Dienstag, 10. Januar 2006

Aus dem Archiv: Haus Goldschmieding - Revier für Schnäppchenjäger

Der Text war geschrieben für "Dortmund geht aus 2006/2007".
Das Restaurant ist geschlossen.


„Haben Sie einen Gutschein?“ Eine Spur zu lautstark hallt diese Frage durch das Kaminzimmer vom Haus Goldschmieding, das am späten Abend zum Glück nur noch spärlich besetzt ist. Woran mag der Kellner bloß erkannt haben, dass wir keine normalen Gäste sind? An meinem billigen Aftershave aus dem Supermarkt? Oder an dem bei e-bay erstandenen gebrauchten Markenschuhwerk meiner Begleitung? Oder ist die gehobene Gastronomie im Ruhrgebiet so auf den Schnäppchenjagd-Hund gekommen, dass jedes unbekannte Gästepaar gleich als Schnorrer verdächtig ist?

Dabei verbreitet die antike Einrichtung des Schlösschens mit dem eindrucksvollen Renaissancekamin eine ganz andere, gediegene Jagdatmosphäre. Einst als Sommerresidenz des aus Irland stammenden Schlotbarons Mulvany eingerichtet, erinnert der biedermeierliche, hochherrschaftliche Speisesaal sofort an die letzte Jane-Austen-Lektüre.

Saisonbedingt beherrschten bei unserem Besuch neben westfälischen und klassischen Gerichten Wildgerichte die Speisekarte. Dass ein Fasan nicht zu den saftigsten Braten gehört, war zu erwarten. Doch man sollte erwarten können, dass bei dem stolzen Preis von EUR 25,50 für „Geschmorten französischen Fasan auf Champagnerkraut mit glacierten Trauben und Mousselinkartoffeln“ die Küche jene seit Jahrhunderten bekannten Techniken beherrscht, mit denen man dieses Manko des Wildgeflügels bewältigt. Auch die „Galantine von der Nanteiser Ente auf Quittenkompott mit kleinem Salatbukett“ (EUR 10,50) überzeugte als Vorspeise wenig. Der Mantel aus Entenfleisch war so fest, dass er sich kaum schneiden ließ, und die Füllung war eine allzu kompakte, wenig luftige Masse. Ausgezeichnet hingegen war der „Zopf vom schottischen Lammrücken auf weißem Bohnenpüree, Lavendeljus und blauen Kartoffelkrapfen“ (EUR 26,90), butterzart und in der Präsentation auch hübsch anzusehen. Im „Aufgeschlagenen Kürbiscremesüppchen auf Quitten und Hummermedaillon“ (EUR 10,50), als Vorspeise durchaus pikant und schmackhaft, hätte man sich über etwas mehr Hummer gefreut. Zum Abschluss teilten wir uns eine „Dessertvariation Goldschmieding“ (EUR 10,50), einen Streifzug durch die süßen Nachtische des Hauses, der aber kaum einen geschmacklichen Nachhall hinterließ. Überhaupt: Vom ganzen Menü blieb später nur der Duft der offenen Weine in Erinnerung (Tempranillo 0,2 l EUR 6, Bordeaux 0,2 l EUR 8).

Als die Rechnung für das durchwachsene Menü kam, hätten wir uns durchaus gewünscht, einen Gutschein gehabt zu haben. Denn der Spesensatz als Tester für „Dortmund geht aus“ reichte bei weitem nicht aus, das gar nicht mal so üppige Mahl zu begleichen.

-kopf


Castrop-Rauxel, Dortmunder Str. 55

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