Der Text erschien erstmals in "Dortmund genießt 2011"
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2022 residiert unter dieser Adresse das "Rilasso (klick hier)".
Es hat so seine Vor- und Nachteile, wenn man sich sofort, wenn ein Restaurant am frühen Abend öffnet, zum Essen einstellt. Vorteil ist, dass man Einblicke in die mentale Vorbereitung des Betriebes gewinnt, die am späteren Abend nicht mehr möglich sind. So auch bei meinem Besuch des „Da Raffaele“. Koch und Patron Raffaele, mit schwarzem Piratentuch und grauem Bärtchen eine charmante Erscheinung, kommt immer wieder aus der Küche, um immer wieder darin zu verschwinden, der Bedienungsengel und Tochter des Hauses spricht auf der Terrasse temperamentvoll ins Telefonino, der Kellner hantiert scheppernd mit irgendetwas hinter der Theke herum, und irgendwann eilt Mama herbei, um sich ebenfalls eine Küchenschürze umzubinden. Die familiäre Geschäftigkeit, mit der das Abendgeschäft beginnt, steht im liebenswerten Kontrast zur coolen Ausstattung des kleinen Lokals.
Raffaele ist seit Jahrzehnten eine konstante Größe in der gehobenen Dortmunder Gastronomie. Erst im alten „Da Raffaele“ auf der Wittbräucker Straße, dann in der „Spaghetti Factory“ an der B1, wo er fast übererfolgreich einen Ausflug in die Massenverpflegung mit Kultcharakter wagte, und seit 10 Jahren nun im neuen „Da Raffaele“ in Herdecke, wo er sich wieder der weitaus angenehmeren Edel-Gastronomie widmet. Das fast einsam, weit ab vom Schuss gelegene Ristorante strahlt noch immer die gleiche Eleganz wie bei der Eröffnung aus. Dominiert von den tiefrot gestrichenen Wänden mit großformatigen Bildern, laden kleine, schön weiß eingedeckte Tische wie in einer Trattoria zum unkomplizierten guten Essen ein. Bei soviel individuell entworfener Stylishkeit musste ich schmunzeln, als ich auf einem robusten Steakmesser, das mir gereicht wurde, den Schriftzug „Ikea“ entdeckte. Die Dortmunder (und Hagener) Stammgäste scheuen den Weg in die ländliche Idylle in Herdecke nicht, und schnell ist der Rand der Dortmunder Landstraße mit Cabrios, SUVs und Limousinen zugeparkt.
Ich wunderte mich schon, dass wirklich jeder Gast, der nach und nach eintrudelte, mit Namen angesprochen und Küsschen bzw. Handschlag begrüßt wurde – und dann so seltsame Gerichte wie Spiegelei oder nur in Butter geschwenkte Nudeln bekam. Bis Raffaele mit einer männerfaustgroßen weißen Trüffel aus der Küche kam und jedem ein Portiönchen auf die warme Mahlzeit hobelte, nicht ohne zwischendurch auf einer kleinen Waage sorgsam auszuwiegen, um wieviel Gramm die aromatische Knolle jeweils geschrumpft war.
Warum hatte man mir das bei meiner Bestellung bloß nicht gesagt, dass es auch Trüffel gab, die auf der Karte nicht angezeigt waren? So hatte ich meine Mahlzeit schon fast hinter mir, als Raffaele endlich zu mir kam und mir den 172 Gramm schweren Edelpilz unter die Nase hielt. Schon fabelhaft gesättigt, musste ich mich mit dem Duft begnügen, der den Raum erfüllte. Das war halt der Nachteil, den ich hatte, als ich so früh gekommen war.
Das Essen, das ich zu mir genommen hatte, war aber auch nicht ohne. Raffaele pflegt eine italienische Gourmetküche, die internationales Format hat, bestens symbolisiert durch den Wein, der mir empfohlen wurde. Der 2007er Mediterra stammte zwar vom toskanischen Erzeuger Poggio al Tesoro, war aber eine Cuvée aus den Trauben Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah, die in Europa für französische Weine typisch sind. Je mehr Luft der Wein im Glas bekam, desto mehr entfaltete er seinen kräftigen Cassis-Duft.
Nach dem Amuse bouche, einem Ausflug in die japanische Küche, der aus Thunfisch-Ragout mit Ingwer auf Sprossen und Sojasauce bestand, wurde es dann aber echt italienisch. Der Aufstrich, der zum knusprig aufgebackenen Brot gereicht wurde, war reiner Mascarpone. Da ich Lust sowohl auf eine Vorspeise als auch einen Pastagang vor dem Hauptgang hatte, ließ ich mir beides als kleine Portion servieren: knackig gebratene Scampi auf angenehm säuerlich abgeschmeckten Linsen und Salat (13 Euro, kleine Portion 6,50 Euro) und feine Bandnudeln in Steinpilzrahmsauce (14 Euro, kleine Portion 10 Euro), deren Steinpilzaroma durch eine stimmige Würzung hervorgelockt wurde. Der Hauptgang, der mir empfohlen worden war, hätte genauso als französisch wie italienisch durchgehen können: irischer Lammrücken auf Flageolet-Bohnen mit Kartoffelpüree (22,80 Euro). Das Fleisch war natürlich rosa gebraten und zerging auf der Zunge, die kleinen blassgrünen Bohnen in cremiger Sauce eine wunderbare Ergänzung dazu. Als Dessert gab es ein Moccaparfait (8,50 Euro) mit frischen Früchten, das wunderbarerweise nicht zu süß war.
Als ich „Da Raffaele“ verließ, schwelgten die Stammgäste immer noch in ihren Trüffeln. Ich aber freute mich, dass ich in diesem noblen Laden so preisgünstig essen konnte. Keines der Hauptgerichte auf der Karte erreichte die 30-Euro-Marke, das schottische Rib-Eye-Steak vom Grill mit Gemüse „Donald Russel“ war mit 28,50 Euro das teuerste. Der Wein, von dem ich immerhin eine Drittel Flasche verkonsumiert hatte, kostete gerade einmal 7,50 Euro. Davon könnte sich manch anderer Edelitaliener in der Metropole Ruhr ruhig eine Scheibe abschneiden.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2022 residiert unter dieser Adresse das "Rilasso (klick hier)".
Es hat so seine Vor- und Nachteile, wenn man sich sofort, wenn ein Restaurant am frühen Abend öffnet, zum Essen einstellt. Vorteil ist, dass man Einblicke in die mentale Vorbereitung des Betriebes gewinnt, die am späteren Abend nicht mehr möglich sind. So auch bei meinem Besuch des „Da Raffaele“. Koch und Patron Raffaele, mit schwarzem Piratentuch und grauem Bärtchen eine charmante Erscheinung, kommt immer wieder aus der Küche, um immer wieder darin zu verschwinden, der Bedienungsengel und Tochter des Hauses spricht auf der Terrasse temperamentvoll ins Telefonino, der Kellner hantiert scheppernd mit irgendetwas hinter der Theke herum, und irgendwann eilt Mama herbei, um sich ebenfalls eine Küchenschürze umzubinden. Die familiäre Geschäftigkeit, mit der das Abendgeschäft beginnt, steht im liebenswerten Kontrast zur coolen Ausstattung des kleinen Lokals.
Raffaele ist seit Jahrzehnten eine konstante Größe in der gehobenen Dortmunder Gastronomie. Erst im alten „Da Raffaele“ auf der Wittbräucker Straße, dann in der „Spaghetti Factory“ an der B1, wo er fast übererfolgreich einen Ausflug in die Massenverpflegung mit Kultcharakter wagte, und seit 10 Jahren nun im neuen „Da Raffaele“ in Herdecke, wo er sich wieder der weitaus angenehmeren Edel-Gastronomie widmet. Das fast einsam, weit ab vom Schuss gelegene Ristorante strahlt noch immer die gleiche Eleganz wie bei der Eröffnung aus. Dominiert von den tiefrot gestrichenen Wänden mit großformatigen Bildern, laden kleine, schön weiß eingedeckte Tische wie in einer Trattoria zum unkomplizierten guten Essen ein. Bei soviel individuell entworfener Stylishkeit musste ich schmunzeln, als ich auf einem robusten Steakmesser, das mir gereicht wurde, den Schriftzug „Ikea“ entdeckte. Die Dortmunder (und Hagener) Stammgäste scheuen den Weg in die ländliche Idylle in Herdecke nicht, und schnell ist der Rand der Dortmunder Landstraße mit Cabrios, SUVs und Limousinen zugeparkt.
Ich wunderte mich schon, dass wirklich jeder Gast, der nach und nach eintrudelte, mit Namen angesprochen und Küsschen bzw. Handschlag begrüßt wurde – und dann so seltsame Gerichte wie Spiegelei oder nur in Butter geschwenkte Nudeln bekam. Bis Raffaele mit einer männerfaustgroßen weißen Trüffel aus der Küche kam und jedem ein Portiönchen auf die warme Mahlzeit hobelte, nicht ohne zwischendurch auf einer kleinen Waage sorgsam auszuwiegen, um wieviel Gramm die aromatische Knolle jeweils geschrumpft war.
Warum hatte man mir das bei meiner Bestellung bloß nicht gesagt, dass es auch Trüffel gab, die auf der Karte nicht angezeigt waren? So hatte ich meine Mahlzeit schon fast hinter mir, als Raffaele endlich zu mir kam und mir den 172 Gramm schweren Edelpilz unter die Nase hielt. Schon fabelhaft gesättigt, musste ich mich mit dem Duft begnügen, der den Raum erfüllte. Das war halt der Nachteil, den ich hatte, als ich so früh gekommen war.
Das Essen, das ich zu mir genommen hatte, war aber auch nicht ohne. Raffaele pflegt eine italienische Gourmetküche, die internationales Format hat, bestens symbolisiert durch den Wein, der mir empfohlen wurde. Der 2007er Mediterra stammte zwar vom toskanischen Erzeuger Poggio al Tesoro, war aber eine Cuvée aus den Trauben Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah, die in Europa für französische Weine typisch sind. Je mehr Luft der Wein im Glas bekam, desto mehr entfaltete er seinen kräftigen Cassis-Duft.
Nach dem Amuse bouche, einem Ausflug in die japanische Küche, der aus Thunfisch-Ragout mit Ingwer auf Sprossen und Sojasauce bestand, wurde es dann aber echt italienisch. Der Aufstrich, der zum knusprig aufgebackenen Brot gereicht wurde, war reiner Mascarpone. Da ich Lust sowohl auf eine Vorspeise als auch einen Pastagang vor dem Hauptgang hatte, ließ ich mir beides als kleine Portion servieren: knackig gebratene Scampi auf angenehm säuerlich abgeschmeckten Linsen und Salat (13 Euro, kleine Portion 6,50 Euro) und feine Bandnudeln in Steinpilzrahmsauce (14 Euro, kleine Portion 10 Euro), deren Steinpilzaroma durch eine stimmige Würzung hervorgelockt wurde. Der Hauptgang, der mir empfohlen worden war, hätte genauso als französisch wie italienisch durchgehen können: irischer Lammrücken auf Flageolet-Bohnen mit Kartoffelpüree (22,80 Euro). Das Fleisch war natürlich rosa gebraten und zerging auf der Zunge, die kleinen blassgrünen Bohnen in cremiger Sauce eine wunderbare Ergänzung dazu. Als Dessert gab es ein Moccaparfait (8,50 Euro) mit frischen Früchten, das wunderbarerweise nicht zu süß war.
Als ich „Da Raffaele“ verließ, schwelgten die Stammgäste immer noch in ihren Trüffeln. Ich aber freute mich, dass ich in diesem noblen Laden so preisgünstig essen konnte. Keines der Hauptgerichte auf der Karte erreichte die 30-Euro-Marke, das schottische Rib-Eye-Steak vom Grill mit Gemüse „Donald Russel“ war mit 28,50 Euro das teuerste. Der Wein, von dem ich immerhin eine Drittel Flasche verkonsumiert hatte, kostete gerade einmal 7,50 Euro. Davon könnte sich manch anderer Edelitaliener in der Metropole Ruhr ruhig eine Scheibe abschneiden.
-kopf
Herdecke, Dortmunder Landstr. 45
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