Donnerstag, 8. Oktober 2015

Aus dem Archiv: Da Mario in der Birschelmühle - Umami macht glücklich

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2016"
Das Restaurant ist in die Hattinger Innenstadt umgezogen. 


Die Birschelmühle an der Hattinger Ruhrbrücke ist ein einzigartiges Denkmal der Industriekultur im romantischen Tudorstil, das heute gastronomisch und als exklusive Wohnanlage genutzt wird. Ich bin freudig überrascht, als mich Sylwia, die Bedienung bei Mario, sofort in den wintergartenartigen Anbau des eleganten italienischen Restaurants führt, wo schon einige Gäste sitzen. Von dort hat man durch die großen Fenster eine schöne Aussicht auf die Bucht, die entstand, als die Ruhr hier vor mehr als 50 Jahren begradigt wurde.

Im Sommer ist die kleine Terrasse vor dem Eingang ein beliebtes Ausflugsziel für Radler und Spaziergänger, denn es gibt bei Mario nachmittags Kaffee und Kuchen, und der Aperol Sprizz kann es mit seinen Verwandten in Venedig getrost aufnehmen. Die Kleinigkeiten der warmen Küche sind ebenfalls nicht zu verachten. Ich erinnere ich mich gern an die Pizza Speciale mit Birnen, Tiroler Speck und roten Zwiebeln (12,50 Euro) als ein saftiges Pizza-Erlebnis auf dünnem, knusprigem Teig, das Zutaten kombiniert, wie man sie anderswo selten bekommt.

Überhaupt legt man bei Mario viel Wert auf gute und außergewöhnliche Zutaten. Das Angebot der Standardkarte ist ein durchdachter Streifzug durch die gehobene italienische Küche. So taucht die Birne z.B. auch als Beigabe zu Feldsalat mit Walnüssen und Balsamico auf. Carpaccio gibt es nicht nur vom Rind, sondern auch vom Seeteufel.

Die wahren Schmankerln findet man jedoch auf der Tageskarte, die als handgeschriebene Tafel auf einer Art Notenständer an den Tisch gebracht wird. Unter den fünf, sechs saisonbedingten Spezialitäten sticht mir sofort der Risotto mit frischen Steinpilzen ins Auge, der mit 22,50 Euro allerdings einen überaus stolzen Preis hat. Doch ich kann ihn auch als kleine Vorspeisen-Portion haben, die schließlich mit 15,50 Euro zu Buche schlägt. Da bleibt vom Ausgeh-Etat immer noch genug übrig, dass ich mir auch noch ein Hauptgericht und ein Dessert leisten kann.

Der Risotto ist tadellos, ein wenig schlotzig, der Reis noch mit etwas Biss. Brühe, Parmesankäse und natürlich die aromatischen Steinpilze haben beim langsamen Risotto-Kochen genau den Geschmack entwickelt, der unter dem japanischen Namen Umami als fünfte, die Sinne betörende Geschmacks-Richtung in die Sensorik eingegangen.

Der Hauptgang, ebenfalls von der Tageskarte, ist ein ebensolcher Glücklichmacher, Kaninchen auf ligurische Art (23,50 Euro). Das bedeutet, dass in der gebundenen Weißweinsauce schwarze Taggiasca-Oliven und Pinienkerne auftauchen. Pinienkerne hätten es ein paar mehr sein können, doch dafür finde ich noch einige Kapernfrüchte. Das Fleisch der beiden Kaninchen-Hinterläufe ist löffelweich bis an den Rand der Faserigkeit geschmort und fällt vom Knochen, wenn man es mit dem Besteck berührt. Auch die Sauce schmeckt wunderbar umami, dass ich froh bin, mit dem Beilagen-Mangold und den Rosmarinkartoffeln die Reste behaglich auftunken zu können.

Zu Risotto und Kaninchen passt der süditalienische Primitivo die Manduria (0,2-l-Glas 7,80 Euro) mit seiner dunklen Fruchtigkeit ganz hervorragend. Und auch die Aromen des Nachtischs spiegelt er ganz unkompliziert wider, so dass ich es problemlos verschmerzen kann, dass es keinen koffeinfreien Caffè gibt. Beim Dessert handelt sich um einen Bonnet (5,80 Euro), einen kuchenähnlichen Schokoladen-Pudding aus dem Piemont, mit frischen Beerenfrüchten und Vanillesauce.

-kopf

45525 Hattingen, Schleusenstr. 8

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