Dienstag, 17. Januar 2006

Aus dem Archiv: Bonsmann’s Hof - Westfälische Elegie

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2006/2007".

Es ist jetzt zwölf Jahre her, seit ich das Landhotel Bonsmann’s Hof zum ersten Mal als Restauranttester besucht habe, und mir kommt es vor, als ob die Zeit stehen geblieben sei. Noch immer beherrscht ein beruhigendes Lindgrün den großen, nach Art des niederen Landadels fein eingerichteten Gastraum im Anbau des 200 Jahre alten Fachwerkhauses. Der davor gesetzte Wintergarten hat hingegen ein rustikales, bäuerliches Ambiente. Alles strahlt mit der gedämpften Aura des viel Benutzten, aber liebevoll Gepflegten. Die tief stehende Wintersonne scheint durch die Fenster und verbreitet eine geradezu elegische Atmosphäre, die im Gegensatz zur Geschäftigkeit des jugendlichen, familiär gewandten Servicepersonals steht. Auch der große Parkplatz vor dem Haus macht deutlich, dass hier in der Regel mehr los ist als an diesem Montagmittag. Besonders sonntags kommen viele Stammgäste wegen der besonderen Menükarte und haben ihre festen Tische.

Bonsmann’s Hof ist Mitglied der Aktion „NRW kulinarisch“ und hat sich der westfälischen Küche verschrieben. Neben der Standardkarte, die auch den Bedürfnissen des Hotelbetriebs Rechnung trägt und eine knappe englische Übersetzung aufweist, gibt es eine wechselnde Saisonkarte. „Gut durch den Winter“ lautet deren Motto beim Testbesuch Anfang des Jahres und bietet deftige Gerichte wie „Kümmelsteak vom westfälischen Landschweinrücken auf geschmortem Wirsing mit Bratkartoffeln“ (EUR 14,00) oder „Knuspriger Gänsebraten (nur von ganzen Gänsen) mit Grünkohl und Bratkartoffeln“ (EUR 19,00). Ich entscheide mich für „Zarte Lammfilets auf Dicke Bohnen mit Bratkartoffeln“ (EUR 22,50) und bin überrascht. Nicht die geringste mediterrane Assoziation drängt sich auf. Die drei Lammfilets, von denen nur das dickste innen rosa ist, stellen sich westfälisch stilecht als knoblauchfreie Zone dar, und auch bei den Würzkräutern der Bohnen handelt es sich nicht etwa um die südfranzösischen Garrigue-Aromaten Thymian oder Lavendel, sondern um Petersilie und das gute alte Bohnenkraut, durch das Bohnen einfach nur nach Bohnen schmecken. Der offene badische Spätburgunder(0,2 l EUR 4,90), den ich mir dazu bestellt habe, passt ganz passabel, doch bietet die umfangreiche Weinkarte eine ganze Reihe weiterer deutscher und internationaler Spezialitäten, darunter gleich zwei sündhaft teure Bordeaux’ mit dem klingenden Namen Rothschild: den Mouton und den Lafite. Als Vorspeise hatte ich mir die hübsche „Suppentrilogie“ (EUR 7,50) bestellt, und in drei Mini-Löwenkopfterrinen samt Sesamstange und Kaffeelöffelchen wurden eine „Festtagskraftbrühe“ mit Eierstich und Gemüse, eine Fischrahmsüppchen mit Safran und Fenchel und eine Zucchinicremesuppe serviert. Ein gelungener variantenreicher Einstieg.
-kopf

Herdecke, Wittbräucker Str. 38
Fon 0 23 30.7 07 62
Mi-Sa 12-15 & 17.30-22 Uhr, So 12-15 & 17.30-21 Uhr. Mo, Di geschlossen.
https://bonsmannshof.de/

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