Der Text erschien erstmals in "Dortmund genießt 2011".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Siegurd Marmetschle ist heute (20214) Inhaber des Restaurants der Brennerei Habbel in Sprockhövel. Im Bahnhof Huckarde befindet sich das BBQ-Restaurant "Friedchen's Bahnhof".
Bahnhofshallen haben bekanntlich ihren eigenen Sound – selbst dann, wenn sie wie beim Alten Bahnhof in Dortmund-Huckarde mit hellem Landhaus-Mobiliar zu einem gemütlichen Restaurant umgebaut worden sind. Wenn dann der Gast noch nuschelt und zudem zur Schwerhörigkeit neigt, kann es zu folgenschweren Missverständnissen kommen. Statt der als Vorspeise bestellten „Gebratenen Kaninchenleber an Salatbouquet und Pflaumen-Ingwer-Chutney“ (8,90 Euro) bekam ich die „Kross gebratenen Riesengarnelen an Gurken-Mangosalat“ (11,50 Euro). Als Restaurant-Tester daran gewöhnt zu essen, was auf den Tisch kommt, ließ ich den farbenprächtig arrangierten Teller nicht zurückgehen – und tat gut daran. Denn die Garnelen waren handwerklich spitzenmäßig zubereitet, knackig gebraten und wunderbar aufgepoppt. Mit der exotischen Süß-Säure von Salat und Dressing waren sie ein wunderbarer Appetitanreger.
Bevor die Vorspeise serviert wurde, hatte ich Zeit genug, meinen Blick durch das Lokal schweifen zu lassen, das sich im Lauf der Zeit zunehmend füllte. Über allerlei Terracotta-Nippes musste ich schmunzeln. Bei der Wasserkarte mit internationalen Edel-Wässern aus Kanada (Gletscherwasser 10 Thousand BC 0,75l 8,90 Euro), Südafrika (0,75l 6,70 Euro, aus der Wüste Karoo) oder Neuseeland (Waiwera 1l 7,80 Euro, aus einer 52 Grad heißen Quelle) kam ich ins ökologische Grübeln, ob ich nicht im falschen Film säße, denn das Dortmunder Leitungswasser hat schließlich beste Trinkwasserqualität. Angenehm fand ich den Stand am Eingang des Lokals, an dem die Weine der rheinhessischen Güter Geil’s, und Schales sowie der Pfälzer Vier Jahreszeiten auch außer Haus verkauft wurden. Insgesamt machte der prächtige Bau, der als Faller-Häuschen jeder Modellbahnanlage der Epoche 1 (Länderbahnen, bis 1920) zur Zierde gereichen würde, einen imponierenden Eindruck.
Der Hauptgang zeigte deutlich, dass Sigurd Marmetschke, der den Alten Bahnhof seit sieben Jahren betreibt, seinen Gästen eine Küche anbieten will, die einen Ausflug nach Huckarde lohnt. Das „Iberische Schweinefilet im Nussmantel gebraten auf provencalischem Kartoffelragout in Sherryrahm“ (17,30 Euro) war eine ausgewogene Komposition, die mediterrane Aromen mit betörender Süße zu einem sinnlichen Genuss verband. Zumal mit dem iberischen Schwein, das mit Eicheln gemästet wird und dessen Fleisch eine geschmacksfördernde Fettmarmorierung aufweist, eine der besten Fleischsorten, die der Gastronomie-Großhandel anbietet, zum Einsatz kommt. Doch leider wurde die Küchenleistung dieser Qualität nicht ganz gerecht, denn das Filet kam auf dem Teller recht trocken daher. Zum Glück gab genug von der köstlichen Sauce, damit es „rutschte“, und der Nussmantel war eine wunderbare Ergänzung zum nach wie vor vorhandenen Eichel-Aroma des Schweins.
Das Dessert, Pflaumen-Tiramisù im Glas (6,90 Euro), hatte ich bereits zu Beginn als Pendant zum Pflaumen-Ingwer-Chutney der Kaninchenleber ausgesucht, die so wunderbar durch die Riesengarnelen ersetzt wurden war. Jetzt musste es sich also allein bewähren und tat es mit Bravour.
Einzeln bestellt, hätten die Gänge insgesamt 35,70 Euro gekostet. Als Dreigang-Menü, bei dem man die Gänge aus der Karte frei kombinieren kann, kam mich die Mahlzeit auf gerade mal 28 Euro. Und das war für das gelungene Menü ein Preis-Leistungs-Verhältnis, bei dem das trockene Schweinefilet kaum ins Gewicht fiel.
-kopf
44369 Dortmund-Huckarde, Altfriedstr. 16
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