Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2009/2010".
Das Restaurant existiert in dieser Form nicht mehr. Das Hotel
Handelshof gehört heute (2024) zu den Select Hotels der NOVUM
Hospitality und bietet nur noch ein Frühstücksrestaurant.
Den wilhelminischen Bau des Mövenpick Hotels Essen, der den Bahnhofsvorplatz in der Essener City so prachtvoll dominiert, kann man getrost als das Adlon der Stadt bezeichnen. So stellt man sich ein Grand Hotel vor, wuchtig und gediegen, und unter dem Namen Handelshof hat das Haus Essener Gastronomiegeschichte geschrieben. Vor dem ersten Weltkrieg war hier der Vater des Volksschauspielers Heinz Rühmann Hoteldirektor, und dass der Bau den zweiten Weltkrieg überstanden hat, grenzt fast an ein Wunder. Heute gehört das Hotel zur Mövenpick-Kette, und nicht nur deren Herkunft aus der Schweiz, dem Mutterland aller Hotelannehmlichkeiten, garantiert jeden modernen Komfort.
Das Hotel-Restaurant firmiert noch heute unter dem traditionsreichen Namen Handelshof, und die Küche hält das, was die Erfahrung eines internationalen Gastro-Konzerns verspricht. Kein Gast verlässt das Haus, ohne das es ihm schmeckt, egal von woher er kommt und welches Essen er gewohnt ist. Stolz ist man auf die eidgenössische Herkunft, die diese Welt-Norm geprägt hat. Gerichte wie Nüsslisalat mit gebratenen Waldpilzen (7,75 Euro), Eglifilets in Butter gebraten (14,85) oder Zürcher Geschnetzeltes vom Kalb (12,50 Euro) sind auf der Speisekarte mit kleinen Schweizer Flaggen markiert.
Liegt es am segensreichen Einfluss der Kulturhauptstadt RUHR.2010 liegt oder am haustypischen Standard? Jedenfalls gibt es für ausländische Besucher auf der Karte eine englische Übersetzung der Gerichte und als Tribut an die Region ein Ruhrmenü (3 Gänge 31 Euro).
Was denn an dem Menü ruhrgebietstypisch sei, möchte ich vom Kellner wissen, der mich mit einer zum Haus passenden, an die charmante Geflissenheit der Thomas-Mann-Figur Felix Krull erinnernden Perfektion bedient. „Ein gute Frage“, meint er schlagfertig, „da werde ich in der Küche einmal nachfragen.“ Kurz darauf kommt er zurück und gibt eine kurze wie erschöpfende Auskunft: „Die Komponenten des Menüs sind von hier.“
Nun denn, am gebratenen Forellenfilet mit Feldsalat in Balsamico-Dressing als Vorspeise ist nichts auszusetzen und ich mutmaße gutwillig, dass der Fisch aus dem Sauerland stammt, was ich vom Balsamico allerdings nicht hoffen will. Der Salat ist superfrisch, der Fisch tadellos à point gebraten, nur das Dressing hat eine Schärfe, die mich an eine internationale Imbisskette erinnert. Der Hauptgang trifft dann mitten ins Herz - jedenfalls die Gemüsebeilage, sorgsam in Würfel geschnittene Karotten und Kohlrabi wie sonntags bei Muttern und zusammen mit der Bratensauce und den in einer Extraschale gereichten Bratkartoffeln auch genauso lecker. Darauf thronen zwei Medaillons vom Schweinefilet im Format von Regina Hallmichs rechter und linker Faust, innen saftig und außen hellbraun. Eine solch ordentliche Portion Schwein hätte es zu Hause auch gegeben, aber kein Filet, sondern Rollbraten, und den garantiert nicht rosa. Der Nachtisch, Grießpudding mit Erdbeersalat, füllt mich dann vollends ab. Besorgt hat Felix Krull vorgeschlagen, vor dem Servieren ein paar Minuten zu warten – zur Entspannung des Verdauungstraktes.
Als ich den letzten Rest meines empfohlenen südafrikanischen Sauvignon Blanc von Iona Wines (0,2l 7,70 Euro) austrinke, bin auch ich wie jeder internationale Gast glücklich. Und ich weiß, dass das Ruhrmenü, sollte es in dieser Form im Herbst 2010 noch angeboten werden, dann ganz genauso ausfallen wird.
-kopf
Essen-City, Am Hauptbahnhof 2
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen