Dienstag, 25. September 2012

„Essen geht aus“ 2013 erschienen

Genuss trifft Fußball: Michael Lübbert (Schloss Hugenpoet), Herwig Niggemann (Niggemann Food Frischemarkt), Sven merten (Überblick-Verlag), Michael Köster (Schefredakteur "Essen geht aus") und Axel Stauder (Privatbrauerei Stauder) beim Kickern.
(Foto: Michael Alisch)

Der Genießer hätte nie gedacht, dass er in der Eigenschaft als kulinarischer Berichterstatter auf seine alten Tage noch zum Stammgast in den VIP-Bereichen der Fußballstadien im Revier würde. Gestern verschlug es ihn in die Räumlichkeiten des neuen Stadions von Rot-Weiß Essen an der Hafenstraße in Altenessen. In der mit modernem Mensa-Chic eingerichteten Lounge mit bester Aussicht auf das Spielfeld fand die Präsentation der elften Ausgabe des Restaurantführers Essen geht aus“. Zu verdanken war diese Unterstellung der schönhaarigen nordischen Genuss-Göttin Siwa unter den Primat des Fußballgottes sicherlich dem neuen „Essen geht aus“-Chefredakteur Michael Köster, der wie auch Sven Merten, der Geschäftsführer des neuen Überblick-Verlages, ein begeisterter Fußballfan ist. 

Chefredakteur Michael Köster (Foto: Michael Alisch)

Michael Köster hat die Chefredaktion des Heftes von Peter Erik Hillenbach übernommen, der sich weiterhin um die Schwesterblätter „Bochum“ und „Dortmund geht aus“ kümmert. Während Hillenbach seine journalistische Sozialisation in der in der eher schrägen Stadtmagazin-Szene des Ruhrgebiets erlebte, konnte Köster seine Erfahrungen in der Essener Gastronomie als langjähriger Lokalredakteur von Mütterchen WAZ sammeln. So macht die 2013er Ausgabe von „Essen geht aus“ beim Durchblättern einen grundsoliden, vielleicht sogar braven Eindruck. Die wertenden Ranking-Tabellen bieten nur wenige Überraschungen. Auf den ersten drei Plätzen der Top Ten „Gourmetrestaurants“ stehen, wen wundert‘s, die drei Sternerestaurants der Stadt: auf Platz 1 Berthold Bühlers „Résidence“ (2 Sterne) mit beiden Eri©ks Arnecke und Werner am Herd, auf Platz 2 das „Nero“ im Schloss Hugenpoet mit Erika Bergheim und auf Platz 3 die „Schote“ des singenden Fernsehkochs Nelson Müller (je 1 Stern). Das ist völlig korrekt, aber vielleicht schwimmt man sich bei „Essen geht aus“ doch noch einmal von den Klassifizierungen des großen Vorbilds Michelin frei. Aber was will man machen, wenn’s stimmt.

 Die Lektüre der fast 300 professionell und amüsant geschriebenen Restaurantkritiken ist jedoch richtig spannend und macht klar, dass Essen nicht nur eine kulinarische Metropole im Ruhrgebiet, sondern in der ganzen Bundesrepublik ist. Doch mit Kritik wird nicht gespart. So wird z.B. bei der „Villa Vue“, dem neuen Restaurant des TV-Komödiantin Mirja Boes, die wunderschöne Renovierungsarbeit gelobt, das Essen bekommt jedoch ohne jeden Promi-Bonus sein Fett ab. Neu ist die Top Ten „Mülheims Beste“, die die Restaurants in der Nachbarstadt Essens beleuchtet.

Acht Essener Köche präsentierten das Heft und ihre Kochkunst.
(Foto: Michael Alisch)

Bei der Präsentation im Essener Stadion hatten acht Gastronomen Gelegenheit, die Gäste mit Beispielen ihrer Kunstfertigkeit zu verwöhnen. Zu guter Letzt spendierte die RGE, die die Gastronomie im Stadion betreibt, mit dem „Stadion-Lolli“ jenes Gericht, mit dem der kulinarische Genuss beim Fußball untrennbar verbunden ist: `ne Currywurst.

Suvad Memovic (Parkhaus Hügel):
Gänseleberparfait mit Passionsfrucht, Banane und Erdnuss
Exotischer Ritt durch die Aromen  

Andreas Mattern (Jagdhaus Schellenberg): Hirschrücken in Meersalz gebeizt
So elegant kann ein Jagdhaus sein

Erika Bergheim (Nero): Oktopus mit Avocado und Wildkräutern
Lässig arrangierte Säuerlichkeit

Hatim Salim Srour (La Grappa):
Gnocchi gefüllt mit Steinpilzen und Mozzarella in Trüffelcrème
Mal wieder auf Nummer Sicher gegangen

Erik Arnecke und Eric Werner (Résidence):Gedämpfte Fjordforelle – Soja, grüne Spergelcrème, Pak Choi
Filigranes aus dem Aromenbaukasten

Helene Gummersbach (Gummersbach):Französische Wachtelbrust, Salat von Castlluccio-Linsen,
Balsamico & Schalotten-Himbeer-Spuren
Ganz schön deftig

Knut Hannappel (Hannappel):
Thunfisch asiatisch gewürzt
Der Favorit des Genießers

Philipp Leo (Kölner Hof):Würfel von Schokolade und Arabicabohne mit Gewürzmacaron
Lustiger Nachtisch

RGE: Stadion Lolli
Tribut ans Stadion

Essen geht aus 2013. 236 Seiten. Zeitschriftenformat. 6,90 Euro. Erhältlich in Essen an guten Kiosken, in Buchhandlungen und hier im Internet.

Montag, 17. September 2012

Aus dem Archiv: Sushi & More - Fernost in Westfalen

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Wer hätte es gedacht, dass ausgerechnet in Wattenscheid einer der besten Sushi-Läden der Region liegt. Man muss die zur Fußgängerzone verkehrsberuhigte Oststraße in eine kleine Seitengasse verlassen, um in den Innenhof eines im westfälischen Fachwerkstil erbauten Hauses zu kommen. Hier, in dieser nicht gerade asiatisch anmutenden Umgebung, produziert die Familie Kim die traditionellen japanischen Häppchen, bietet aber auch eine Reihe Gerichte aus ihrer koreanischen Heimat an. Bei schönem Wetter kann man auch draußen sitzen.

Zahlreiche Bochumer haben bereits in den Sushi-Kursen von Koangmin Kim gelernt, wie man perfekte Nigiri und Maki herstellt. Legendär ist sein Versuch, ein Riesen-Maki aus 600 Kilo Rohreis herzustellen, der auch im Fernsehen übertragen wurde. Für Nigiri-Sushi wird der Reis mit der Hand zu einer kleinen, zwei Finger breiten Rolle gedrückt und mit Fisch, Meeresfrüchten oder Omelette belegt. Für Maki-Sushi wird der Reis mit einer Bambusmatte um eine weitere Zutat wie etwa Lachs zu einer Rolle geformt und häufig mit einem Blatt aus Seetang, Nori genannt, umhüllt.

Bei unserem Testbesuch war das „Sushi & More“ vor allem von jüngeren Leuten gut besucht. Als das enge Untergeschoss war, wurden die Gäste in die oberen Etagen des Hauses weitergeleitet. Die Grüppchen bestellten meist ein größere Auswahl an Sushi, etwas das „Sushi Garden Spezial“ (46 Euro), das mit seinen fast fünfzig Teilen für zwei Personen vorgesehen ist. Besonders beliebt sind die Fat Rolls, große Maki-Rollen von gut zwanzig Zentimetern Länge, die sich auf langen schmalen Tellern wie Riesen-Raupen kurz vor der Verpuppung räkeln.

Uns genügte aber ein „Classik-Set“ (15,50 Euro) mit 8 Nigiri und 6 Maki, um uns von der guten Qualität des Sushi zu überzeugen. Dazu gehörte auch eine Miso-Suppe. Die Nigiri waren verschieden mit Shake (Lachs), Maguro (Thunfisch), Ebi (Garnele), Tai (Meerbrasse), Tako (gekochtem Oktopus), Hokigai (Brandungsvenusmuschel)und Ama Ebi (Süßwasser-Garnele) belegt und schmeckten großartig. Selbstverständlich gehörten auch Sojaauce und der scharfe grüne japanische Meerrettich dazu. Die kleinen Maki waren ausschließlich mit Lachs gefüllt und hüpften in den Mund wie die Saltimbocca beim Italiener. Diese Auswahl hatten wir zusätzlich durch vier Gunkan-Sushi ergänzt (Stck. 2,30 Euro). Dafür waren Nori-Blätter zu kleinen runden Schiffchen geformt worden, die mit Meeresalgen, Thunfisch mit Mayo, würzig scharfem Lachs und würzig scharfem Thunfisch gefüllt waren. Sie erinnerten allerdings etwas an gängige Feinkostsalate.

Doch neben den japanischen Spezialitäten wollten wir auch die koreanische Linie der Küche ausprobieren. Also stellten wir uns noch ein traditionelles Menü für eine Person zusammen. Als Vorspeise gab es kleine pikante, mit Kimchi gefüllte Pfannkuchen (4,50 Euro). Kimchi ist ähnlich wie Sauerkraut vergorener Weißkohl, der in Korea zu allem gegessen wird. Den Hauptgang bildete das koreanische Nationalgericht Di Bim Bap, ein im Ofen geschmorte Eintopf mit Reis, Gemüse und Bulgogi, dem hier besonders lecker süß-sauer marinierten koreanischen Rindfleisch. Gekrönt wird dieses biedere Gericht traditionell von einem Spiegelei. Heiß wie eine Lasagne beim Italiener kam es aus dem Ofen und war an diesem ersten kühlen Herbstabend genau das richtige. Als süßen Nachtisch gab es schließlich noch in Teig ausgebackene Apfelringe (3,50 Euro).

-kopf

Bochum-Wattenscheid, Oststr.

Aus dem Archiv: Landhaus im Mailand - Achtung, tief fliegende Golfbälle

Der Text erschein erstmals in "Bochum geht aus 2013".
Das Restaurant ist geschlossen. Zur Zeit (2024) hat der Golfclub Bochum keine öffentliche Gastronomie.

Während der friedliche Wanderer in den Ruhrwiesen von Hattingen-Winz-Baak Schilder mit der Aufschrift „Betreten verboten, freilaufende Auerochsen“ findet, geht es ein paar Kilometer weiter östlich des Flusses nicht weniger gefährlich zu. Hier wird vor tief fliegenden Golfbällen gewarnt, wenn man die Straße „Im Mailand“ verlassen sollte. Schließlich befindet sich in der idyllischen Wiesen- und Waldlandschaft nördlich des Kemnader Sees der weitläufige Golfplatz des Bochumer Golfclubs, und quer geschlagene Bälle haben etwas von scharfen Geschossen.

Zentrum der Anlage ist ein historisches Fachwerkensemble, das neben dem Vereinsheim auch das „Landhaus im Mailand“ beherbergt. Seit Andreas Birk vor knapp drei Jahren die elegant-rustikale Gastronomie übernommen hat, ist sie als öffentliches Restaurant im Bewusstsein der Bochumer ein wenig verschwunden. Der gebürtige Thüringer, der zuvor als Küchenchef in einem Golfclub im österreichischen Salzburg gearbeitet hatte, konzentrierte sich bislang aufs Catering der Clubmitglieder. Dennoch war das Landhaus immer auch für die Öffentlichkeit geöffnet. Bislang fand man die Speisekarte nur auf der Internetseite des Golfclubs, in Kürze soll aber auch eine eigene Homepage freigeschaltet werden.

Ein Besuch lohnt sich allemal. Im Sommer bietet die schöne Terrasse manch schattiges und ruhiges Plätzchen, und mit viel Genuss konnte ich dort im Spätsommer von der normalen Standardkarte Andreas Birks appetitliche Frischeküche mit mediterraner und manchmal auch asiatischer Raffinesse ausprobieren. Als Amuse gueulle gab’s kleine Reibeküchlein mit Lachs, zur Vorspeise knackig sautierte Garnelen mit Aioli und Baguette (7,50 Euro). Für den Hauptgang folgte ich der Tagesempfehlung, die ganz unkompliziert für hungrige Golfspieler gedacht war: Rumpsteak mit gebratenen Steinpilzen und Salat, aber ganz ohne Sättigungsbeilage wie Kartoffeln o.ä. (16,50 Euro). Den Magen füllte schließlich der Nachtisch, ein Erdbeer-Quark-Palatschinken mit Nougatsauce (5,90 Euro).

Wer Andreas Birks kreative Art, mit den Zutaten seiner Standardkarte umzugehen, besser kennen lernen will, sollte sich jedoch freitags anmelden. Da bietet er ein 7-gängiges Degustationsmenü für 48,50 Euro inkl. Weinbegleitung an – aber nur, wenn genügend Leute reservieren. Bei meinem zweiten Besuch hatte ich Glück. Bei frühherbstlichem Wetter war die gemütliche Gaststube mit zwei Gruppen von fünf bzw. 9 Personen gut besetzt und es herrschte eine gesellige Atmosphäre. Mit gewinnendem Charme servierte die Bedienung ein improvisiertes, grundsolide zubereitetes Menü. Nach dem Amuse gueulle, geräucherte Entenbrust auf Kürbis, ging es Schlag auf Schlag weiter: carpaccioartiger Tafelspitz mit marinierten Pfifferlingen, Parmesan und Pesto, gebratene Dorade auf Bouillabaisse-Gemüse, Karotten-Ingwersuppe mit gebratenen Garnelen, Lammfilet und mit Schafskäse gefüllte Zucchini, Linsenrisotto mit Kokos, Curry und gebratener Jacobsmuschel, Filet vom Reh mit Serviettenknödel und Rosenkohl, Vanilleparfait mit frischen Beeren. Die Weine waren aus der knappen, aber durchdachten Weinkarte gut ausgewählt. Als Weißen gab es einen Grünen Veltliner von Gerhardt Markowitsch, als Roten einen Montepulciano d‘Abruzzo „Bucaro“ von Botter.

Kein Gang fiel heraus, alles schmeckte gut und war erfrischend unprätentiös. Hoffentlich erwacht das „Landhaus im Mailand“ aus seinem Dornröschenschlaf. Es würde sich lohnen.
-kopf
Bochum-Stiepel. Im Mailand 127

Sonntag, 16. September 2012

Herbstvergnügen: Hirschmedaillon auf dem Balkon


Sonntag, 18.02 Uhr. Der Altweibersommer bezaubert. Der Genießer kocht wieder. Hurra. Auf dem Teller. Hirschmedaillon mit Steinpilz-Orangensauce, glasierten Wurzelgemüsen und Polentaplätzchen- Im Glas: Chateau Lamothe-Bergeron 2000.  O Mann...

Hirschmedaillons


Freitag, 14. September 2012

Westfalen Gourmetfestival 2012: Sascha Stemberg Gastkoch bei Overkamp



Günther Overkamp-Klein und Sascha Stemberg

Gestern fand der Dortmunder Höhepunkt des diesjährigen Westfalen Gourmetfestivals statt. In der Overkamp Gastronomie präsentierte Gastkoch Sascha Stemberg aus Velbert ein fünfgängiges Festival-Menü unter dem Motto „Bergische bodenständige ‚Hochküche‘ zu Gast auf dem Höchsten“. Dabei interpretierte der Junior-Chef von „Haus Stemberg“ auf witzige Art Klassiker der rheinisch-westfälisch-bergischen Küche, etwa „Himmel und Erde“ mit selbstgemachter Blutwurst und Gänseleberpastete als Vorspeise oder die „Bergische Kaffeetafel“ als Dessert, bei dem die traditionellen Zutaten durch moderne Kochtechniken verfremdet wurden. Höhepunkt des Menüs war zweifellos die „Schweinerei“, Rücken und Bauch vom Bergischen Landschwein. Der Fischgang „Fluss & Meer“, der mit Kabeljau und Räucheraal angekündigt war, irritierte etwas, da der aromatische Aal lediglich zerkleinert als Würze der Petersiliengraupen, auf dem das Ganze angerichtet war, eingesetzt wurde. Der Zwischengang „Wald & Wiesen“, ein Baumpilztee mit Kräuterraviolo, Soja und Gemüsen, war ein kleiner Ausflug in die asiatisch-italienische Fusion-Küche.

Winzer Stefan Lergenmüller

Zu jedem Gang gab es einen Wein von Stefan Lergenmüller, den der extra aus der Pfalz angereiste Winzer fachmännisch vorstellte. 2012er Riesling „Burrweiler Schäwer“, 2011er Sauvignon blanc „Feuerstein“, 2011er Grauer Burgunder „Privatreserve“, 2009er Rotwein „Handschrift“, eine Cuvée aus Cabernet Sauvignon u.a., sowie ein 2011er Gelber Muskateller waren Beispiel dafür, wie deutscher Wein heutzutage schmecken kann.

Das Westfalen Gourmetfestival läuft noch in zahlreichen Restaurants in ganz Westfalen bis zum 4. November 2012. Im Ruhrgebiet finden Veranstaltungen vom 24. bis 30. September im Romantik-Restaurant Lippekus in Werne, vom 8. bis zum 14. Oktober im Restaurant Stockey in Lünen und vom 22. bis 28. Oktober in der Rohrmeisterei Schwerte statt. Genaue Informationen unter www.westfalen-gourmetfestival.de

"Lecka-Bissen von Günther": Stremellachs, Frischkäse, Lauchtarte

"Himmel & Ähd“
Blutwurst mit Apfeltexturen, Gänseleber & Kartoffel

 „Wald & Wiesen“
Baumpilztee mit Wildkräuterraviolo, Soja & Gemüsen

 "Fluss & Meer“
Kabeljau mit Petersiliengraupen, Räucheraal & Röstzwiebelschaum

 „Schweinerei“
Rücken & Bauch vom bergischen Landschwein
mit Karottencreme, Perlzwiebeln & Kräutern

 „Bergische-Kaffeetafel“
Stuten, Pumpernickel, Milchreis, Birne, Kaffee

Mittwoch, 12. September 2012

Kleine Blogpausen-Unterbrechung: Ausflug in den Rheingau mit „Essen genießen e.V.“

Im Weinkeller von Schloss Johannisberg
(Zum Vergrößern auf die Bilder klicken)

Der Genießer lebt – auch wenn das in letzter Zeit hier im Blog nicht so aussieht. Am letzten Montag spürte er es aber deutlich. Da durfte er nämlich einen „Betriebsausflug“ des Vereins „Essen genießen e.V.“ mitmachen, in dem die Gastronomen organisiert sind, die die Gourmetmeile „Essen verwöhnt“ bestreiten.

1. Station: Schloss Johannisberg

Der Genusstrip ging am bisher letzten, betörend schönen Sommertag in den Rheingau. „Essen genießen“-Geschäftsführer Rainer Bierwirth und seine Leute hatten exklusive Besuche in zwei der edelsten Weinkellereien Deutschlands organisiert. Zuerst ging es nach Schloss Johannisberg mit seinen ältesten Riesling-Lagen Deutschlands. Dort wurde der dreihundert Jahre alte Weinkeller besichtigt, der nur für besondere Gäste geöffnet wird, und Vertriebsleiter Stefan Doktor gab eine launige Einführung die die Geschichte und die Weine des Guts. Karl der Große entdeckte bereits vor mehr als tausend Jahren, dass hier ideale Bedingungen für den Weinbau herrschen. In der Barockzeit wurde hier das Prinzip der Spätlese entdeckt, dass Trauben, die vom Edelpilz Botrytis cinerea befallen sind, besonders süße Weine ergeben. Im Weinkeller wurden die aktuellen Jahrgänge von Schloss Johannisberg und dem dazugehörigen Weingut Mumm degustiert. Anschließend ging es in den Verkostungsraum des Schlosses, wo es zu den edelsüßen Kreszenzen des Hauses eine mitgebrachte, im Essener Sheraton Hotel hergestellte wunderbare Gänseleberpastete und herrliche Brioches gab.

2. Sation: Mariannenaue von Schloss Reinhartshausen

Der Nachmittag wurde an einem weiteren, fast magischen Ort verbracht, der größten Insel im Rhein. Die „Mariannenaue“ liegt einen Steinwurf vom Ufer zwischen Eltville und Hattenheim und ist nur an wenigen Tagen im Jahr für Besucher geöffnet. Bewirtschaftet wird das Naturschutzgebiet von Schloss Reinhartshausen und weist eine besonders warmes Mikroklima auf, so dass hier die für den Rheingau untypischen Rebsorten Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon Blanc angebaut werden. Eine geradezu pannonische Hitze schlug uns entgegen, als wir das kleine Fährschiff „Preußens Gloria“ verließen. In den unprätentiösen Wirtschaftsgebäuden standen an die 60 Weine zum Verkosten bereit, am Grill warteten Steaks und Wildschweinbratwürstchen. 

 Basilika von Schloss Johannisberg

Mit Leidenschaft dabei: Vertriebsleiter Stefan Doktor

Im Weinkeller. Der Herr Doktor erklärt

Weil sich einst ein Bote verspätete
 durfte mit der Lese nicht begonnen werden
 So entstand die Spätlese.

Überraschung: Rainer Bierwirth präsentiert
die mitgebrachte Gänseleberpastete...

...und Stefan Doktor hat die passenden Weine dazu.

 Perfekter Genuss: Gänseleberpastete, Brioche und edelsüße Weine

Mit "Preußens Gloria" auf die Mariannenaue

 Reif für die Insel

60 Weine standen zur Verkostung bereit

Die schöne Marianne

Hier wächst der Wein...

...und so wird er getrunken.

Dann ging's zurück.

Nochmals herzlichen Dank an "Essen genießen e.V." und Rainer Bierwirth für die Einladung zu diesem wunderbaren Ausflug.

Dienstag, 11. September 2012

Aus dem Archiv: Rosmarin - Die Leichtigkeit des kulinarischen Seins

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Das war genau der richtige Abschluss für einen wunderschönen Tag. Nach einer von der Genießervereinigung Slow Food organisierten kleinen Wanderung durch das Hattinger Hügelland, bei der es um die essbaren Kräuter ging, die am Wegesrand wachsen, kehrten wir im Restaurant „Rosmarin“ in der Grünstraße ein. Der junge Koch Sebastian Höhle hatte speziell für uns ein Kräutermenü zusammengestellt, das nicht nur wunderbar zum Motto unseres Ausflugs passte, sondern auch ein ganz entzückendes Beispiel seiner farbenfrohen, duftigen Frischeküche bot. Als Vorspeise gab es mit Bärlauch gefüllte Ravioli, als Hauptgang konnte man zwischen Maispoularde unter einer Kräuterkruste mit Gemüse und Kartoffel-Saltimbocca sowie Doradenfilet an Kresserisotto mit einem Wildkräutersalat wählen. Zum Dessert gab es Lavendelmousse mit Basilikumsorbet – das Ganze für 25 Euro, ein geradezu sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis. Serviert wurde das Menü von Sebastians charmanter Frau Jennifer, die die lange Tafel in dem hellen Speisesaal des lichtdurchfluteten kleinen Restaurants zu Füßen des Hattinger Stadtwalds liebevoll mit allerlei Grünzeug dekoriert hatte.

In etwa drei Jahren hat das junge Paar das „Rosmarin“ zu einem beliebten Treffpunkt in Hattingen gemacht. Ursprünglich hatte Sebastian Höhle Fleischer in der Bochumer Metzgerei Dönninghaus gelernt, doch das Currywurst-Machen war auf die Dauer nicht sein Ding. So ließ er sich im Landhaus Wegermann in der Elfringhauser Schweiz zum Koch ausbilden. Zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls gelernte Köchin ist, arbeitete er in Hamburg und Köln, bevor er das „Rosmarin“ in eröffnete. Darüber hinaus engagiert er sich, ähnlich wie der britische TV-Koch Jamie Oliver, in der Schulspeisung. In der Küche der benachbarten Realschule versucht er, den Schülern gesundes Essen nahe zu bringen.

Eine seiner Spezialitäten sind die Ravioli, die tatsächlich hausgemacht sind, was selbst bei hochpreisigen Italienern nicht selbstverständlich ist. Davon konnte ich mich beim Kontrollbesuch für BOCHUM GEHT AUS überzeugen, als ich ein interessantes Gespräch am Nebentisch mitbekam. Eine Dame vertrug Knoblauch nicht, und so wurde die Füllung der Teigtaschen so lange diskutiert, bis sie den Vorstellungen der Dame entsprach.

Wieder griff ich auf das dreigängige Menü-Angebot zurück, das mit 25 Euro absolut verlockend erschien. Zum Einstieg wurde eine leichte, schön flüssige Joghurtcrème mit köstlichem Brot serviert, in das große saftige Paprikastücke eingebacken waren. Als Vorspeise gab es – natürlich – Ravioli. Ein wenig wunderte ich mich darüber, dass sie im September ausgerechnet mit püriertem und fein abgeschmecktem Spargel gefüllt waren, aber gemeinsam mit der sehr dezent eingesetzten Tomatensauce waren die Teigtaschen besser als beim letzten Mal. Als Hauptgang gab es ein etwas derbes Lammragout mit gebratenem Gemüse und Gnocchi, an dem nichts auszusetzen war. Dazu schmeckte ein spanischer Syrah (0,25l 5,65 Euro). Das Dessert bildete ein lauwarmes Schokoladenküchlein mit flüssiger Füllung und eine Kugel Blaubeersorbet.

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Aus dem Archiv: Orangerie im Stadtpark - Elegie der schönen Speisen

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Michael Hau ist schon seit  längerer Zeit Küchenchef im "Parkhaus Hügel" in Essen.

An diesem lauen Spätsommerabend herrscht eine Art elegischer Thomas-Mann-Stimmung auf der Terrasse der Orangerie im Stadtpark. Die untergehende Sonne färbt den Himmel, der zwischen den hohen Bäumen hindurchschimmert, zart rosa. Man hört die gedämpften Stimmen der Herrschaften, die an zwei oder drei der eleganten Tisch sitzen, und manchmal die Schritte der Restaurantleiterin und Sommelière Britta Minder, wenn sie zum Nachschenken heran eilt oder gemeinsam mit einer Kollegin die Speisen aufträgt. Blickt man durch die Scheiben in den hell erleuchteten Saal der Orangerie, so kann man sich an langen, mit blinkenden Gläsern und schweren Bestecken akkurat eingedeckten Tafeln kaum satt sehen. So muss es gewesen sein, wenn man früher in Schweizer Grand Hotels Urlaub gemacht hat.

„Ich verstehe nicht, warum an solch schönen Abenden die Terrasse nicht voll besetzt ist“, wundert sich Küchenchef Michael Hau. In der Tat scheinen die Bochumer mit der besten Küche der Stadt immer noch zu hadern, und das, obwohl Michael Hau seit mittlerweile vier Jahren eine Kontinuität an den Tag legt, die sein Vorgänger in der Gastronomie im Stadtpark aus verschiedensten Gründen nicht aufbringen konnte. Haus Teller-Arrangements sind witzige Kunstwerke, die manchmal an barocke Stillleben erinnern. Immer verlässt er sich dabei auf die Schönheit seiner Produkte, und seine Zubereitungen sind nicht nur geschmacklich, sondern auch farblich wunderbar aufeinander abgestimmt. Dabei geht es ihm niemals an Klarheit ab. Die verschiedenen Aromen sind deutlich herausgearbeitet, es gibt keine grellen Effekte, aber immer wieder erstaunliche Überraschungen. Solidität und Gelassenheit prägen seine Arbeit in der Küche, und dabei entwickelt sich auf dem Teller ein Witz, den man dem zurückhaltenden Mann eigentlich gar nicht zutraut.

Erleben konnte ich das bei einer Aktion im Frühsommer, als Michael Hau zu Weinen aus dem spanischen Anbaugebiet Rueda ein wunderbares Menü kreierte. Aber statt in der spanisch-mediterranen Rezeptkiste zu kramen, griff ganz konträr auf die lokalen westfälisch-rheinischen Küchenwurzeln zurück. In bester Erinnerung habe ich das in Tatar vom neuen Matjes auf Rote-Bete-Graupen und geröstetem Rosinenstuten, das er auf dem Teller zu einem witzigen Sandwich stapelte, aus dessen Schichten vorwitzig ein Heringsschwanz hervorlugte. Oder das Seeteufelbäckchen, das versteckt unter einer Pumpernickelkruste auf einem Leipziger Allerlei thronte und ganz traditionell von einem Flusskrebs bewacht wurde. Für 59 Euro inklusive Weinbegleitung war das viergängige Menü geradezu ein Schnäppchen.

Am heutigen Abend wollte ich aber Gerichte von der Standardkarte probieren und wunderte mich doch ein wenig über die Preise. 26 bis 32 Euro kosteten die Hauptgänge, um die 15 Euro die Vorspeisen. So viel gibt der Bochumer höchstens auswärts aus. Doch das, was ich dann auf den Tisch bekam, war jeden Cent wert.

Ein hübsches Überraschungsei war der „Cappucino von Pfifferlingen“ (8,50 Euro), der zeigte, wie sehr das Auge mitisst. Serviert wurde das köstliche Pilzsüppchen in einer großen Kaffeetasse und sah auch aus wie ein Milchkaffee, entsprechend wurden meine Geschmacksknospen konditioniert. Im Mund dann die Überraschung, dass es recht pikant nach Pfifferlingen schmeckte. Es spricht für Michael Haus Kochkunst, dass nach der ersten Überraschung sofort eine große Befriedigung eintrat.

In einem asiatischen Dämpfeinsatz wurde die Vorspeise serviert: „Mit Zitronenblättern gebratene Garnelen mit rotem Curryschaum und hausgemachter Frühlingsrolle“ (17 Euro). Die optische Perfektion, mit der das Gericht angerichtet war, fand ihren Widerhall im Geschmack. Knackig die Garnelen mit sanftem Zitronenaroma, feurig der Curryschaum und herzhaft die kleine Frühlingsrolle. Britta Minder schenkte dazu ein Gläschen einfachen Riesling vom Rheingau-Klassiker Robert Weil aus. Die klare Eindeutigkeit des Weißweins wirkte neben der Schärfe des Currys sehr erfrischend, ohne ihr das Pikante zu nehmen.

Böhnchen und Lamm gehören ja zueinander, aber wenn es dann noch Dicke Bohnen sind, so ist die Kombination etwas ganz Exquisites. Beim Hauptgang (27 Euro) lag ein perfekt rosa gebratener ausgelöster Lammrücken auf einem Bett der grünen Kerne, bestrichen mit einer Zubereitung von Ziegenfrischkäse und getrockneten Tomaten, deren leichte Säuerlichkeit durch ein Süßkartoffelpüree und eine dehydrierte Birnenscheibe konterkariert wurde. Der Teroldego von Elisabeth Foradori (0,2l 9 Euro), die diese autochthone Rotweintraube aus Norditalien wiederentdeckt hat, stützte die Aromen des Hauptgangs elegant ab.

Das Dessert (9,50 Euro) war wieder ein optisches und geschmackliches Wunderwerk. Mit Fleur de Sel zubereitete Schokoladenblätter mit 75 Prozent Kakaogehalt waren abwechselnd mit einem leicht pikanten Ananas-Curry-Mus zu einem Türmchen geschichtet. In der Spitze stak ein Scheibe getrocknete Ananas und gab dem Ganzen das Aussehen einer kleinen aztekischen Sonnengottheit. Durch die pikante Würze bekam das Dessert eine exotische Note, ohne den Charakter einer Süßigkeit zu verlieren. Die Würze erforderte auch eine kräftige Weinbegleitung, und da war eine Trittenheimer Altärchen Riesling Auslese von Josef Rosch in Leiwen an der Mosel (5,50 Euro) genau das Richtige.
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Aus dem Archiv: Landhaus Wegermann - Vegan im Wodantal

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013".
Heute firmiert das Restaurant unter "Wegermann's Bio-Landhaus".


Kaum ein Restaurant in der Region setzt so konsequent auf Bio wie das „Landhaus Wegermann“ in der idyllischen Elfringhauser Schweiz. Als Axel Wegermann und seine Frau Stefanie das historische Fachwerkhaus im Hattinger Wodantal samt kleinem Hotel übernahmen, hatte es eine bewegte Pächter-Geschichte hinter sich und brauchte ein nachhaltiges Konzept, um wieder in ruhiges Fahrwasser zu kommen. Man trat Bioland bei, ließ sich biozertifizieren, was sich als völlig richtig erwies. 2013 kann das Landhaus Wegermann sein 10-jähriges Jubiläum feiern.

Zum Erfolg beigetragen hat natürlich auch Axel Wegermanns kreative Landhausküche, mit der er seine Gäste aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis und Bochum verwöhnt. „Brust vom westfälischen Landhuhn auf Apfel-Bohnengemüse mit Mozzarellawürfeln und Reisplätzchen“ (18,50 Euro) oder „Kurzgebratene Tasche aus der Schweine-Oberschale mit Tomaten-Schinken-Würfeln gefüllt und hausgemachten Kartoffel-Gnocchi“ (19,40 Euro) sind da schöne Beispiele. Absolute Spitze sind Wegermanns fluffige Reibekuchen. Spezialisiert hat er sich auch auf vegetarische und sogar vegane Küche. Gerichte wie „Auberginenschnitzel mit feiner Paprikaratatouille“ (8,50 Euro), „Bunter Vitaminsalat mit Acerolakirsch-Dressing“ (5,90 Euro) oder „Hausgemachte Kartoffelgnocchi mit tomatisiertem südländischen Gemüse“ (9,50 Euro als Vorspeise, 14,50 Euro als Hauptgericht) sind auf der Speisekarte entsprechend gekennzeichnet. Hardcore-Veggies sollten sich aber nicht wundern, wenn am Nebentisch ein superzartes 300-Gramm-Steak verschlungen wird, während sie gerade dabei sind, durch fleischlosen Genuss die Welt zu retten. Die ebenfalls großartige Steak-Karte ist ein Standard des Hauses, den die Gäste im südöstlichen Ruhrgebiet nicht missen möchten!

Ein witziger Versuch, die beiden Genuss-Welten miteinander zu verbinden, ist das dreigängige „Vege-tierische Menü“. Da kann der Gast auswählen, für jeden vegetarischen Gang gibt es auch eine Alternative mit Fleisch. Rein vegetarisch kostet das Menü 21,50 Euro, mit Fleischgerichten 32 Euro, und das beim Einsatz von Bio-Produkten!

Für den BOCHUM-GEHT-AUS-Test verzichtete ich ganz auf Fleisch und vermisste es auch nicht. Der „Bunte Brotsalat mit Oliven und getrockneten Tomaten“ (statt eines Geflügelcrèmsüppchens mit Zwiebellauch) schmeckte fantastisch, die gerösteten Brotwürfel krachten fröhlich zwischen den Zähnen.

Geradezu begeisternd war der vegane „Kartoffel-Waldpilz-Burger mit Aceto-Zwiebel-Jus“ (statt „Alles vom Spieß“ alias Würfel von Gemüse, Schwein und Rind an buntem Gemüsechili). Für die Füllung hatte Axel Wegermann wohlweislich auf die zweifelhaften vakuumverpackten Fleischersatzstoffe, die es in den einschlägigen Veggie-Abteilungen gibt, verzichtet, genauso wie auf labbrige Brötchen. Stattdessen steckte zwischen zwei der berühmten, schön kross gebratenen Reibekuchen eine ordentliche Portion gebratener Pilze, die nicht nur fantastisch schmeckte, sondern auch zusammen mit hübsch arrangierten gebratenen Gemüsen ausreichten, um einen Zwei-Zentner-Mann satt zu machen. Der obligatorische Ketchup wurde durch einen süß-scharfen Aceto-Zwiebel-Jus in einem Extra-Glas ersetzt, damit nicht es nicht zu sehr suppte. Zum Nachtisch gab’s dann noch als dritten Gang eine Panncaotta mit Früchten.
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Wegermann’s Bio Landhaus. Wodantal 62, 45529 Hattingen. Tel. 02324/395010. Mo, Di, Fr, Sa 17.30- 22 Uhr, So 11-20.30 Uhr. Mi Ruhetag. www.wegermanns-bio-landhaus.de

Aus dem Archiv: Die Uhle - Heimat, deine Schnitzel

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013"
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Der alte Flachbau wurde abgerissen und 2024 durch einen Neubau ersetzt, in den die Filiale einer Restaurant-Kette einzieht.

Welche Tourismus-App mag an diesem schönen Sommertag das junge Rucksack-Pärchen Anfang zwanzig ausgerechnet in die „Uhle“ verschlagen haben? Bevor der Kellner den beiden „Schnitzel Allgäuer Art“ überbacken mit Champignons und Kroketten (11,70 Euro) an den Tisch im Außenbereich bringt, planen sie mit Stadtplan und Handy ihre weitere Route durch Bochum. Aber vielleicht ist es ja ganz gut, dass sie nicht sofort im jugendaffinen Bermudadreieck mit seinem metroplen Hamburger- und Tapas-Angebot gelandet sind, schließlich repräsentiert die „Uhle“ mit ihrer - übrigens recht feinen und frischen - Hausmannsküche ein Heimatbild, das immer noch mehr als typisch für das Ruhrgebiet ist.

Der Flachbau ist das einzige Haus in der Umgebung, das nach den Zerstörungen des zweiten Weltkriegs nicht wieder aufgestockt worden ist. Innen verbreiten klassische Restaurant-Sitznischen eine kleinbürgerliche Behaglichkeit, wie man sie aus deutschen Wohnzimmern kennt, beäugt von einer ausgestopften Eule. Der Außenbereich bietet einen kurzweiligen Ausblick auf den Dr.-Ruer-Platz. Beim Speisenangebot irritieren weder fremdelnder Modernismus noch überkandidelte Preise den Gast. Ein „Pfefferrahmschnitzel mit pikanter sämiger Sauce, grünem Pfeffer und buntem Salat kostet 11,90 Euro, ein „Schollenfilet Römische Art“ in feiner Ei-Panade auf Dijon-Senfsauce, dazu Salzkartoffeln und bunter Salat 13,50 Euro. Gipfel des Luxus ist das Rinderfiletsteak, 300 Gramm für 24 Euro. Dazu kann man verschiedene Beilagen wählen. Eine kleine Auswahl vegetarischer Gerichte zeigt, dass die Küche die Moden der Zeit durchaus verfolgt. Im zum Haus gehörenden Imbiss nebenan geht es richtig deftig zu. Hier werden an der frischen Luft Eintöpfe und Tellergerichte wie „Dicke Bohnen mit Mettwurst und Kartoffeln“ (5,20 Euro) angeboten.

Ich stelle mir ein kleines Mittagsmenü zusammen, indem ich Gerichte von der Standard- und Mittagskarte, die sich in Preis und Ausrichtung kaum unterscheiden, kombiniere. Weil zum Mittagsgericht die Tagessuppe gehört, wird sie mir unaufgefordert hingestellt, eine recht salzige Hühnerbrühe mit etwas Gemüseeinlage. Als eigentliche Vorspeise kommt dann von der Standardkarte „Schafskäse in Kartoffelkruste“ mit kleiner Salatgarnitur und Baguette (6,90 Euro), eine recht üppige Angelegenheit, die allein schon satt gemacht hätte. Der Hauptgang von der Mittagskarte ist dann richtig gut. Das am Stück gebratene und dann in Scheiben geschnittene Schweinefilet ist eine gehörige Portion, wunderbar zart und zergeht auf der Zunge. Die Pfefferrahmsauce ist von angenehm samtiger Schärfe, die „würzigen Kartoffelecken“ können es getrost mit den „Wedges“ amerikanischer Provenienz aufnehmen. Nur der Salat auf dem Extrateller gleicht dem der Vorspeise bis auf das Rucolablatt obenauf. Aber warum bestelle ich hier auch zwei Gerichte?

Der Eisbecher „Nussknacker“ (4,20 Euro), den ich zum Nachtisch vorsichtshalber ohne Sahne bestelle, ist dann defintiv zu viel. Nachdem ich ihn trotzdem verdrückt habe, begucke ich mir noch ein wenig die Passanten auf dem Dr.-Ruer-Platz, begebe mich dann nach Hause und vertrödele statt zu arbeiten den Rest des Tages verdauend auf dem Südbalkon.

-kopf


 Bochum-City, Huestr. 24

Aus dem Archiv: Bassano - Restaurant der Frauen

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013".
Das Restaurant ist zum Jahreswechsel 2019/20 nach Bochum-Wiemelhausen umgezogen.


Früh übt sich, was ein „material girl“ werden will. „Haben Sie Hugo?“, fragt mit kieksender Piepsstimme eine süße, „L’Oreal“-blondierte Zwanzigjährige, die mit ihrer ebenfalls leuchtendblonden Schwester am Nebentisch sitzt, und meint damit natürlich den Cocktail-Renner der Saison aus Prosecco, Minze und Holundersirup. Kaum hat der Kellner den Kult-Drink gebracht, erscheint auf der schmalen Terrasse des „Bassano“ ein weiteres diskret blondiertes Damenpärchen, diesmal um die 30, um sich an den nächsten Tisch zu setzen und mit samtigweichen Altstimmen nach der Speisekarte zu verlangen. Und um die Damenwahl perfekt zu machen, tauchen kurz darauf noch zwei blonde Schönheiten auf, Ü40 würde ich sagen, mit lauten, sich durchsetzenden Lehrerinnen-Stimmen. Ja gehen denn hier nur top-gekleidete Frauen essen? Auch ein Blick durch die Fenster in den elegant eingerichteten Laden scheint diese Annahme zu bestätigen. Auch hier sitzen mittlerweile ausschließlich Frauen, darunter allerdings auch einige Brünette.

Die Entscheidung von Arne Casagrande, das „Da Gervasio“ in der Oskar-Hoffmann-Straße, das er von seinem Vater übernommen hatte, im letzten Jahr zu schließen und in der Innenstadt in enger Nachbarschaft zu „Zentral“ und „Livingroom“ neu zu beginnen, scheint sich ausgezahlt zu haben. Am alten Standort konnte er seine Vorstellungen von einem chicen Ristorante nicht verwirklichen, und so baute er das Lokal, das einst die Studentenkneipe „Club am Hellweg“ beherbergte und später dann jahrelang ein Irish Pub war, entsprechend um. Der Gastraum des „Bassano“ wird von einer leuchtenden Bilderwand mit Fotos der gleichnamigen Grappa-Stadt dominiert, und eine Wand besteht aus Regalen, in denen die ausgezeichneten Weinvorräte lagern.

Im „Bassano“ wird frisch gekocht. Am Bordstein hindern Blumenkübel dreiste Autofahrer daran, falsch zu parken, und zu Füßen der strammen Olivenbäumchen darin wuchern Kräuter wie Oregano, Rosmarin und Basilikum. Hin und wieder erscheint ein dienstbarer Geist aus der Küche, um davon die gerade benötigte Portion abzuzupfen. Die Speisekarte ist knapp gehalten und bietet keine Pizza an, stattdessen einige wenige Antipasti, Salate, Pasta-Gerichte und Fleischgerichte wie Paiard ai ferri (gegrilltes Kalbssteak, 18,50 Euro). Fischgerichte finden sich auf der Wochenkarte, die ebenfalls von luxuriösem Minimalismus geprägt ist. Die beliebteste Zubereitungsart ist das Grillen.

Als BOCHUM-GEHT-AUS-Tester nutze ich die Gelegenheit, ein wenig dem Luxus zu frönen und bestelle als Pasta-Gang frische Tagliolini, das sind spaghettischmale Bandnudeln, mit schwarzen Trüffeln für 18 Euro. Der Duft der mit ein wenig Trüffel-Sahnesauce aromatisierten, aber etwas klebrigen Nudeln ist fantastisch, doch die hauchdünnen Trüffelscheiben, die darüber gehobelt sind, sind geschmacklos und haften an der Zunge wie Esspapier. Privat hätte ich mich über den Preis geärgert, so bin ich jedoch um eine Erfahrung reicher.

Der Hauptgang, auf der Karte lapidar mit „Steinbutt gegrillt“ bezeichnet und immerhin 24,50 Euro teuer, kommt genauso puristisch daher wie er sich liest. Zwei wunderschön anzusehende Fischfilets, ganz hell gelb mit den fast schwarzen Streifen des Grillrostes, werden von den ohne inszenatorischen Aufwand daneben gelegten italienischen Standardbeilagen Kartoffelgratin, Karotten und Mangold sekundiert. Der Fisch ist zart, vielleicht etwas trocken, und genießt es, mit etwas Saft von der beigelegten Zitronenschnitze beträufelt zu werden. Über ein paar Körner schmelzendes Fleur de Sel hätte ich mich gefreut. Großartig ist die Weinempfehlung „Angimbe“ dazu, eine Cuvée aus der autochthonen sizilianischen Rebsorte Inzolia und Chardonnay vom Weingut Cusomano (0,2l 5,90 Euro) und von schöner exotischer Fruchtigkeit.

Zum Nachtisch schmeckt ein hausgemachtes Tirami Su (5 Euro). Während ich die unprätentiös angerichtet Glasschale auslöffele, erscheint tatsächlich noch ein Frauenpaar, um die 60 und blondiert, mit schneidenden Wangenknochen unter der gepflegten Haut und verrauchten, tiefen Marlene-Dietrich-Stimmen. Als sie an mir vorbei gehen, lächeln sie mich freundlich an.
-kopf
 
Seit 2020 neue Adresse.
Bassano Vinoteca, Cucina Italiana e Pizza. Wiemelhauser Str. 358, 44799 Bochum. Tel. 0234 / 54 44 96 53. Mi-Mo 12-14.30 Uhr, 17.30-22 Uhr. Di Ruhetag. www. bassano-bochum.de