Dienstag, 5. Oktober 2010

Aus dem Archiv: Ristorante Nuragus - Die Eleganz des Rustikalen

Der Text erschien erstmals in "Dortmund genießt 2011".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Anders als Sizilien, die andre große Insel Italiens, deren vielschichtige Küche die Spuren der Eroberer von den Griechen und Arabern über die Normannen bis zu den französischen Bourbonen widerspiegelt, war Sardinien von jeher abgeschieden. Diese Trutzigkeit zeigt sich schon in den antiken Turmabauten, den Nuraghe, die der alten Kultur der Insel ihren Namen gegeben haben. Noch heute ist Nuragus die Bezeichnung einer autochthonen sardischen Traube, und seit etwas über einem Jahr auch der Name eines eleganten italienischen Ristorante im nicht weniger eleganten Kaiserstraßenviertel. In den repräsentativen Raumen eines wilhelminischen Prachtbaus an der Goebenstraße pflegt Marco Oggiano zusammen mit seinem Küchenchef aus Sri Lanka die Küche seiner Heimat Sardinien. Und die ist bodenständig, fast schon archaisch, ursprünglich gar nicht so fischlastig, wie man es von einer Inselküche erwarten sollte. Dennoch hat das Ristorante Nuragus ausgezeichnete Fischgerichte auf der Karte, wie man es von einem gehobenen italienischen Ristorante erwartet. Überhaupt ist die Karte nicht zu groß, was für den qualitativen Anspruch des Hauses spricht.

Es sind vor allem die mundartlichen Pasta-Namen, die die regionale Verwurzelung der Gerichte deutlich machen. So heißen die sardischen Gnocchi „Ciccioneddos“, die typischen Ravioli „Culingiones“. Furcht vor dem Unbekannten, dass die Gerichte mit den seltsamen Namen nicht schmecken könnten, braucht man im Ristorante Nuragus jedoch nicht zu haben. Der Teller Ciccioneddos, den ich bestellt hatte, erwies sich als ein hocharomatisches Nudelgericht. Bei den sardischen Gnocchi handelte es sich nicht um die bekannten kleinen Kartoffelklößchen, sondern um muschelförmig geformte Hartweizennudeln, und der Sugo, mit dem sie serviert wurden, bestand aus Cocktailtomaten, inseltypischem Fenchel und Salsicce, einer ebenfalls mit Fenchel gewürzten Wurst. Typisch sardisch war auch, dass statt Parmesan gereifter Pecorino darüber gestreut wurde.

Vorher konnte ich schon ein „Crema Tarra“ genießen. Die urbane Eleganz der Räumlichkeiten ergänzte einmal mehr die karge Rustikalität des Gerichts, einer Kartoffelsuppe mit Parmaschinkenwürfeln. Sie war gut abgeschmeckt und ein Beispiel, das die Küche des Hauses bei den Zutaten nicht an den Stränden Sardiniens stehen bleibt.

Zum Hauptgang entschied ich mich für Fisch. Im Tagesangebot gab es Seeteufel, der auf den Punkt gebraten mit einer sanften Selleriesauce mit grünem Pfeffer, gerösteten Kartoffeln und Spinat serviert wurde. Als ich nachfragte, woher die besondere Geschmacksnote käme, die ich für Wermut hielt, meinte Marco Oggiano nur: „Das ist unser Geheimnis.“ Dazu trank ich, der Empfehlung folgend, einen weißen Vermentino von Sella & Mosca, dem größten sardischen Weinerzeuger.

Den Abschluss des mediterranen Insel-Menus bildete ein Dessert mit dem mundartlichen Namen „Su gioddu“, ein wunderbar leichte Mousse aus Joghurt, ausdekoriert mit einigen frischen Früchten.
-kopf

Goebenstr. 1, 44267 Dortmund-Kaiserstraßenviertel

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