Der Text erschien erstmals in "Duisburg geht aus 2013/2014".
Das Restaurant gibt es in dieser ambitionierten Form nicht mehr.
Ich weiß ja, dass Vergleiche hinken, aber irgendwie musste ich an einen Besuch bei Frank Rosin denken, als ich im „Akazienhof“ saß. Der in Ziegelrot verklinkerte Bau, an dem ich fast vorbei gefahren wäre, die kühle, helle und moderne Einrichtung mit den cremefarbenen Lederstühlen, die violett strahlenden Theke, die Schiefertafeln, auf denen die Gerichte serviert wurden, all das erinnerte mich an das mit zwei Michelin-Sternen hoch dekorierte Lokal des Fernsehkochs aus Dorsten. Dazu noch der perfekte Service unter Leitung der charmanten Ellen Kottmann, die kompetent auf alle Fragen eine Antwort wusste und, sekundiert von zwei weiteren Saaltöchtern, elegant die Gerichte auftrug – die Rituale der Sternegastronomie funktionierten auf jeden Fall im „Akazienhof“.
Von Beginn an wollte der Hotel-Betreiber Mikael Aydöner mit seinem Restaurant die Lücke zwischen normaler und Sternegastronomie schließen, und mit seinem jetzigen Küchenchef Günter Rönner ist er einen guten Schritt weiter gekommen. Im diesjährigen Restaurant-Ranking von Gerolsteiner, das alle großen überregional Restaurantführer auswertet, machte der „Akazienhof“ unter den Duisburger Lokalen einen großen Sprung von Platz 12 auf 5.
Das, was Rönner auf die Teller bringt, ist hoch artifizell und verlangt vom Gast konzentriertes Schmecken. Um die eleganten Texturen hervorzubringen, nutzte Rönner häufig moderne Kochtechniken, optisch wirken seine Kreationen wie die Auslagen eines Juweliers. „Genusstheater“ nennt Rönner seine Menüfolgen, die in neun, sechs oder drei Gängen anbietet (ca. 90, 60 oder 35 Euro, wahlweise mit Weinbegleitung). Häufig kommt Rönner aus der Küche, um mit seinen Gästen (nicht nur) über das Essen zu plaudern, oder auch, um eigenhändig am Tisch die Trüffel über Gänge wie „Süßsaure Rübchen im Trüffelnest mit grünen Tomaten“ zu hobeln.
Allein sein kulinarischer Gruß aus der Küche birgt so viele Komponenten wie anderswo ein ganzes Menü. Ein Häppchen Curry-Tomaten-Orangen-Mouse mit Quinoa, einem südamerikanischen Urgetreide, und Kartoffelcrumble sowie ein Stück geräucherte Ente mit Chili-Kaviar begleiten eine Poulardenterrine mit Fenchel, Chioggiabeete, Pulpo-Kartoffelpapier, zu der noch Spuren von süßsaurer Kohlrabi und Tomaten- und Knoblauch-Textur gehören und die in Matcha-Erde paniert ist. Bei der Matcha-Erde handelt es sich anscheinend um die schmackhafte Verwertung der aufgebrühten Teeblätter aus einem anderen Gang des „Genusstheaters“, Wildfang-Bonito-Thunfisch im grünen Tee gegart, Petersilienwurzel, Bio-Wachtelei, Kaviar.
Beeindruckt bin ich von dem regionalen Gang, „Eifeler Kaninchen, rote Linsen, Bärlauch, Granny Smith“. Das Fleisch kommt in zwei Aggregatzuständen auf den Tisch, als Terrine und als sanft gegartes Filet am Stück. Die winzigen Apfelwürfel sorgen für ein angenehmes Süße-Säure-Spiel, und aus dem eigentlich deftigen Bärlauch hat Günter Rönner eine lange, dünne Gelee-Schlange destilliert, die durch ihr sanftes Knoblauch-Aroma besticht. Zum Kaninchen empfiehlt mir Ellen Kottmann einen kräftigen Gavi di Gavi (0,1 l 3,80 Euro), den sie großzügig einschenkt.
Sehr schön ist auch der zweite Fleischgang, den ich probiere, „US-Nebraska Rinderfilet mit Bio-Saitlingen, Poveraden und Topinambur“. Poveraden sind kleine Artischocken mit intensivem Geschmack, die in ihrer leicht mehligen Konsistenz gut zum Topinambur, der hier die Kartoffeln ersetzt, passen. Das Fleisch war natürlich tadellos gegart, außen dunkel und innen von einem leuchtenden Rot. Dazu war der portugiesische Rotwein „Fabelhaft“ von Niepoort (0,1l 4,80) ein Genuss.
Man könnte auch in den weiteren Gängen des „Gebusstheaters“ schwelgen, etwa Foie gras mit Haselnüssen und karamellisiertem Spargel oder Jakobsmuschel und Seeteufelbäckchen mit Mumbai-Curry in der Schale gebacken. Doch nutze ich diese Zeilen lieber für ein paar Worte zum Dessert. Das geflammte Eierliköreis mit Erdbeere, Waldmeister und Szechuan-Pfeffer war zu einem Genuss-Diorama auf einer schmalen, rechteckigen Schieferplatte drapiert und entfaltete im Mund eine schöne Geschmacksvielfalt.
Den Appetit auf noch mehr Süßes stillten schließlich die Pralinen zum Capuccino (2,80 Euro)nach dem Essen. Auf einem Bett aus Mandelkrokant lagen eine After-Eight-Bällchen, Erdbeer-Champagner- und Kaffee-Trüffeln. Und nicht zu vergessen ein nach türkischem Rezept hergestelltes Baklava aus Pistazien und Honig.
Mal sehen, ob die Tester vom Michelin den „Akazienhof“ bald entdecken. Normal sterbliche Genießer sollten sonntags vorbeischauen. Dann gibt es zwar nicht das große „Genusstheater“, aber immerhin ein preiswertes Menü für ca. 25 Euro aus Günter Rönners Küche.
-kopf
47053 Duisburg, Düsseldorfer Str. 270
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