Venezianer mit Haut und Haaren, war er (Brunetti) mit risi e bisi aufgewachsen (…) „Höre ich da das Betteln eines Süchtigen?“ fragte sie (Paola). (…)
Auf der Mitte des Tisches hieß ihn eine Porzellanschüssel Risotto mit Erbsen willkommen, der sich beinahe wellte, so cremig war er. Nachdem Brunetti Platz genommen hatte, löffelte Paola ihm dampfenden Risotto auf den Teller. Dann den Kindern, dann sich selbst.
„Risi bisi, risi bisi“, jubelte Chiara.
Brunetti bat jene Instanz, die er nicht kannte und an die er eher nicht glaubte, Chiara noch viele Jahre lang Freude an Erbsen zu bescheren. Dann wäre sie im Leben glücklich, ahnte er.
Nach längerer Zeit hatte ich mal wieder Lust, einen Donna-Leon-Roman mit dem venezianischen Commissario Brunetti zu lesen, den ich noch nicht kannte. Es war der achtundzwanzigste Fall von mittlerweile zweiunddreißig mit dem Titel „Ein Sohn ist uns gegeben“, der mir in die Finger kam. Über die recht betuliche Story will ich gar nichts sagen. Aber ich amüsierte mich sehr über das medienspezifische Paradoxon, dass die Jahrzehnte lang laufende Fernsehserie nach den Romanen u.a. deswegen eingestellt werden musste, weil die Darsteller viel zu alt für ihre Rollen geworden waren, während im Buch Brunettis Tochter Chiara auch nach 30 Jahren problemlos noch ein Teenager mit kicherigem Sweet-little-sixteen-Charme sein konnte.
Aber noch mehr freute ich mich darüber, dass mich der Roman auf die Idee brachte, mal wieder risi e bisi zu kochen – nicht zuletzt, weil ich darüber stolperte, dass die Bezeichnung für dieses Gericht im Abstand von wenigen Zeilen in gleich zwei Schreibweisen auftauchte. Ich glaube, risi e bisi und risi bisi sind beide möglich, kann mir aber nicht wirklich vorstellen, dass Donna Leon beide in ihrem Manuskript benutzt hat, etwa um die Zugehörigkeit von Brunetti und seiner Tochter zu verschiedenen Generationen zu illustrieren. Ich glaube eher, es war eine Schlamperei des Lektorats des Verlages beim Korrekturlesen. (Ich weiß, ich weiß, als Blog-Schreiber sollte man bei solchen Fehlern lieber nicht mit Steinen werfen, weil man viel zu sehr im Glashaus sitzt...)
Nun denn, die Idee, mein altes Rezept für risi e bisi, das aus einem venezianischen Kochbuch stammt (klick hier), erneut zu realisieren, scheiterte an meiner Faulheit. Dazu hätte ich aber frische Erbsen in der Schote gebraucht, weil die leeren ausgekocht werden müssen, um die Brühe zum Reiskochen zu liefern. Auf dem Wochenmarkt oder im Frischeparadies hätte ich vielleicht welche als Importware aus Italien (hierzulande ist erst im Juni Saison) bekommen können, aber dazu war es an diesem Samstagnachmittag schon zu spät. Also beschloss ich zu schummeln, indem ich mir im noch geöffneten Biosupermarkt eine kleine Dose Fertig-Erbsen besorgte.
Zum Risotto wollte ich aber noch etwas Herzhaftes machen, etwa kleine, lecker gefüllte Wirsing-Rouladen. Schön war es gewesen, ich hätte mir auf dem Markt einen heimischen Maiwirsing, der seit Mitte April Saison hat, besorgt, doch auch das scheiterte an der oben genannten Faulheit. Stattdessen fand ich im Biosupermarkt einen Winter-Wirsingkopf, deren äußere, durch die lange Lagerzeit welk gewordenen Blätter entfernt worden waren und die deshalb nur etwas größer als ein Tischtennissball war. Genau die richtige Größe für mein Vorhaben. Ich zupfte ein paar der Blätter ab, blanchierte sie in Salzwasser, damit sie etwas weicher wurden und schnitt die dicke Mittelrippe flach. Das Blanchierwasser hob ich auf.
Für die Füllung operierte ich auf bewährte Art die fantastischen Bratwürste vom Ruhrtaler Freilandschwein zu Salsiccia-Brät um (klick hier), indem ich sie von ihrer Pelle befreite und mit Fenchelsamen vermische, den ich diesmal noch röstete. Ein paar gehackte Bärlauchblätter kamen auch hinein. Für den obligatorischen Schluck Weißwein, der der Masse den letzten Kick geben sollte, hätte ich eine Flasche aus dem Keller holen müssen, wozu ich jedoch auch zu faul war. Stattdessen öffnete ich eine Flasche niederrheinischen Cidre, die griffbereit in der Küche stand, und das war ein Glücksgriff. Die Wurstmasse, die so entstand, war eine Offenbarung, und ich musste aufpassen, dass ich sie mir nicht gleich roh einverleibte oder als eine Art Mett aufs Brötchen strich.
Für den Risotto schmorte ein paar fein geschnittene Frühlingszwieneln und eine Knoblauchzehe an, gab den Arborio-Reis dazu und goss nach und nach kochende Brühe dazu, die die aus dem Blanchierwasser des Wirsings, dem Wasser aus der Dose Erbsen und Bio-Gemüsebrühe aus dem Glas bestand. Ganz zum Schluss kamen die abgetropfte Erbsen hinzu, damit sie im Reis warm wurden, und das Ganze wurde mit einem Rest Ziegenbutter, den ich noch hatte, Parmesan und Pfeffer aus der Mühle abgerundet.
Heraus kam dabei ein Risotto-Gericht, das Commissario Brunetti und wohl auch seinen Tochter Chiara in Entzücken versetzt hätte. Nur, dass Chiara als Vegetarierin natürlich die Wirsingroulade verschmäht hätte.
Rezept: Wirsing-Roulade mit Füllung aus Ruhrtaler Freilandschwein-Brät, Fenchel und niederrheinischem Cidre auf mit Ziegenbutter verfeinertem Risi e Bisi
2 Portionen
Wirsingrouladen:
4 nicht zu kleine Wirsingblätter
Brät von 2 Bratwürsten, aus der Pelle gedrückt
½ EL Fenchelsamen, zerstoßen
Schalenabrieb einer Zitrone
2-3 Bärlauchblätter, gehackt
1 guter Schuss Cidre
Salz oder gekörnte Brühe fürs Blanchierwasser
Rapsöl
Wirsingblätter in gesalzenem oder mit gekörnter Brühe gewürztem Wasser 3-4 Minuten blanchieren. Herausnehmen und eiskalte abspülen. Blanchierwasser aufheben.
Fenchelsamen in er Pfanne anrösten und abkühlen lassen. Wurstbrat aus der Pelle drücken. Geröstete Fenchelsamen, gehackte Bärlauchblätter, Zitronenabrieb und einen Schuss Cidre dazu geben und alles gut miteinander mischen. In vier Portionen teilen.
Jede Portion auf ein blanchiertes Wirsingblatt geben und einwickeln. Mit Küchengarn zubinden.
In einer Pfanne die Kohlrouladen pfeffern und salzen, scharf anbraten, bis sie Farbe annehmen. Etwas Flüssigkeit angießen und im 200 Gard heißen hofen 10- 15 Minuten fertig schmoren.
Risi e bisi:
1 Dose Erbsen 280 g
1 Tasse Risottoreis
Rapsöl
3 Frühlingszwiebeln
1 Knoblauchzehe
1 Schuss Cidre
1-1/2 l Brühe aus Erbsenwasser, Blanchierwasser des Wirsings und Gemüsebrühe
50 g geriebener Parmesan
20 g Ziegenbutter (oder anderer)
Salz
Pfeffer aus der Mühle
Dose Erbes abschütten, dabei das Wasser auffangen. Erbsenwasser und das Blanchierwasser des Wirsings mit Gemüsebrühe aus dem Glas auf etwa 1 ½ l auffüllen. Zum Köcheln bringen
Das weiße der Frühlingszwiebeln und die Knoblauchzehe in feine Streifen schneiden. In einem großen Topf in heißem Rapsöl glasig dünsten. Risottoreis dazu geben, umrühren. Mit einem Schuss Weißwein Cidre ablöschen und völlig verdampfen lassen. Dabei immer wieder umrühren. Mit zwei Kellen heißer Brühe auffüllen und in 17 Minuten gar köcheln lassen. Dabei immer wieder Brühe nachgießen und immer wieder umrühren. Zum Schluss die Erbsen dazugeben und mit heiß werden lassen.
Topf vom Feuer nehmen. Ziegenbutter in Stücken unter den heißen Reis heben und schmelzen lassen. Geriebenen Parmesan unterheben. Mit Pfeffer und Salz abschmecken.
Anrichten:
Den Risotto auf vorgewärmten Tellern anrichten. Wirsinggrouladen darauf legen, eventuell halbieren.
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