Dienstag, 11. September 2012

Aus dem Archiv: Die Uhle - Heimat, deine Schnitzel

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2013"
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Der alte Flachbau wurde abgerissen und 2024 durch einen Neubau ersetzt, in den die Filiale einer Restaurant-Kette einzieht.

Welche Tourismus-App mag an diesem schönen Sommertag das junge Rucksack-Pärchen Anfang zwanzig ausgerechnet in die „Uhle“ verschlagen haben? Bevor der Kellner den beiden „Schnitzel Allgäuer Art“ überbacken mit Champignons und Kroketten (11,70 Euro) an den Tisch im Außenbereich bringt, planen sie mit Stadtplan und Handy ihre weitere Route durch Bochum. Aber vielleicht ist es ja ganz gut, dass sie nicht sofort im jugendaffinen Bermudadreieck mit seinem metroplen Hamburger- und Tapas-Angebot gelandet sind, schließlich repräsentiert die „Uhle“ mit ihrer - übrigens recht feinen und frischen - Hausmannsküche ein Heimatbild, das immer noch mehr als typisch für das Ruhrgebiet ist.

Der Flachbau ist das einzige Haus in der Umgebung, das nach den Zerstörungen des zweiten Weltkriegs nicht wieder aufgestockt worden ist. Innen verbreiten klassische Restaurant-Sitznischen eine kleinbürgerliche Behaglichkeit, wie man sie aus deutschen Wohnzimmern kennt, beäugt von einer ausgestopften Eule. Der Außenbereich bietet einen kurzweiligen Ausblick auf den Dr.-Ruer-Platz. Beim Speisenangebot irritieren weder fremdelnder Modernismus noch überkandidelte Preise den Gast. Ein „Pfefferrahmschnitzel mit pikanter sämiger Sauce, grünem Pfeffer und buntem Salat kostet 11,90 Euro, ein „Schollenfilet Römische Art“ in feiner Ei-Panade auf Dijon-Senfsauce, dazu Salzkartoffeln und bunter Salat 13,50 Euro. Gipfel des Luxus ist das Rinderfiletsteak, 300 Gramm für 24 Euro. Dazu kann man verschiedene Beilagen wählen. Eine kleine Auswahl vegetarischer Gerichte zeigt, dass die Küche die Moden der Zeit durchaus verfolgt. Im zum Haus gehörenden Imbiss nebenan geht es richtig deftig zu. Hier werden an der frischen Luft Eintöpfe und Tellergerichte wie „Dicke Bohnen mit Mettwurst und Kartoffeln“ (5,20 Euro) angeboten.

Ich stelle mir ein kleines Mittagsmenü zusammen, indem ich Gerichte von der Standard- und Mittagskarte, die sich in Preis und Ausrichtung kaum unterscheiden, kombiniere. Weil zum Mittagsgericht die Tagessuppe gehört, wird sie mir unaufgefordert hingestellt, eine recht salzige Hühnerbrühe mit etwas Gemüseeinlage. Als eigentliche Vorspeise kommt dann von der Standardkarte „Schafskäse in Kartoffelkruste“ mit kleiner Salatgarnitur und Baguette (6,90 Euro), eine recht üppige Angelegenheit, die allein schon satt gemacht hätte. Der Hauptgang von der Mittagskarte ist dann richtig gut. Das am Stück gebratene und dann in Scheiben geschnittene Schweinefilet ist eine gehörige Portion, wunderbar zart und zergeht auf der Zunge. Die Pfefferrahmsauce ist von angenehm samtiger Schärfe, die „würzigen Kartoffelecken“ können es getrost mit den „Wedges“ amerikanischer Provenienz aufnehmen. Nur der Salat auf dem Extrateller gleicht dem der Vorspeise bis auf das Rucolablatt obenauf. Aber warum bestelle ich hier auch zwei Gerichte?

Der Eisbecher „Nussknacker“ (4,20 Euro), den ich zum Nachtisch vorsichtshalber ohne Sahne bestelle, ist dann defintiv zu viel. Nachdem ich ihn trotzdem verdrückt habe, begucke ich mir noch ein wenig die Passanten auf dem Dr.-Ruer-Platz, begebe mich dann nach Hause und vertrödele statt zu arbeiten den Rest des Tages verdauend auf dem Südbalkon.

-kopf


 Bochum-City, Huestr. 24

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