Donnerstag, 15. August 2024

Gourmetmeilen 2024: „Dortmund à la carte“ löppt.

Jakobsmuscheln mit Linsen und Rote Beete, Alberto Verde

Ich bin immer wieder davon beeindruckt, mit welcher Vehemenz die Dortmunder Kulinariker in der einschlägigen Facebook-Gruppe ihre Leidenschaft für ihre lokalen Gourmetmeilen vertreten. Entweder ist man Fan für die „Gourmedo“, oder man ist es für „Dortmuder à la carte“. Dabei scheint mir diese Polarisierung doch eher den Stand der Diskussion vor über zehn Jahren widerzugeben. Schon 2011 war „Dortmund à la carte“ seit einem Vierteljahrhundert der Platzhirsch in der Westfalenmetropole, und die Gründungsgranden der erfolgreichen Gastro-Veranstaltung hatten sich hinter einer Wagenburg-Mentalität verschanzt, die keine Innovation zuließ. Da brachte die „Gourmedo“ frischen Wind, präsentierte die junge und experimentelle Gastronomie, die in Dortmund entstanden war. Allerdings musste man in die unendlichen Weiten des Münsterlandes bis ins Örtchen Wadersloh vorstoßen, um ein Sterne-Restaurant zu finden, das sein Pagodenzelt auf dem Friedensplatz aufstellen wollte; in Dortmund selbst gab es damals keines (mehr).

Noch herrscht Ruhe vor dem Sturm

Doch das hat sich im Laufe der Jahre ziemlich geändert. Die meisten der traditionellen Urgesteinen sind bei „Dortmund à la carte“ im Lauf der Zeit ausgeschieden, „Matenaar’s“, „Ringhotel Drees“ und „Tante Amanda“ und „Freischütz“ halten noch die Stellung. Die „jüngeren“ Neuzugänge könnten, so scheint es mir, aber auch zum Portfolio der „Goumedo“ gehören. In diesem Jahr sind das „Rodenberg 1770“ und „Albero Verde“, aber auch „Emil“, „Brauturm“, „Treppchen 1763“ und „Vetro“, die schon länger dabei sind, würden mich auf der „anderen“ Veranstaltung nicht wundern. „Dieckmann’s“ ist ja schon seit längerem auf beiden Meilen vertreten, auf der „Gourmedo“ mit seiner Jugendabteilung „Schönes Leben“. Und als Krönung der Dortmunder Gastronomie sind in diesem Jahr erstmals Michael Dylong und Ciro de Luca mit ihrem Sterne-Restaurant „The Stage“ und dem „Vida“ als Gäste auf „Dortmund à la carte“ dabei. Der Gegensatz „westfälische Bräsigkeit“ vs. „experimentelle Frische“ ist kulinarisch längst nicht mehr gegeben.

Aber auch optisch hat sich bei „Dortmund à la carte“ in den letzten Jahren viel getan. Nachdem schließlich der Magic Sky die „Gourmedo“ überspannte und der Veranstaltung ein wunderbar beschwingtes Markenzeichen gab, entschloss man sich bei „Dortmund à la carte“, die alten nikotingelben Bierzelte, mit denen sich die Gastronomen zuerst auf dem Alten Markt, dann auf dem Hansaplatz zur Schildkröte formierten, durch moderne und chice Pop-Up-Restaurants zu ersetzen. Und um ehrlich zu sein, ich als in die Jahre gekommen Genießer weiß es mittlerweile sehr zu schätzen, dass ich hier meist auf bequemen Stühlen sitzen kann, wo ich selbst im größten Trubel am Platz bedient werde, statt wie auf der „Gourmedo“ erst am Stand Schlange stehen muss, bis ich meinen Teller bekomme, den ich dann, vielleicht mit einem gefüllten Weinglas in der anderen Hand, zwischen eng stehen Bierbänken zu einem freien Platz balancieren muss.


Et löppt: Fassanstich mit Oberbürgermeister Thomas Westphal

Gestern schließlich war die Eröffnung von „Dortmund à la carte“. Der Publikumsbetrieb begann schon am Mittag, Um 17 Uhr eröffnete der Dortmunder Oberbürgermeister Thomas Westphal mit dem traditionelle Anstich eines Fasses Bier offiziell die Veranstaltung, ein Ritual, das wohl noch aus jenen archaischen Zeiten stammt, als die Dortmunder Gourmetmeile das Münchener Oktoberfest zum Vorbild hatte (und das, soweit ich es übersehe, nur noch bei „Zu Gast in Recklinghausen“ praktiziert wird, ebenfalls ein Veteran unter den Gourmetmeilen im Ruhrgebiet).

Rund um den Fassanstich probierte ich mich durch das Angebot der Neuzugänge oder naschte bei meinen Mitstreiten mit. Wie bei den Besuchen auf den anderen Gourmetmeilen in diesem Jahr, kamen mir die Portionen ziemlich groß vor, was, wie man mir bei meinem Besuch in Bochum erklärt hatte, damit zu tun hat, dass die Portionen in diesem Jahr in der Regel um die 15 Euro kosten (müssen), was ja ein ziemlicher Preisanstieg ist. Und da muss ja dann auch etwas auf dem Teller sein. (Dass die Menge der Lebensmittel auf dem Teller am Preis den kleinsten Anteil hat, wirkt irgendwie absurd, ist aber so.) Dabei bemerkte ich, dass zwar früher Messer und Gabel ausreichten, um zu essen, heutzutage aber auch ein Handy vonnöten ist. Die Preise der Gerichte sind im Programmheft leider nicht aufgeführt, stattdessen gibt es QR-Codes, die man scannen muss, um die Preise aufs Handy zu bekommen. Allerdings gibt es an den Ständen auch Aushänge und Speisekarten.



Feines bei „Dortmund à la carte“
14.8.2024


VIDA und THE STAGE
THE STAGE SPECIAL
Tatar „Trio”
Pikantes Beef Tatar von der Husumer Färse, Thunfisch Tatar mit Wasabi Gurken, Avocado Tatar mit Hummersalat. (22 Euro)
Mit 20g Kaviar „Caspian Gold Premium Selection“ (30 Euro)

Während Sterne-Koch Michael Dyllong sich auf der „Gourmedo“ damit begnügte, noch einmal die geschmacklich überwaltigenden, aber wenig formschönen Risotto-Spezialitäten wie im letzten Jahr zu bringen, präsentierte er hier eine Trilogie, bei der man sich in seinen Restaurant THE STAGE versetzt fühlt.

Wer den wahren Luxus nicht scheut, kann 30 Euro drauflegen und eine 20-Gramm-Döschen Kaviar dazu bestellen.




VIDA und THE STAGE
Bacalao
im Ofen gebackenes Kabeljaufilet mit „Pico de Gallo“ (Tomate, Zwiebel, Koriander Dressing), Ofenkartoffeln mit Rosmarinbutter und geräucherten Salatherzen und leichtem Mahón Dressing (17 Euro)

Ein wunderbares, anscheinend balearisch inspiriertes Fischgericht, das sich dank der detaillierten Beschreibung im Programmheft selbst erklärt. Mahón ist die Hauptstadt von Menorca, von der sich die Bezeichnung Mayonnaise ableitet. Allerdings musste ich eine erste Version zurückgehen lassen, weil der Fisch vertrocknet war, bekam aber anstandslos einwandfreien Ersatz. Leider habe ich nicht nachgefragt, ob der Begriff „Bacalao“ nur die spanische Übersetzung von Kabeljau ist oder ob es sich wirklich um Klippfisch, den getrockneten und eingesalzenen Kabeljau handelt, der im Portugiesischen „Bacalhau“ heißt und vor der Verarbeitung ganz besonders behandelt werden muss.

Im Glas ein Blanc de noir vom Weingut Milch




Rodenberg 1770
Pulpo vom Grill
in Zitronen-Krätuer-Marinade auf Salatbouquet
Hervorragend marinierter und wunderbar zart gegrillter Tintenfisch.



Erfrischung zwischendurch




Albero Verde
Jacobsmuscheln
mit Balsamico-Beluga-Linsen und Rote Beete (12 Euro)
Die Jakobsmuscheln waren auf den Punkt gebraten. Die schwarzen Linsen sahen zwar aus wie ein Häuflein Eierkohlen auf einer Modelleisenbahnanlge, waren aber vorzüglich gegart und hatten einen opitmalen Biss. Ohne die Roten Beete hatte ich mich wahrscheinlich über etwas mehr Balsamico gefreut, mit der Roten Beete bekamen sie aber eine köstliche Fruchtigkeit.




Dieckmann’s
Spinat Knödel
mit Parmesancrème, Spinatsalat und Parmesan (Preis nicht notiert)
Zwei von den Dingern verdrückt, und man ist eine Woche lang satt. Doch entschädigt dafür wird man durch eine Parmesan-Umami-Dröhnung, die genauso lange vorhält. Und dank der Parmesancrème rutscht auch noch der letzte Bissen mit Appetit.


Eistee


Dortmund à la carte. Innestadt, Hansaplatz. Ab 11 Uhr. Geht noch bis zum 18. August 2024. Alle Infos hier.



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