Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013".
Das Restaurant ist zum Jahreswechsel 2019/20 nach Bochum-Wiemelhausen umgezogen.
Früh übt sich, was ein „material girl“ werden will. „Haben Sie Hugo?“, fragt mit kieksender Piepsstimme eine süße, „L’Oreal“-blondierte Zwanzigjährige, die mit ihrer ebenfalls leuchtendblonden Schwester am Nebentisch sitzt, und meint damit natürlich den Cocktail-Renner der Saison aus Prosecco, Minze und Holundersirup. Kaum hat der Kellner den Kult-Drink gebracht, erscheint auf der schmalen Terrasse des „Bassano“ ein weiteres diskret blondiertes Damenpärchen, diesmal um die 30, um sich an den nächsten Tisch zu setzen und mit samtigweichen Altstimmen nach der Speisekarte zu verlangen. Und um die Damenwahl perfekt zu machen, tauchen kurz darauf noch zwei blonde Schönheiten auf, Ü40 würde ich sagen, mit lauten, sich durchsetzenden Lehrerinnen-Stimmen. Ja gehen denn hier nur top-gekleidete Frauen essen? Auch ein Blick durch die Fenster in den elegant eingerichteten Laden scheint diese Annahme zu bestätigen. Auch hier sitzen mittlerweile ausschließlich Frauen, darunter allerdings auch einige Brünette.
Die Entscheidung von Arne Casagrande, das „Da Gervasio“ in der Oskar-Hoffmann-Straße, das er von seinem Vater übernommen hatte, im letzten Jahr zu schließen und in der Innenstadt in enger Nachbarschaft zu „Zentral“ und „Livingroom“ neu zu beginnen, scheint sich ausgezahlt zu haben. Am alten Standort konnte er seine Vorstellungen von einem chicen Ristorante nicht verwirklichen, und so baute er das Lokal, das einst die Studentenkneipe „Club am Hellweg“ beherbergte und später dann jahrelang ein Irish Pub war, entsprechend um. Der Gastraum des „Bassano“ wird von einer leuchtenden Bilderwand mit Fotos der gleichnamigen Grappa-Stadt dominiert, und eine Wand besteht aus Regalen, in denen die ausgezeichneten Weinvorräte lagern.
Im „Bassano“ wird frisch gekocht. Am Bordstein hindern Blumenkübel dreiste Autofahrer daran, falsch zu parken, und zu Füßen der strammen Olivenbäumchen darin wuchern Kräuter wie Oregano, Rosmarin und Basilikum. Hin und wieder erscheint ein dienstbarer Geist aus der Küche, um davon die gerade benötigte Portion abzuzupfen. Die Speisekarte ist knapp gehalten und bietet keine Pizza an, stattdessen einige wenige Antipasti, Salate, Pasta-Gerichte und Fleischgerichte wie Paiard ai ferri (gegrilltes Kalbssteak, 18,50 Euro). Fischgerichte finden sich auf der Wochenkarte, die ebenfalls von luxuriösem Minimalismus geprägt ist. Die beliebteste Zubereitungsart ist das Grillen.
Als BOCHUM-GEHT-AUS-Tester nutze ich die Gelegenheit, ein wenig dem Luxus zu frönen und bestelle als Pasta-Gang frische Tagliolini, das sind spaghettischmale Bandnudeln, mit schwarzen Trüffeln für 18 Euro. Der Duft der mit ein wenig Trüffel-Sahnesauce aromatisierten, aber etwas klebrigen Nudeln ist fantastisch, doch die hauchdünnen Trüffelscheiben, die darüber gehobelt sind, sind geschmacklos und haften an der Zunge wie Esspapier. Privat hätte ich mich über den Preis geärgert, so bin ich jedoch um eine Erfahrung reicher.
Der Hauptgang, auf der Karte lapidar mit „Steinbutt gegrillt“ bezeichnet und immerhin 24,50 Euro teuer, kommt genauso puristisch daher wie er sich liest. Zwei wunderschön anzusehende Fischfilets, ganz hell gelb mit den fast schwarzen Streifen des Grillrostes, werden von den ohne inszenatorischen Aufwand daneben gelegten italienischen Standardbeilagen Kartoffelgratin, Karotten und Mangold sekundiert. Der Fisch ist zart, vielleicht etwas trocken, und genießt es, mit etwas Saft von der beigelegten Zitronenschnitze beträufelt zu werden. Über ein paar Körner schmelzendes Fleur de Sel hätte ich mich gefreut. Großartig ist die Weinempfehlung „Angimbe“ dazu, eine Cuvée aus der autochthonen sizilianischen Rebsorte Inzolia und Chardonnay vom Weingut Cusomano (0,2l 5,90 Euro) und von schöner exotischer Fruchtigkeit.
Zum Nachtisch schmeckt ein hausgemachtes Tirami Su (5 Euro). Während ich die unprätentiös angerichtet Glasschale auslöffele, erscheint tatsächlich noch ein Frauenpaar, um die 60 und blondiert, mit schneidenden Wangenknochen unter der gepflegten Haut und verrauchten, tiefen Marlene-Dietrich-Stimmen. Als sie an mir vorbei gehen, lächeln sie mich freundlich an.
Das Restaurant ist zum Jahreswechsel 2019/20 nach Bochum-Wiemelhausen umgezogen.
Früh übt sich, was ein „material girl“ werden will. „Haben Sie Hugo?“, fragt mit kieksender Piepsstimme eine süße, „L’Oreal“-blondierte Zwanzigjährige, die mit ihrer ebenfalls leuchtendblonden Schwester am Nebentisch sitzt, und meint damit natürlich den Cocktail-Renner der Saison aus Prosecco, Minze und Holundersirup. Kaum hat der Kellner den Kult-Drink gebracht, erscheint auf der schmalen Terrasse des „Bassano“ ein weiteres diskret blondiertes Damenpärchen, diesmal um die 30, um sich an den nächsten Tisch zu setzen und mit samtigweichen Altstimmen nach der Speisekarte zu verlangen. Und um die Damenwahl perfekt zu machen, tauchen kurz darauf noch zwei blonde Schönheiten auf, Ü40 würde ich sagen, mit lauten, sich durchsetzenden Lehrerinnen-Stimmen. Ja gehen denn hier nur top-gekleidete Frauen essen? Auch ein Blick durch die Fenster in den elegant eingerichteten Laden scheint diese Annahme zu bestätigen. Auch hier sitzen mittlerweile ausschließlich Frauen, darunter allerdings auch einige Brünette.
Die Entscheidung von Arne Casagrande, das „Da Gervasio“ in der Oskar-Hoffmann-Straße, das er von seinem Vater übernommen hatte, im letzten Jahr zu schließen und in der Innenstadt in enger Nachbarschaft zu „Zentral“ und „Livingroom“ neu zu beginnen, scheint sich ausgezahlt zu haben. Am alten Standort konnte er seine Vorstellungen von einem chicen Ristorante nicht verwirklichen, und so baute er das Lokal, das einst die Studentenkneipe „Club am Hellweg“ beherbergte und später dann jahrelang ein Irish Pub war, entsprechend um. Der Gastraum des „Bassano“ wird von einer leuchtenden Bilderwand mit Fotos der gleichnamigen Grappa-Stadt dominiert, und eine Wand besteht aus Regalen, in denen die ausgezeichneten Weinvorräte lagern.
Im „Bassano“ wird frisch gekocht. Am Bordstein hindern Blumenkübel dreiste Autofahrer daran, falsch zu parken, und zu Füßen der strammen Olivenbäumchen darin wuchern Kräuter wie Oregano, Rosmarin und Basilikum. Hin und wieder erscheint ein dienstbarer Geist aus der Küche, um davon die gerade benötigte Portion abzuzupfen. Die Speisekarte ist knapp gehalten und bietet keine Pizza an, stattdessen einige wenige Antipasti, Salate, Pasta-Gerichte und Fleischgerichte wie Paiard ai ferri (gegrilltes Kalbssteak, 18,50 Euro). Fischgerichte finden sich auf der Wochenkarte, die ebenfalls von luxuriösem Minimalismus geprägt ist. Die beliebteste Zubereitungsart ist das Grillen.
Als BOCHUM-GEHT-AUS-Tester nutze ich die Gelegenheit, ein wenig dem Luxus zu frönen und bestelle als Pasta-Gang frische Tagliolini, das sind spaghettischmale Bandnudeln, mit schwarzen Trüffeln für 18 Euro. Der Duft der mit ein wenig Trüffel-Sahnesauce aromatisierten, aber etwas klebrigen Nudeln ist fantastisch, doch die hauchdünnen Trüffelscheiben, die darüber gehobelt sind, sind geschmacklos und haften an der Zunge wie Esspapier. Privat hätte ich mich über den Preis geärgert, so bin ich jedoch um eine Erfahrung reicher.
Der Hauptgang, auf der Karte lapidar mit „Steinbutt gegrillt“ bezeichnet und immerhin 24,50 Euro teuer, kommt genauso puristisch daher wie er sich liest. Zwei wunderschön anzusehende Fischfilets, ganz hell gelb mit den fast schwarzen Streifen des Grillrostes, werden von den ohne inszenatorischen Aufwand daneben gelegten italienischen Standardbeilagen Kartoffelgratin, Karotten und Mangold sekundiert. Der Fisch ist zart, vielleicht etwas trocken, und genießt es, mit etwas Saft von der beigelegten Zitronenschnitze beträufelt zu werden. Über ein paar Körner schmelzendes Fleur de Sel hätte ich mich gefreut. Großartig ist die Weinempfehlung „Angimbe“ dazu, eine Cuvée aus der autochthonen sizilianischen Rebsorte Inzolia und Chardonnay vom Weingut Cusomano (0,2l 5,90 Euro) und von schöner exotischer Fruchtigkeit.
Zum Nachtisch schmeckt ein hausgemachtes Tirami Su (5 Euro). Während ich die unprätentiös angerichtet Glasschale auslöffele, erscheint tatsächlich noch ein Frauenpaar, um die 60 und blondiert, mit schneidenden Wangenknochen unter der gepflegten Haut und verrauchten, tiefen Marlene-Dietrich-Stimmen. Als sie an mir vorbei gehen, lächeln sie mich freundlich an.
-kopf
Seit 2020 neue Adresse.
Bassano Vinoteca, Cucina Italiana e Pizza. Wiemelhauser Str. 358, 44799 Bochum. Tel. 0234 / 54 44 96 53. Mi-Mo 12-14.30 Uhr, 17.30-22 Uhr. Di Ruhetag. www. bassano-bochum.de
Bassano Vinoteca, Cucina Italiana e Pizza. Wiemelhauser Str. 358, 44799 Bochum. Tel. 0234 / 54 44 96 53. Mi-Mo 12-14.30 Uhr, 17.30-22 Uhr. Di Ruhetag. www. bassano-bochum.de
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