Der Text erschien erstmals in "Ruhrgebiet geht aus 2015/2016".
Die VestTafel gibt es nicht mehr. Das Restaurant im Parkhotel Engelsburg firmiiert heuet (2025) unter "Engels in der Burg".
Seit jeher ist die Engelsburg eine der führenden Hoteladressen im Vest, und man versuchte in dem barocken Schlösschen am Rand der Recklinghäuser Innenstadt immer wieder, gehobene Gastronomie in der Region zu etablieren. Vor ein paar Jahren bemühte sich hier Suvad Memovic, heute Küchenchef in der Marler Loemühle, um ambitionierte Küche, musste aber schließlich aufgeben. Danach wurde das im Stil der Jahrtausendwende renovierte Engelsburg-Restaurant eine Zeitlang nur als Speisesaal fürs Hotel genutzt, bis vor vier Jahren neues kulinarisches Leben unter dem Namen VestTafel erblühte. Die Lage des Restaurants ist dafür schließlich ideal. Direkt gegenüber befindet sich an der schmalen Augustinessenstraße eines der Recklinghäuser Parkhäuser.
Statt auf artifizielle Gourmetküche setzen Mirela Huhmann und Thomas Große auf den Trend zur nachhaltigen Bioküche. Wenn möglich, kochen sie mit Produkten aus der Region, und immer bieten sie eine vegetarische Alternative. Unterstrichen wird diese moderne Küchenauffassung durch die unkomplizierte Bedienung, die bei aller Formvollendung mit einer szenemäßigen, fast hemdsärmeligen Aufmerksamkeit auftritt und keinerlei Schwellenangst aufkommen lässt.
Häufig tauchen die A-la-carte-Gerichte, die auf einer handgeschriebenen Tafel Platz haben, auch im Menü-Angebot auf. So scheint es mir sinnvoll, mit dem Menue-Karussell-Menü eine kleine Degustationsreise durch die Küche der VestTafel zu machen. Auf den Loup de Mer zum Hauptgang verzichte ich zugunsten eines Gemüse-Couscous, und so habe ich ein komplett vegetarisches Menü. Ob ich nun, wie viele Vegetarier meinen, mit dem Verzicht auf Fisch und Fleisch die Welt rette, weiß ich nicht. Kulinarisch jedenfalls muss ich keinerlei Abstriche machen.
Bei der Kalkulation von 45 Euro, in die auch noch eine große Flasche Wasser sowie zwei Weißweine und ein Rotwein gehören, gibt es leider kein Amuse bouche, sondern man mit dem ersten Gang sofort zur Sache. Die Birnentarte mit Ricotta und einem Chutney mit rotem Pfeffer könnte glatt als Dessert durchgehen, doch besteht der Hauptgeschmack nicht in der Süße, sondern in einer delikaten Würzigkeit, die durch einige Wildkräuter noch unterstrichen wird.
Zusammen mit einem Gläschen Riesling macht dieser Einstig Appetit auf ein cremiges Pastinaken-Süppchen, das, wie mir versichert wird, ohne Fleischbrühe zubereitet ist. Getrüffelte Pumpernickelbrösel sorgen für rustikalen Luxus, bedeuten mit ihrer Härte aber auch, dass ein wenig die Zähne strapaziert werden. Das Glas Chardonnay ist eine schöne Ergänzung dazu.
Der vegetarische Hauptgang ist eine kleine Augenweide. Goldgelb leuchtet der Gemüse-Couscous auf dem Teller, umrahmt von einem aufgeschäumten Sößchen aus Mango und Mandel. Von Zurückhaltend orientalisch gewürzt passt er gut zu dem schweren Rotwein, der dazu serviert wird. Optisch wird eine Fleischbeilage durch panierte Tomatenscheiben ersetzt, die für eine gewisse Saftigkeit sorgen.
Insgesamt ist das Menü so leicht, dass der Nachtisch ohne verdauungsbedingte Verzögerung eingenommen werden kann. Die geeiste Crème brûlée mit Lavendel, Waldbeeren und Biskuit erinnert an schöne Sommertage in Südfrankreich und ist ein gelungener Abschluss, begleitet von einem koffeinfreien Capuccino (2,50 Euro), natürlich aus fairem Handel.
-kopf
45657 Recklinghausen, Augustinessenstraße 10
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