswahl an weiteren Gerichten.

Während wir noch im Kartenstudium schwelgten, wurde uns als Küchengruß eine kleine Auswahl an Fingerfood-ähnlichen Häppchen gebracht: etwas Tafelspitz, eine Ziegenkäsepraline, Lachs auf Pumpernickel, Gänseleber u.a., alles schön garniert und köstlich angemacht. Doch das war keineswegs das Amuse gueule, wie ich erst dachte. Das kam auch noch: Ochsenbäckchen in Blätterteig auf herzhaftem Stielmus, wir sind ja in Westfalen. Diese Region schlug sich auch bei der Vorspeise aus vorzüglichem Lachs nieder. Der mit dem französischen Qualitätssiegel „Label Rouge“ versehene Edelfisch wurde selbstverständlich nicht als gängiges Carpaccio, sondern fast schon exotisch als Pfefferpotthast angerichtet, wunderbar pfeffrig mariniert und mit einem pikanten Zwiebeljus gekrönt (EUR 12). Ein kleines Körbchen aus Kartoffelteig bildete das Nest der dazugehörigen Wintersalate. Eine wunderbare Geschmackskombination bildeten auch die Shrimps auf Avocadocrème mit Wintergemüse (EUR 13,50) unserer zweiten Vorspeise. Jeder Bestandteil schmeckte schon für sich phantastisch, steigerte sich aber beim gemeinsamen Genuss zu einem wahren Geschmackserlebnis. Auch hier war das Arrangement der Salatgarnitur ein kleines Kunstwerk. Rauke, Endivie und Feldsalat rankten sich an einem kleinen Gitter aus getrockneter Tintenfischtinte empor.

Dass Eleganz und Herzhaftigkeit sich nicht ausschließen müssen, zeigten auch die Hauptgänge. Der butterzarte, auf den Punkt in Rotwein geschmorte Hirschkalbrücken auf Steckrübengemüse mit Haselnussdonuts und Zwiebelmarmelade (EUR 26) schien bereits als Gipfel der Versuchung, wurde aber von der halben Ente aus dem Rohr mit Rotkohlstrudel, Kartoffelklößen und Cassissauce (EUR 21) noch übertroffen. Allein die Idee, den Rotkohl in Strudelteig zu packen, war ein optischer Genuss, der sich im Mund sofort zu einem kulinarischen verwandelte.

Den süßen Abschluss des feudalen Menüs bildete der „Venusgarten“ (EUR 12), ein betörendes Potpourri von sieben süßen Köstlichkeit wie Gewürzkaffeemousse, Mangosorbet, Feigen mit Zimt und anderem. Gern hätten wir eine Flasche Rotwein aus der umfangreichen Weinkarte zum Essen ausgewählt, doch leider erforderte der Heimweg vom weitab der Autobahn gelegenen Schloss Nordkirchen eine längere Autofahrt, und die restlichen Räume des Schlosses beherbergen leider kein Hotel, sondern eine Schule für Finanzbeamte des Landes NRW. So nahmen wir mit den offenen Empfehlungen vorlieb, die glasweise ausgeschenkt wurden. Eine spanische Tempranillo-Garnacha-Cuvée und ein sizilianischer Primitivo (je 0,25l EUR 6) waren ideale Begleiter unseres Menüs, kräftige Burschen auf samtweichen Pfoten.
-kopf

Nordkirchen, Am Schloss 1
Fon 0 25 96. 97 24 72
Do-So ab 12 Uhr. Mo,Di,Mi geschlossen
https://lauter-nordkirchen.de/

Montag, 15. Januar 2007

Aus dem Archiv: Pferdestall - Bergmannskost modern

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008".

Um die Speisekarte des Pferdestalls richtig einzuschätzen, muss man wissen, was der schmucke Laden eigentlich ist: das Restaurant des Industriemuseums Zeche Zollern II/IV. Mit musealer Liebe wurde das kleine Gewölbe in einem der vielen stilecht erhalten gebliebenen Jugendstilbauten des eindrucksvollen Industrieensembles eingerichtet und versetzt den Besucher mit viel Charme in die heutzutage gemütlich wirkende Hochzeit der Kohleindustrie Anfang es 20. Jahrhunderts.

So verwundert es nicht, dass es tagsüber eine Imbisskarte gibt, die auf den kleinen Hunger der Museumsbesucher mit allerlei schneller Kost von Pommes frites bis Currywurst abzielt. Doch neben modernem Fast Food gibt es auch ganz bodenständig Bratkartoffeln mit Spiegelei (EUR 4,20) oder mittwochs Reibekuchen so viel man essen kann (EUR 4,44).

Die normale, wenn auch kleine Speisekarte ist jedoch genauso liebevoll gestaltet wie das Ambiente des Hauses und geht eine durchdachte Symbiose aus bergmännischer Tradition und leichter erschwinglicher Küche ein. Bei den Vorspeisen sorgen Scampi und Garnelen für südliche Beschwingtheit, während man sich bei den Hauptgerichten regional gibt.

Regional heißt hier aber nicht westfälisch, sondern bergmännisch, und so ist die Karte des Pferdestall ein unprätentiöses Beispiel für eine moderne Ruhrgebietsküche. Schnitzel, Krüstchen und Steaks mit üppigen Salatgarnituren bestätigen schmackhaft den Wunsch der Kundschaft nach unkomplizierter, ausgewogener Kost. Doch mit dem beim Museumsrundgang entstandenen Hunger lässt sich auch die Sehnsucht nach der Heimeligkeit der historisch gewordenen Arbeitswelt stillen, ob mit „Möhren bürgerlich“ samt hausgemachter Frikadelle (EUR 7) oder Panhas, jener urigen westfälischen Spezialität aus Wurstbrühe, Speck und Buchweizen (EUR 7).

Keine Angst muss man vor dem Riesenteller Kartoffelsuppe haben (EUR 4,50). Sie ist leicht und lecker und dient laut Karte einem gebratenem Scampo als Biotop, der sich beim Testbesuch jedoch die Gesellschaft von zwei weiteren gesucht hatte. Geradezu exotisch wirkte das Schlesische Himmelreich, ein Gericht, dass polnische Einwanderer Anfang des letzten Jahrhunderts ins Ruhrgebiet brachten: in Streifen geschnittener Tafelspitz in einer kräftigen dunklen Sauce mit Backobst und einem dicken Schlag saurer Sahne (EUR 7,90).
-kopf

Dortmund-Bövinghausen, Grubenweg 5, Zeche Zollern II/IV
Fon 6 90 32 36
Di-So 12-22 Uhr, Mo Ruhetag
https://pferdestall.biz/

Sonntag, 14. Januar 2007

Aus dem Archiv: Kerzan’s - Neuasselner Lebensart

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008"

Der Hinweis auf der Internetseite, die Mittagskarte von Kerzan’s Restaurant sei regional, die Abendkarte eher mediterran ausgerichtet, machte die Entscheidung, das Hotelrestaurant zur Mittagszeit zu besuchen, leicht. Dass man von Rudi Kerzans großer Abendküche nicht enttäuscht würde, lag auf der Hand, denn der Küchenchef ist Mitglied der Verbrauchervereinigung Eurotoques, die sich der gesunden Ernährung mit natürlichen Lebensmitteln verschrieben hat und zu der Starköche wie Johann Lafer und Harald Wohlfahrt gehören. Kerzan´s Fischtrilogie mit Rauke, Kirschtomaten, Alceto und Butterreis (EUR 15,20) oder Poulardenbrust mit Datteln gefüllt, hausgemachten Nudeln, fruchtigem Jus und jungem Gemüse (EUR 14,50) wären auch im Dunkeln die Reise nach Neuasseln wert gewesen, doch wie man bei Kerzan’s alltäglich zu Mittag ist, schien mir wesentlich interessanter. Denn die kleine regionale Küche ist eine viel größere Herausforderung an Koch und Gast als das betörend Mediterrane, das von kundiger Hand zubereitet einfach nur schmecken kann und in Zeiten der Globalisierung schon fast banal und alltäglich geworden ist.
Ich war überrascht, welch eine sympathische Lebensart mittags in der typischen, noch gar nicht so alten Ruhrgebietswohngegend am Dortmunder Stadtrand kurz vor Unna herrschte. Der quirlige Betrieb in dem gut besuchten Laden und vor allem die Weinkisten, die sich malerisch vor dem Tresen stapelten, verbreiteten die Atmosphäre eines Pariser Bistros. Mediterrane Weine und westfälische Spirituosen gaben sich ein genussvolles Stelldichein, einträchtig standen ein Piemonteser Grappa und eine Flasche „August mit dem Schlips“ der Dortmunder Spezialitäten-Brennerei Krämer im Schatten einer Neun-Liter-Flasche Barbera beieinander. Und die zahlreichen Gäste ließen sich das dreigängige Mittagsmenü, pardon, „el menú del dia“ für EUR 8,20 inkl. Wein und Wasser oder die anderen Angebote der Mittagskarte schmecken.
Schweinebraten mit Erbsen und Möhren gab es, doch mir stand mehr der Sinn nach einer Viertel Ente mit Klößen und Rotkohl (EUR 7,80). Das war ein der Jahreszeit entsprechendes Gericht und ließ wehmütige Erinnerungen ans gerade vergangene Weihnachten aufkommen, besonders der Rotkohl, der himmlisch mit Zimt und Äpfeln abgeschmeckt war. Und die Entenkeule samt dranhängendem Stück Rücken hatte eine knusprige Haut und zartes, erstaunlich saftiges Fleisch. Zuvor hatte ich mir als Vorspeise noch die Kaninchenterrine mit Schwarzen Johannisbeeren aus dem Mittagsmenü für EUR 1,80 gegönnt – was sollte ich da noch mit der „Spanischen Zwiebelsuppe“, die ebenfalls im Angebot war, anfangen?
-kopf

Dortmund-Neuasseln, Aplerbecker Str. 234
Fon 0231. 25 22 00
Mi-So tägl. 11.30-15 Uhr, 17-23 Uhr. M, Di geschlossen
http://www.hotel-kerzan.de/

Dienstag, 9. Januar 2007

Aus dem Archiv: Altes Gasthaus Grube - Dortmunder Ursprünglichkeit

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Es muss ein unausrottbares Vorurteil sein, dass die Westfalen verbiesterte Sturköppe sind. Denn wie sollte man sich sonst erklären, dass Dortmund über eine solche Anzahl von alteingesessenen Traditionsgastronomie-Betrieben verfügt, die mit ihren umfangreichen, verzweigten Räumlichkeiten zum geselligen Feiern einladen? Allein sechs verschiedene Gasträume für 10 bis 200 Personen mit Bühne, Kegelbahn, Biergarten und allem Pipapo sind auf dem Grundriss vom Alten Gasthaus Grube eingezeichnet. Noch heute imponiert das fast 180 Jahre alte Fachwerkhaus am viel befahrenen Wambeler Hellweg, obwohl die ehemalige Schmiede über die Jahrhunderte hinweg von Wohnungs- und Gewerbeansiedlungen fast überwuchert wurde. Doch die blank geschrubbten echt antiken Dielen in der Gaststube glänzen wie eh und je und verbreiten passend zur Lage des Hauses nördlich der B1 eine unkomplizierte, bodenständige Ruhrgebiets-Gemütlichkeit. Und die wird von den Stammgästen des Hauses honoriert. Die halbe Nachbarschaft trifft sich hier zum Mittagessen, und Geschäftsleute führen ihre ausländischen Partner gern hierher, um ihnen die kulinarische Dortmunder Ursprünglichkeit zu zeigen.

Die besteht zum Beispiel in der Weihnachtszeit aus herrlich kross gebratenen Gänsekeulen, die wie saftig-weiche Baseballschläger auf wagenradgroßen Tellern mit Klößen wie Kanonenkugeln und Rotkohl serviert werden. Auch die normale, äußerst umfangreiche Speisekarte scheint unter dem alten Ruhrgebiets-Motto zu stehen, wer hart arbeitet, der soll auch gut essen. Rumpsteak „Haus Grube“ mit gebackenen Zwiebeln, Gewürzgurke, Sauce Hollandaise und mit Käse überbacken samt Bratkartoffeln und Salat, Medaillons vom Lammrücken „La Provence“ im Kräutermantel mit grünen Bohnen und Röstkartoffeln oder Rinderfilet „Café de Paris“ mit gestoßenem Pfeffer, Kräuterbutter, Speckbohnen und Pommes frites sind typische Empfehlungen des Hauses (zwischen 12 und 15 EUR). Ich freue mich auf die Frische Rindfleischsuppe mit Fleisch, Eierstich, Markklößchen und Gemüse (EUR 3,40), die nicht besser auf den Tisch einer Hausfrau kommen könnte, die die Tugend des sonntäglichen Kochens noch nicht vergessen hat. Und auch der Schweinebraten von der Tageskarte (EUR 10,30) ist der wahr gewordene Traum eines Familienvaters vom Schlaraffenland. Zart das Fleisch, würzig die Sauce, in die sich lustvoll die Salzkartoffeln mit der Gabel drücken lassen, dazu apfel-süß-saurer Rotkohl und – als wäre das alles noch nicht genug - ein Sahnesößchen mit frischen Champignons als Krönung. Und das Beste dabei: alles ist ruckzuck auf dem Tisch. Da lag es nur auf der Hand, dass ich mich dem Eis mit Roter Grütze (EUR 5) als Nachtisch mit eher verdauungsfördernder Muße widmete
-kopf.

Dortmund-Wambel, Wambeler Hellweg 131

Montag, 8. Januar 2007

Aus dem Archiv: Haus Überacker - Sonntagsluxus für jeden Tag

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008".

Haus Überacker ist unter den prachtvollen Landgasthöfen, die die Wittbräucker Straße von Höchsten bis nach Herdecke hinein säumen wie die Perlen eine Kette, sicherlich einer der prächtigsten. Das Hotel verfügt über mehrere große Gasträume, Wintergarten, Terrasse und Kegelbahn, und alles ist stilvoll in elegant-rustikaler Landhaus-Manier eingerichtet. Nicht nur Hotelgäste finden sich im Restaurant ein, auch viele Stammgäste aus der Nachbarschaft und anderen Dortmunder Stadtteilen genießen hier die gepflegte bürgerliche Atmosphäre. Hier ist Dortmund Dortmund, und beim Mittagessen wird natürlich über Fußball diskutiert. Allerdings nicht über die Nationalmannschaft, die Bundesliga oder den BvB, sondern wie die Sportvereine aus Wellinghofen und Wichlinghofen auf einen grünen Zweig kommen können.
Die umfangreiche Speisekarte umfasst hauptsächlich Fleischgerichte fast ausschließlich aus den edelsten Teilen von Schwein und Rind. Filet, Steak und Schnitzel stillen solide angerichtet den Appetit der bodenständigen Kundschaft, sei es als „Filetsteak für den Herrn“ mit einem Spiegelei und Sardellenfilets garniert, Salat und Röstkartoffeln (EUR 19,80), als „Topf des Hauses“ mit Filets vom Rind und Schwein auf Röstkartoffeln mit Edelgemüse und Spiegelei (EUR 16,30) oder als „Wiener Schnitzel“ mit Röstkartoffeln und Salat und selbstverständlich vom Kalb (EUR 14,20). Man fühlt sich in die gute alte Wirtschaftswunderzeit versetzt, als die Prosperität die alten Esstraditionen sprengte und den Sonntagsluxus alltäglich machte - etwas, was längst schon wieder eine eigene Esstradition geworden ist.
Dennoch ist die Verwurzelung im Westfälischen auf der Speisekarte von Haus Überacker deutlich zu entdecken. Als Testmenü wählte ich die „Büsumer Krabbensuppe“ (EUR 5,20), die mich durch ihre Sahnesauce und den Geschmack der Krabben-Marinade nach „Meer“ in die große weite Welt von früher versetzte. Das „Dortmunder Pfefferpotthast“ mit Salzkartoffeln und eingelegten Gürkchen, Rote Bete, Perlzwiebeln und Kürbis (EUR 9,80) wurde durch das Auftragen in silbrigen Extraschüsseln zu einem kleinen Essereignis geadelt. Gegen die Salzkartoffeln war nur wenig einzuwenden, was eine Menge heißt, doch die butterweichen Schweinefleischstücke waren trotz der pikant-pfeffrigen, reichlich vorhandenen Sauce zum Teil knochentrocken. Hinreißend dann das Pumpernickelparfait mit Kirschen und frischer Sahne (EUR 5,20) zum Nachtisch, das wieder einmal bewies, dass die westfälische Schwarzbrotspezialität eine kulinarische Geheimwaffe ist, die im süßen Bereich die feinste Schokolade übertrifft (und im pikanten Bereich jede Trüffel in die Schranken weist – doch das nur nebenbei).
-kopf

Dortmund-Höchsten, Wittbräucker Str. 504
Fon 0 23 04. 98 28 50
Fr-Di ab 11.30 Uhr, Küche bis 21 Uhr.MI, Do geschlossen.
https://www.haus-ueberacker.de/