Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Hier müsste man Stammgast sein! Das an Gaumenfreuden erfahrene Ehepaar am Nebentisch ist äußerst entzückt, als Valter Ornatelli ihm eine Flasche von jenem Wein als verspätetes Neujahrsgeschenk überreicht, den es schon so oft mit Genuss gemeinsam in der familiären Atmosphäre des La Frasca getrunken hat. Denn zu Hause mag sie die Weine nicht, die er bevorzugt, besonders nicht die alten Bordeaux’, die er im Keller hat und deshalb immer alleine trinken muss. Warum sagt der gute Mann mir nicht einmal Bescheid?
Mittlerweile hat Frau Ornatelli mit resoluter Attraktivität das Gespräch übernommen, während ihr Mann sich wieder mit dem demütigen Lächeln des Küchen-Kreativen den anderen Gästen widmet. Ich überfliege schnell die preiswerten Mittagsangebote auf der Tafel und die Pizzaliste auf der Karte, mit denen Valter Ornatelli die kulinarischen Grundbedürfnisse der dicht bewohnten Nachbarschaft solide befriedigt, ignoriere sträflicher Weise die köstlich anzusehenden Auslagen in der gut gekühlten Vorspeisenvitrine, um mich dann für eine den Temperaturen entsprechenden winterlichen Speisenfolge zu entschließen.
Die halbe Portion mit Trüffeln gefüllter Agnolotti (EUR 6,50, normal EUR 9,50) ist allerliebst. Die kaum daumennagelgroßen frischen Nudeln, die sich lustig in dem tiefen Teller tummeln, verströmen das intensive Aroma des edlen Pilzes und sind mit einem Hauch Parmesan angenehm geschmacksverstärkt. Der offene Cabernet Sauvignon (0,25 l EUR 3,90) passt dazu ausgezeichnet.
Überrascht werde ich dann von dem in Rotwein geschmorten Tafelspitz (Manzo brasato alla lombarda, EUR 14,50). Die drei Scheiben des mürben Rindfleischs haben einen tadellosen Biss und sind mit einer schwarzroten, fast bis zur Überwürzigkeit eingekochten Sauce überzogen. Aber als Beilage liegen drei dicke mit einem Hauch Bechamelsauce verfeinerte Stangen Spargel daneben. Im Prinzip nicht übel, aber mitten im Januar? „Der kommt aus Kalifornien“, klärt mich Valter Ornatelli über die untypische Jahreszeit für die Verfügbarkeit dieses Gemüses auf. Doch wem will er nur mit so einer kulinarischen Allmachtsphantasie imponieren? Ich würde mir lieber eine der Saison entsprechende Beilage wünschen, vielleicht Fenchel, zumal der Spargel durchaus etwas holzig ist. Außerdem kann ich Spargel als regionale Spezialität in ausgezeichneter Qualität im Frühsommer geradezu exzessiv zu mir nehmen.
Zum Abschluss beschwichtigt allerdings der köstliche Nachtisch, eine mit roten Früchten aromatisierte Panna Cotta (EUR 4,80), rasch meine nicht wirklich tief empfundene Empörung.
Dortmund, Märkische Str. 182