Freitag, 17. Juli 2009

Aus dem Archiv: La Cena - Siesta mit Freddy Mercury

Das Restaurant ist geschlossen. Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2020"

Die Sonne lastet brütend auf dem Asphalt vor dem kleinen Kellerrestaurant. Vor der Tür sitzt lässig der Patron, der aussieht, als sei Freddy Mercury wiederauferstanden, und hält Siesta. Um das südliche Déjà-vu zu vervollkommnen, vermisst man irgendwo ein paar krausköpfige Straßenbengel, die sich zur Unterhaltung mit faulen Zitronen und Orangen bewerfen. Aber soweit sind wir noch nicht am Haumannplatz, gegenüber von Polizeiwache und Landgericht.

Bei dem Laden handelt es sich nicht um eine sizilianische Dorfkneipe, sondern um La Cena, ein geschmackvoll eingerichtetes, kleines Restaurant, das seinen Namen vom Leonardo-Gemälde „Abendmahl“ ableitet. Freddie Mercury heißt in Wirklichkeit Rui Costa, ist Portugiese und einer der begnadetsten Köche für mediterrane Gerichte im Ruhrgebiet.

„Die Karte hat er aber auch schon seit Jahren“, meint Manfred, den ich als Sekundanten für das Testessen mitgenommen habe, beim Blick auf den gelben, übersichtlichen Speisezettel. Er muss es ja wissen, schließlich versüßt sich der gewiefte Feinschmecker den Ruhestand damit, dass er u.a. die Speisekarten aller besseren Restaurants der Gegend abisst. „Was haben Sie denn sonst noch?“, fragt er, und Rui antwortet mit dem gefährlichen Phlegma eines Scharfschützen im Italo-Western: „Es ist Ferienzeit. Da kaufe ich nichts dazu.“

Eine nicht minder phlegmatische blonde Bedienung, die nie da ist, aber mit sicherem professionellen Gespür auftaucht, wenn man sie braucht, bringt Brot mit einer Frischkäsezubereitung und wenig später als Amuse Bouche ein Espresso-Tässchen erfrischenden Gazpacho aus pürierten Tomaten und Gurkenstückchen. Und wir müssen entscheiden.

Ich habe noch eine fantastische Fischplatte in Erinnerung, die ich vor einiger Zeit hier verzehrt habe und die für mich nach wie vor als Referenzmodell für dieses Gericht in meiner persönlichen Werteskala gilt. Doch die finde ich der Karte leider nicht wieder. Also nehme ich Loup de Mer auf portugiesische Art aus Wildfang (26 Euro) und als Vorspeise Grünen Spargel mit Salbeibutter und Parmaschinken (12,50 Euro). Manfred nimmt Pulpo auf mediterrane Art (13,50) als Vorspeise und als Hauptgericht Trofie Amatriciana (11,50 Euro), kleine spiralförmige Nudeln. Ich blättere die Weinkarte durch und finde eine ansprechende Auswahl an italienischen und portugiesischen Flaschen, doch wir entscheiden uns ganz volkstümlich für die beiden offenen weißen Angebotsweine aus Portugal (0,2l 4 Euro).

Und wieder finden wir uns in einem Déjà-vu von einem Kellerlokal in Cetara an der amalfitanischen Küste oder sonstwo wieder. „Zart“, staunt Manfred, „einfach nur zart“, und reicht mir seinen Pulpo zum Probieren hin. Tatsächlich, den Tintenfisch kann ich mit der Zunge am Gaumen zerdrücken, und der ganze Meeresfrüchtesalat ist wunderbar abgeschmeckt und nicht etwa kalt einer Vorspeisenvitrine entnommen, sondern lauwarm in einer Pfanne frisch zubereitet. Selbst mein banaler Spargel schmeckt fantastisch, der luftgetrocknete Schinken ist edel und auf der richtigen Geschmacks-Temperatur. „Das ist hier garantiert kein Lebensmittel-Ersatz“, staunt Manfred weiter, als er seine Pasta probiert. Tatsächlich sind seine Trofie Amatriciana so klassisch und einfach wie von einer italienischen Mama zubereitet: mit kräftig durchwachsenem Kernspeck und Tomaten. Auch mein Loup de Mer ist klassische portugiesische Hausmannskost. Zwei herrlich duftig gebratene Stücke Fisch, genauso perfekt wie einst auf der Fischplatte, überzogen mit einer Art Eintopf aus kleinen Tomaten-, Paprika- und Kartoffelwürfeln, mit Korianderkraut leicht exotisch abgeschmeckt. Allein die Kartoffeln sind eine Wucht. Obwohl mehlig und auf der Zunge zerfallend, behalten sie auf Teller und Gabel die Form.

Das Dessert holt uns dann wieder aus dem mediterranen Déjà-vu zurück in die Rüttenscheider Wirklichkeit. Ein Teller mit Mousse au Chocolat, Walnusseis, Panna Cotta und Früchten (8,50 Euro) war zwar lecker, hätte man aber auch woanders essen können.

Als wir das Lokal verlassen, sitzt Rui, der die wenigen Gäste heute Abend schon längst glücklich abgespeist hat, wieder vor seinem Laden in der untergehenden Sonne. „Haben Sie die Nudeln selbst gemacht?“, frage ich ihn, und er antwortet mit dem coolsten Freddy-Mercury-Grinsen: „Ich bin Portugiese. Da habe ich eine Frau, die das für mich macht.“

-kopf

Essen-Rüttenscheid, Haumannplatz 32

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