Stefan Michel: Fleisch fürs Klima. Ein neuer Blick auf Artenschutz, Tierhaltung und nachhaltige Ernährung.
Oekom Verlag. 280 Seiten. ISBN 978-3-98726-001-8. 22 Euro. Auch als E-Book erhältlich.
Ich erinnere mich noch gut an einen Fernsehbericht über einen Landtagswahlkampf vor ein paar Jahren. Da stand ein Vertreter der Tierschutzpartei auf einem Ziegenhof, umringt von den witzigen behörnten Viechern, die neugierig in die Kamera lugten und geradezu unverschämt Futter und Streicheleinheiten von dem Mann einforderten. Und der postulierte in diesem charmanten Chaos ganz cool ein Ziel seiner Partei: die tierlose Landwirtschaft. Ich fand das nur absurd und wenig überzeugend. Merkte der Politiker gar nicht, dass er damit die Vernichtung genau der Idylle forderte, mit der er warb?
Sicher, dass es mit dem hemmungslosen Fleischkonsum, wie er sich in den letzten Jahrzehnten in unserer Wohlstandsgesellschaft herausgebildet hat, nicht so weiter gehen kann, müsste jedem mittlerweile klar sein. Zu sehr belastet die intensive Produktion von Fleisch als Lebensmittel die Umwelt, zu sehr ignoriert die Massentierhaltung jegliche Ethik und Empathie mit der Kreatur. Doch ich glaube, mit der Forderung, den Nutztieren die Basis ihrer Existenz, den Nutzen für den Menschen als Nahrungsmittel, zu entziehen, tut man ihnen bestimmt nichts Gutes. Tierschutz ist das für mich nicht, ganz im Gegenteil. Eine nachhaltige Tiermast und ein mäßiger Fleischkonsum scheinen mir da für Tierwohl und Klima- bzw. Umweltschutz wesentlich effektiver. Und ganz nebenbei wird damit auch meine romantische Ader befriedigt. Ich mag ganz einfach das Bild von Kühen auf der Weide – Kitsch hin oder her.
Umso mehr freue ich mich über das Erscheinen des Buches „Fleisch fürs Klima“ von Umweltjournalist Stefan Michel. Schließlich liefert es eine ganze Reihe von stichhaltigen Argumenten, die mich in meiner Auffassung bestätigen und darüber hinaus noch zahlreiche Fakten, die ich so noch nicht kannte. Tierhaltung ist, so Michel, für den Klimaschutz geradezu notwendig. Denn nur durch Beweidung lässt sich jenes Grünland erhalten, das für ein ökologisches Gleichgewicht so wichtig ist und um „die Menschheit ernähren zu können, die Artenvielfalt zu erhalten und das Erdklima zu schützen“. Und so hat er auch gegen den Verzehr des Fleisches, das bei dieser nachhaltigen Tierhaltung entsteht, nichts einzuwenden.
Darüber hinaus setzt sich der Autor mit einer ganzen Reihe von Aspekten des Umgangs mit dem Lebensmittel Fleisch ein. Er illustriert seinen Text z.B. mit zahlreichen Porträts von Tierhaltern und ihren Problemen, vom Schlachten mit Kugelschuss bis zur Vermarktung von Wolle und der Sinnhaftigkeit von Bio-Zertifikaten für Wanderschäfereien. Er zeichnet ein kritisches Bild der deutschen und europäischen Agrarpolitik als Wurzel vieler Fehlentwicklungen, schildert drastisch die Zustände in der Massentierhaltung oder geht der Frage nach, ober der Mensch sich wirklich vegan ernähren kann.
Dem Autor ist durchaus bewusst, dass nicht alle Nutztierarten wirklich nachhaltig gehalten werden können. Überraschenderweise sind es gerade die „kleinen“ Tiere wie Hühner, Gänse und anderes Geflügel oder Kaninchen, bei denen es aufgrund ihrer Fressgewohnheiten kaum geht. Oder auch Schweine, die letztendlich das fressen, was auch der Mensch direkt zu sich nehmen könnte. Für die nachhaltige Tierhaltung eignen sich besonders jene Tiere wie Schafe, Ziegen und Rinder, die sich fast ausschließlich von Gras und Pflanzen ernähren, die der Mensch nicht essen kann. Besonders überraschend fand ich, dass ausgerechnet die das Treibhausgas Methan rülpsenden Rinder klimaneutral sind. „Anhänger*innen der These, die Kühe seien für das Methanproblem verantwortlich, verbreiten gefährliche Desinformation“, zitiert Michel den australischen Klimaforscher Walter Jehne. Die wahren Verursacher der Methankrise hätten „Gruppen wie die Veganer für ein fehlgeleitetes Engagement“ vor ihren Karren gespannt und könnten so unbehelligt „ihre dominanten Emissionsaktivitäten“ fortsetzen.
Das Fazit des Buches ist also „Richtig Fleisch essen“. Das bedeutet natürlich keinen Freifahrtschein für die nächste Grillorgie, sondern drastisch geringeren Fleischgenuss aus artgerechter Weidehaltung. Denn nur diese Kombination von Tierhaltung und Grünlandwirtschaft bringt die positiven Effekte fürs Klima mit sich.
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