Dienstag, 30. März 2010

Ausflug nach Franken: Bürgerspital in Würzburg

Leider konnte der Genießer am Samstag nicht am gemeinsamen Frühjahrsmenü der Köchegruppe “ReVier“ in Herne teilnehmen. Der Grund: Er war übers Wochenende auf einem kleinen Kongress der „Karl-May-Gesellschaft“ in Würzburg. Neben den anregenden Diskussionen über die Literatur des vielseitigen Abenteuerschriftstellers gab es natürlich auch ein kulinarisches Highlight. Ein Stadtrundgang am Samstagabend endete in den ehrwürdigen Weinkellern des Bürgerspitals, eines der größten und ältesten Weingüter in Deutschland. Der Würzburger Patrizier Johannes von Steren hatte 1316 ein Anwesen zur Aufnahme pflegebedürftiger Menschen gestiftet und begründete damit das Bürgerspital, das seit dem 16. Jahrhundert so genannt wird. Ihre Einkünfte bezog die Stiftung von Anfang an durch den Weinbau. Heute betreibt sie zahlreiche soziale Einrichtungen wie Altenheime und eine geriatrische Reha-Klinik und verfügt über 110 ha Rebfläche in und um Würzburg in den besten Lagen.

Nach einem Rundgang durch die historischen Keller des Weingutes mitten in der Stadt, die allerdings beim Bombardement Würzburgs kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs zerstört wurden und wieder aufgebaut werden mussten, gab es nach einem Sekt 2004 Bürgerspital Pinot Cuvée brut eine deftige Brotzeit mit fränkischer Rotgelegter, einer Bluwurst, Bauernweißer, einer er Art Schwartemagen, rohem Schinken, geräucherter Leberwurst, Käse, Butter und Gurke. Dazu wurden fünf Weine aus typisch fränkischen Rebsorten gereicht. Wie Probenleiter Axel Schmidt (Bild) erklärte, wird das Klima am Main anders als im benachbarten Rheingau von kühlen, kontinentalen Ost-Wetterlagen bestimmt. Und so bildete sich zusammen mit dem Terroir des Maintales beim Frankenwein eine ganz andere Charakteristik als anderswo heraus, säurebetont, kernig, irgendwie rauer. Zudem ist es dem fränkischen Weinmarketing in den letzten Jahren gelungen, Neuzüchtungen als regionaltypisch im Bewusstsein der Weinfreunde zu etablieren, dass Franken auf der Basis seiner langen Weinbautradition mit der eigenen Flaschenform, dem Bocksbeutel, als eine äußerst eigenständige Weinregion gilt.

Weinprobe mit Winzerteller: Die Literaturfreunde lassen es sich schmecken

Zum Einstieg gab es einen 2009 Würzburger Pfaffenberg Müller-Thurgau Kabinett trocken, die traditionsreichste Neuzüchtung unter den Weißweinen: ein süffiger, leicht trinkbarer Wein, der Spaß machte. Ihm folgte ein 2009 Würzburger Innere Leiste Silvaner Kabinett trocken, schon trockener und härter im Mund. Der Silvaner gilt als idealer Spargelwein, der die bitteren Noten des edlen Gemüses klassisch ergänzt und ist die wichtigste Rebsorte in Franken. Riesling, die alte deutsche autochthone Rebsorte schlechthin, wird in Franken nur in geringen Mengen angebaut. Entsprechend individuell war der 2008 Würzburger Stein-Harfe Riesling Kabinett trocken, der ein kieseliges Mundgefühl hinterließ.
Als wichtigste Rotweinsorte wird in Franken die Domina angebaut, eine Neuzüchtung, die eigentlich durch Beimischung als Deckwein dünnen deutschen Spätburgundern eine kräftige Farbe geben sollte. Es stellte sich aber heraus, dass sich daraus rauchige Begleiter zu Wild und Braten bereiten lassen, eine Eigenschaft, die sich aus der 2008 Würzburger Pfaffenberg Domina Qualitätswein trocken herausschmecken ließ.
Den Abschluss machte die 2007 Würzburger Stein Rieslaner Spätlese edelsüß, eine Weinspezialität, die einer kräftigen Säure eine nicht minder kräftige Süße entgegen setzte.

Schatzkammer, Fuder und Barriques: Die historischen Schätze des Bürgerspitals wurden im zweiten Weltkrieg zerstöt.

4 Kommentare:

  1. Übrigens gibt es mit den Bürgerspital-Weinstuben unter gleicher Adresse noch ein wunderbar uriges Restaurant, in dem Küchenchef Alexander Wiesenegg, ein junger Eurotoques-Chef mit großer Sterne-Erfahrung, neben astreinen Blauen Zipfeln und fränkischen Schlachtplatten seinem ehrwürdigen Familienbetrieb auch mit avancierter regionaler und mediterraner Hochküche alle Ehre macht.
    Das hat man sich auch redlich verdient, wenn man in Würzburg aus dem ICE steigt, denn eine in Bahnhofs- und City-Nähe so hässliche Stadt (kriegs- bzw. wiederaufbaubedingt) habt Ihr noch nicht gesehen. Da kommt dann so ein Bocksbeutel Silvaner zum Schöntrinken gerade recht, übrigens auch im nicht minder empfehlenswerten Juliusspital, dessen Kücher aber deftiger ist.

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  3. Ich sag nur:Woooooooouuuuuu!
    Und ganz besonders bewundere ich die Frauen und Männer, die sich nach dem Krieg -und das in einigen Städten Deutschlands- für einen Neuaufbau nach alten Plänen entschieden haben. Das war Weitsichtigkeit!!
    Mich hat die Altstadt von Würzburg beeindruckt. Und dann noch die Weinkeller!
    Leider haben die Stadtplaner im Revier vollkommen anders gedacht! Und das noch bis weit in unsere heutige Zeit. Zumindest in BO.

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  4. @mvo: Damit hast Du sicherlich Recht, ich wollte auch nicht Würzburg dissen, sondern hatte beim ersten Besuch eine vorgefasste romantische Meinung, die mir Barock-Seligkeit verhieß und Karstadt brachte. Nix für ungut, aber der erste Eindruck, vom Hauptbahnhof kommend, ist verheerend.
    Nachdem gerade Helmut Kohls Jubelarie im ZDF gelaufen ist, will ich Dir Dein "Frauen und Männer"-Pathos nachsehen. Wir wollen hier auch sicher nicht diskutieren, wie unsere Städte nach dem Krieg aussahen; als Ruhrgebietler (in Bochum und Herne aufgewachsen) ist man da eh Schlimmes gewohnt.
    Beste Grüße aus Dortmund: Perik.

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