Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2007/2008"
Selten wurde mir ein gutes Essen so schwer gemacht wie in der Rohrmeisterei in Schwerte. Das Restaurant in den alten, zu einem Kulturzentrum umgebauten Fabrikhallen hat ab 15 Uhr geöffnet, aber nur für Kaffee und Kuchen. Die Menüs und Gerichte, die in dem abgeteilten, „Glaskasten“ genannten Gourmetbereich inmitten des todchicen, industriemuseal renovierten Saales serviert werden, und die einfacheren des umliegenden Bistrobereichs gibt es erst ab 18 Uhr. Als ich deshalb eines Dienstags pünktlich viertel nach sechs vor der Tür des Hauses stand, war diese jedoch zu. Ein Zettel belehrte mich, das Restaurant sei wegen einer Großveranstaltung geschlossen, morgen jedoch wieder wie gewohnt geöffnet. Am nächsten Tag war die Tür dann offen, aber in den „Glaskasten“ konnte ich dennoch nicht. Der war nämlich von einer geschlossenen Gesellschaft gebucht, und auch die meisten Tische des Bistrobereiches waren für mehr oder weniger große Gruppen reserviert und füllten sich rasch. Schließlich wies mir eine schöne schlanke Bedienung mit entzückendem östlichem Zungenschlag ein freies Tischchen zu, bedauerte jedoch so charmant wie bestimmt, dass hier keine Gourmetmenüs serviert werden könnten. Fast wollte ich schon die Keule von wegen „Wie werden Pressevertreter behandelt und so“ schwingen, als ihr die überzeugenden Worte über die Lippen kamen. Die Bistrogerichte kämen ebenfalls aus der Küche von FC-Ruhrgebiet-Mitglied Manfred Kobinger und würden genauso gut gekocht – eine Behauptung, von der ich im Laufe des Abends feststellen konnte, dass sie stimmte.
Also verzichtete ich leichten Herzens auf Rehrückenfilet rosa gebraten auf geröstetem Chicorée mit Lorbeerfeigen, Haselnüssen in Karamell und Schupfnudeln (EUR 24,50) oder den ganzen ausgelösten, in der Schale servierten Hummer mit Artischocken und Tagliolini (EUR 34,50), aber auch auf die Senf-Kurkuma-Suppe (EUR 4,50), die aus dem Senf der benachbarten Schwerter Senfmühle Peisert hergestellt wird. Auf der Bistrokarte fiel mir eine eingemachte Gänsekeule vom Grill mit Wirsing, Birne und Speck (EUR 15,50) ins Auge, denn aufgebratenes Gänseconfit ist ein klassisches französisches Bistrogericht und die Beilage erinnerte mich an die Hamburger Volksschauspielerin Heidi Kabel, die in den einschlägigen Fernsehsendungen immer den Eintopf Bohnen, Birnen und Speck kochen musste, weil sie sonst nichts konnte.
Doch ich wollte die diesjährige winterliche Testsaison, die mir so viele fette Fleischgerichte beschert hatte, mit leichten Fischgerichten beenden. Ein Salat von Föhrer Muscheln (EUR 7,50) und Welsfilet mit Rote-Zwiebel-Gemüse, Äpfeln, Grenadine-Sauce und Tagliatelle (EUR 14) schienen mir da angebracht. Doch auch hier war das Essen nicht so einfach wie gedacht, denn in der allgemeinen Hektik wurde mir der Hauptgang „Föhrer Muscheln“ (EUR 9,50) statt des Salates gebracht. Das war aber nicht schlimm, denn die „Austern des kleinen Mannes“ wurden hübsch rustikal in einem schwarz emaillierten Muscheltopf samt Wasserschale zum Fingerwaschen serviert, schmeckten dank des wunderbaren Gemüse-Weißwein-Suds vortrefflich und wurden mir nur zum Preis des Salates berechnet.
Auch der schöne Wels war à point goldbraun gebraten und bildete kulinarisch wie optisch einen hübschen Kontrast zur Sauce. Durch die Zugabe von Grenadine, einem roten Fruchtsirup, den man eigentlich zum Färben und Abschmecken exotischer Cocktails benutzt, wurden die süßsauren Apfelspalten und Zwiebeln von einem samtenen Sahneüberzug in Labskaus-pink umhüllt. Ein gleichwertiger Höhepunkt war dann die kleine Käseplatte (EUR 6,50), die ich mir als Dessert bestellte. Die verschiedenen Rohmilchkäse aus dem Ruhrtal bei Fröndenberg konnten es mit jeder französischen Spezialität aufnehmen. Mango-Chutney, Feigensenf, frische Weintrauben und kandierte Kürbiskerne rundeten diesen Genuss ab.
Beim Bezahlen fragte ich meine schöne Bedienung, ob hier immer so viel Betrieb sei. Ja, meinte sie nach kurzem Nachdenken kurz und bündig. Was ich aus alldem gelernt habe? Wenn ich noch einmal die Rohrmeisterei besuchen werde, was bestimmt geschehen wird, rufe ich vorher an.
-kopf
Schwerte, Ruhrstr. 20
Fon 0 23 04. 2 01 30 01
Mi-Fr ab 17 Uhr, Sa, So ab 10 Uhr, Mo,Di geschlossen.
https://www.rohrmeisterei-schwerte.de/