Der Text erschien erstamls in "Essen geht aus 2012"
Das Restaurant gibt es seit 2024 (?) nicht mehr.
So auffällig man als auswärtiger Gast im „Kanonier“ ist, so herzlich wird man hier, im hohen Essener Norden, empfangen. Dafür sorgt schon Heiner Weller, der seit über 25 Jahren den Traditionsladen in Altenessen führt. In Familienbesitz ist er schon seit einem ganzen Jahrhundert, und die Geschichte des Ruhrgebiets lässt sich an dem historischen Bau wie an den Jahresringen eines Baumes ablesen. Ursprünglich war die Kneipe eine Böttcherei, die Fässer für Stauder und andere Brauereien fabrizierte, später kamen die Kumpels vom nahen Pütt nach der Schicht vorbei, um hier ihr Bier und ihren Kurzen zu zischen, sei‘s im Schankraum oder an der Klappe. Den Pütt gibt es schon lange nicht mehr, stattdessen hat in unmittelbarere Nähe die A42 samt einer Autobahnausfahrt ihre Bresche geschlagen.
Und das Angebot hat sich geändert. Mit dem Verschwinden des Pütts wurden die Kumpels Knappschaftsrentner, und die hatten Ansprüche und was von der Welt gesehen. Als Heiner Weller den Laden von seinem Onkel übernahm, war ihm klar, was er ändern musste. Er machte aus der Kneipe ein Speiserestaurant. Gelernt hatte er bei einer Steakhaus-Kette, und noch heute schwärmt er davon, wie man sich den 1970-er Jahren mit gegrilltem Fleisch in der Essener Innenstadt eine goldene Nase verdienen konnte. Und im Urlaub auf Ibiza hatte er die spanische Küche kennen gelernt. So war es kein Wunder, dass er im historischen Ambiente des „Kanonier“ eine Art Steakhaus mit spanischer Note etablierte – und seitdem den Nerv der Kundschaft trifft. Nicht umsonst hat Herbert Knebel den „Kanonier“ einmal als sein Lieblingsrestaurant bezeichnet.
Denn das Fleisch, das er eigenhändig in der Küche zubereitet, ist wirklich klasse. Ob Hüft- (220 g 11,90 Euro) oder Rumpsteak (220 g 13,50 Euro), ob Rib Eye (250 g 13,80 Euro) oder Filetsteak „Gärtnerin“ (200 g 19,90 Euro, mit Pommes und Gemüse), immer ist es tadellos gebraten oder gegrillt. Beilagen gibt es extra dazu, auch verschiedene Salatvariationen. Fisch gibt es natürlich auch. Es lohnt sich auf, die Heiners Empfehlung zu hören. So konnte ich ein US-Steak aus dem „Herzen der Hüfte“ probieren, herrlich zart und saftig und mit Fleur de Sel serviert. Dazu gab es Rosmarin-Kartoffeln und einen gemischten Salat (17,80 Euro). Als Vorspeise hatte ich mir einen Klassiker des „Kanoniers“ genehmigt, die Hummerrahmsuppe mit Garnelen und Sahnehaube (4,90 Euro), und zum Nachtisch Rote Grütze mit Vanilleeis (5 Euro). Eingeleitet wurde dieses deftig-reelle Essen von einem spanischen Ritual. Als Aperitif gab es einen weißen Sherry, und zum Brot eine großartige selbst gemachte Aioli und einer Tomaten-Paprika-Paste. Auch so kann authentische Ruhrgebietsküche aussehen.
Gemischter Salat
Wie der nächste kulinarische Jahresring im „Kanonier“ aussieht, lässt sich nur schwer sagen. Etwas besorgt betrachtet Heiner Weller die Entwicklung im Stadtteil. „Sehen Sie sich die Leerstände in Altenessen an“, sagt er. In der Tat: auch die Ära der gut versorgten Knappschaftsrentner geht langsam dem Ende entgegen.
-kopf
Essen-Altenessen, Heßlerstr. 63
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