Mittwoch, 26. Juli 2006

Aus dem Archiv: La Buvette - Ruhr-Französisch

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Das französische Wort „buvette“ bedeutet nach meinem alten Langenscheidt „Erfrischungsraum“ oder bei der Eisenbahn „Restauration dritter Klasse“. Allerdings ist das Wörterbuch ein Familienerbstück aus dem Jahr 1929. Auf Wilfried und Monika Hansels Restaurant „La Buvette“ auf dem Werdener Pastoratsberg hoch über der Ruhr treffen diese Definitionen allerdings nicht zu, es sei denn, man unterstellt den Betreibern einen Hang zum trockenen Understatement. Vielmehr handelt es sich um ein gediegenes Restaurant in einem antiken Fachwerkhaus, das mit viel Geschmack restauriert ist.

Allein die Anfahrt ist ein Weg in die verwunschene Idylle. Zwei Gasträume werden durch ein filigranes marokkanisches Haremsgitter von einander getrennt, das die Fachwerkbalkenkonstruktion verspielt reflektiert. In dem einen Raum lädt eine große runde Tafel zum Bankett, während in dem anderen sich vier oder fünf Tische um einen surrealistischen Designer-Kamin gruppieren. Bei gutem Wetter sitzt man auf der kleinen Terrasse wie im Paradies. Gourmet-Atmosphäre füllt das Haus, das Anfang der 80er Jahre sogar mit einem Michelin-Stern dekoriert war. Dass es heute den Perfektions-Fanatikern des exklusiven Gastro-Guides nicht mehr genügt, hat wohl weniger mit Wilfried Hansels Kochkunst zu tun, als mit dem reduzierten Aufwand, der hier betrieben wird. Denn anders als in dem bekannten Sterne-Tempel ein paar Kilometer weiter die Ruhr hinab ist hier keine arbeitsteilige Küchenbrigade am Werk, sondern Wilfried Hansel steht allein am Herd, nur bewacht von einem gutmütig dreinschauenden Berner Sennenhund.

Da konnte dann z.B. unser Dessert wohl kaum ein aufwendiges Patisserie-Kunstwerk sein, sondern nur ein Teller voll leckerer Himbeercrème mit Früchten. Auch Monika Hansel besorgt den Service allein und war gewiss aufmerksam, doch hätte wir uns über einen Tick Zuwendung mehr durchaus gefreut.

Die Tatsache, dass die Menüs häufig nur für zwei Personen erhältlich sind, scheint ebenfalls einer gewissen Rationalisierung geschuldet zu sein. Immerhin konnten wir beim inklusive Amuse gueulle viergängigen „La Buvette“-Menüs (EUR 56,40) zwischen einem Fleisch- und einem Fischgang wählen; das Sommer-Menü zu EUR 46,80 hätten wir telefonisch vorbestellen müssen, was sich uns aus der Internetseite nicht so erschlossen hatte. Die Plat du Jour für EUR 31, die im Internet noch verlockend erschien, wurde uns am Tisch gar nicht angeboten.

Groß war die Freude, als wir auf der Weinkarte die Cuvée Columelle (EUR 38) der Domaine Richeaume, einem von einem Deutschen in der Provence geleiteten Öko-Betrieb, fanden und für diese Cabernet-Syrah-Assemblage die eingedeckten kleinen Wein-Stamperln gegen passable Rotweingläser ausgetauscht wurden.

Das „La Buvette“-Menü war dann nicht übel. Die unprätentiöse Lachsrose mit einem etwas harten Stückchen Melone zum Amuse gueulle war raffiniert mit Traubenkernöl gewürzt und machte Appetit auf mehr. Im Laufe meiner Tester-Karriere für „Essen geht aus“ musste ich ja schon manch missratenes Carpaccio zu mir nehmen. Doch das rohe Weideochsenfilet der Vorspeise war einfach ein Genuss – das Fleisch war zart und doch kernig und wurde im Geschmack durch ein pikantes Dressing mit Pinienkernen unterstützt. Dazu gab es eine saftig gegrillte Tiefseegamba auf einem feinen Gurkenbett und eine nicht weniger saftige Wachtelkeule auf süß-scharfer Sauce - Fernost schickte einen Gruß nach Frankreich. Fisch und Fleisch der beiden Hauptgänge verband der Mantel aus luftgetrocknetem Schinken. Sowohl die Lotte-Medaillons als auch die Kalbsbrust wurden dadurch saftig gehalten. Der Fisch schwamm in einer sommerlich-süßen Tomaten-„Beurre blanc“, zu der die mit Couscous gefüllte Paprikaschote allerdings etwas improvisiert aussah – die Ratatouille war wohl alle. Das Kalb konnte sich an einer dunklen Trüffelsauce erfreuen, die trotz der beiliegenden Pfifferlinge einen recht herbstlichen Charakter hatte, aber auch im Sommer schmeckte.

Wäre uns nach dem Dessert noch ein Kaffee angeboten worden, wir hätten ihn glatt genommen. Doch dafür entschädigte uns ein netter Plausch mit Wilfried Hansel über Frankreich allgemein und die Provence im Besonderen, wobei nach unserem Lob der Lotte-Medaillons nur ein Satz des Patrons irritierte. „Ach, schmeckt das wirklich?“, fragte er, als habe er es noch nie probiert.
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Essen-Werden, An der Altenburg 30

Montag, 24. Juli 2006

Aus dem Archiv: Wallberg - Kultur am Mittagstisch

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Für das Catering in der Philahrmonie sorgt der "Philharmonie Club".

Da kann einer sagen, was er will: Der Mittagstisch im Wallberg ist immer wieder eine Einkehr in das Restaurant der Philharmonie Wert. Schon bei meinem ersten Besuch kurz nach der Eröffnung vor drei Jahren war ich begeistert. Ein pikant gefülltes Röllchen aus Hühnerbrust, gebettet auf einem Nest zwar nicht selbst gemachter, aber immerhin frischer Spaghetti und bestäubt mit einer Prise Zimt, vorher eine kleine Auswahl verschiedener Crèmes und Pasten zum aufs Brot schmieren, hinterher ein Tässchen Kaffee, und das alles für EUR 4,50, überzeugte mich auf der Stelle. Und auch jetzt fand diese positive Erfahrung ihre Bestätigung. Zwei Rotbarbenfilets mit Zwiebel-Olivenquiche und geschmorten Tomaten und Lauch (mit Kaffee EUR 6,50), im Sonnenschein auf der sich zum Stadtgarten wendenden noblen Terrasse genossen, machte zwar nicht besonders satt, schmeckte aber hervorragend. Als ich verschmitzt nach einem Nachschlag fragte, antwortete der junge Kellner ernsthaft aber verständnisvoll, dass dies bei der knappen Kalkulation des Gerichts leider nicht möglich sei. Aber ich könne doch noch ein Dessert probieren. In der Tat fand ich auf der Karte dann den recht experimentellen Erdbeer-Olivensalat mit Vanilleeis (EUR 4,80), der mir eine bis dato noch nie gemachte Erfahrung brachte. Oliven können im Kontext von Süßigkeiten und Früchten glatt wie Bitterschokolade schmecken.

Jenseits des täglich wechselnden Business-Lunchs bietet das Wallberg eine Reihe mediterran angehauchter Gerichte, wie sie an diesem exponierten Standort nicht überraschen. Die Philharmonie in dem todchic renovierten ehemaligen Saalbau ist ein beeindruckendes Aushängeschild der Essener Kulturpolitik von internationalem Format. Und da muss sich das Restaurant in die gut durchdachte Nutzung reibungslos einpassen. Die Preise entsprechen denen der besseren Gastronomie in Essen. Geschmacklich für jedermann konzipiert, wirken die Gerichte edel, ohne eine wirkliche kulinarische Herausforderung zu sein. Filet vom Loup de mer auf der Haut gegrillt auf Zitrusfruchtrisotto (EUR 18,50), Lammcarrée an Oliven-Zwiebelkuchen mit karamellisiertem Knoblauch (EUR 22,50) oder Kalbsrückensteak auf gebratenen Kräutersaitlingen, Cherryperlzwiebeln und Kartoffelbisquits (EUR 21,50) animieren sicherlich den Appetit, doch die außergewöhnliche Qualität, die die musikalischen Darbietungen der Philharmonie in ihren Höhepunkten erreichen, spiegeln sie auf kulinarischem Gebiet nicht unbedingt. Wohl aber den notwendigen Blick auf die soziale Akzeptanz der hochklassigen kulturellen Einrichtung, der die ökonomische Basis des ganzen Unternehmens bildet.
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Essen-Südviertel, Huyssenallee 53

Aus dem Archiv: Haus Ruhrblick - Aussicht mit Bäumen

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Für Rallye-Fahrer ist die Anfahrt zum Haus Ruhrblick durch Kupferdreh sicherlich ein Erlebnis. Folgt man den Wegweisern von der Byfanger Straße aus, muss man sich der Herausforderungen von geradezu alpinen Steigungen und Serpentinen stellen, um schließlich jenen Ausblick genießen zu können, für den das Restaurant berühmt ist. Über die Ruhr Richtung Überruhr und Heisingen geht der Blick bei klarem Wetter bis zur Schalker Arena. Früher muss das noch atemberaubender gewesen sein, da waren die Bäume am Steilhang vor dem Haus noch nicht so hoch. Besonders ältere Herrschaften, die die Reiselust noch nicht verloren haben, kommen selbst aus dem fernen Köln hierher, um das blitzsaubere Lokal mit dem 70er-Jahre-Charme zu besuchen. Die Plätze an den Panoramascheiben sind häufig schon mittags um 12 besetzt.

Unkomplizierte Hausmannskost findet man hier auf der Karte, so, als sei man alle Tage bei Muttern zum Sonntagsessen eingeladen. So richtig lecker werden die Gerichte meist durch die Saucen gemacht, die mit ihren Aromen entweder Exotik- oder Heimatgefühle wecken. Schnitzel gibt es hier und Filets.

Ich gönnte mir einen Wildschweinbraten in Burgundersauce mit Spätzle, Apfelmus und Preiselbeeren, vorher eine Bouillon mit Einlage und Markklößchen und hinterher ein Glasschüsselchen mit einer Kugel Eis, das Ganze als Mittagsangebot für EUR 10,50. Bei dem Preis gab es einfach nichts zu meckern. Das Fleisch war prima, und das Apfelmus frisch. Aber ich hätte auch Prassen können: einen „Sylter Fischteller“ z.B., mit gedünstetem Lachsfilet in Hummersauce, gebratenem Zanderfilet, Büsumer Krabben, Petersilienkartoffeln und Kopfsalat (EUR 17,50). Oder die Schweinelendchen „Sansibar“ mit pikanter Currysauce, gebratenen Früchten, Butterreis und grünem Salat (EUR 13,50). Oder Filets „Gutsherrenart“, Medaillons von Rind und Schwein mit Pfifferlingen, Spiegelei, Bratkartoffeln und buntem Salat (EUR 16,50). Ich glaube, so gute Kartoffeln hätte ich woanders nicht bekommen. Beliebt und lecker ist auch das hausgemachte Kuchenangebot am Nachmittag.

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Essen-Kupferdreh, Reulsbergweg 29

Freitag, 21. Juli 2006

Aus dem Archiv: Landhaus Schnitzler - Triumph der Einfachheit

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Jeannette und Peter Schnitzler betreiben seit 2017 "La pettite cave ... de Jeannette" in Essen Rüttenscheid,

Kann Essen schön sein? Gewiss. Man weiß es, wenn man sich den Teller mit Münsterländer Schweinerücken, frischem Spargel, neuen Kartoffeln und Sauce Hollandaise ansieht, den mir Jeannette Schnitzler im Frühjahr 2006 zubereitet und ihr Mann Peter serviert hat. Das Fleisch: goldbraun mit weißen Riefen. Der Spargel: weißlich-gelb mit kaum wahrnehmbaren violetten Nuancen. Die Kartoffeln: rund, gelb, glänzend. Und die Sauce: eiergelb und buttrig weiß. Auf der Zunge bestätigt dann die orale Sensorik, was die Optik versprochen hat. Das Fleisch, beste Bio-Ware aus dem Münsterland, ist zart, saftig und kernig zugleich. Die Würze kommt praktisch von innen und bedarf kaum einiger Körnchen Salz, um sie zu unterstreichen. Der Spargel, ebenfalls aus dem Münsterland, ist so frisch, wie er nur sein kann. Nichts ist faserig, die Stangen sind fest und zergehen dennoch auf der Zunge. Die Kartoffeln schmecken nach Kartoffeln, und die Sauce ist selbstverständlich selbst gerührt. EUR 21 kostet dieser Teller purer Genuss, aber klassische Einfachheit bedarf nun einmal großer Zutaten. Und die haben ihren Preis.

Es verwundert nicht, dass Peter Schnitzler erzählt, er habe vor ein paar Tagen die Mitgliedschaft bei Slow Food beantragt, jenem internationalen Verein von engagierten Feinschmeckern, der mit der Förderung der regionalen Küche, seltener Lebensmittel und der handwerklichen Kochkunst dem Aussterben der Geschmacksvielfalt Einhalt gebieten will. Denn Jeannette Schnitzler kocht – passend zur modernen Bürgerlichkeit des schmucken Landhauses in Byfang hoch über der Ruhr - gern mit regionalen Produkten, etwa dem Rindfleisch von einem Züchter in Hattingen oder im Frühjahr mit Lammfleisch von einem Schäfer direkt aus der Nachbarschaft.

Diese Gerichte findet man dann bevorzugt auf der wechselnden Angebotstafel, die auch saisonal bestimmt ist, wie etwa die auf den Punkt gebrachte Maischolle mit Bamberger Hörnchen, Senfsauce und grünem Salat (EUR 16), die im Ganzen an der Gräte gebraten war. Aber auch die Standardkarte hält schöne Überraschungen bereit, wie etwa die erfrischende Dickmilchstippe mit frischen Beeren (EUR 6), die an jene glücklichen Tage erinnerte, in denen man die übrig gebliebene Milch dick werden lassen konnte und daraus dann ein schönes Dessert wurde und nicht jene stinkende Flüssigkeit, zu der heutzutage die Industriemilch mutiert.

Die Begeisterung für die traditionelle Kulinarik kombiniert Jeannette Schnitzler mit einer Lust am kreativen Kochen, die sich auch am Mediterranen, Asiatischen und Französischen orientiert. So waren die Scampi auf Pumpernickel mit Rhabarber-Johannisbeer-Chutney (EUR 11) zwar geschmacklich äußerst gewagt, doch der Bunte Salat ”Chevre chaud" (EUR 11/13) gab sich wie auf der Karte versprochen „ganz wie in Frankreich“.

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Essen-Byfang, Nöckersberg 65

Aus dem Archiv: Bonne Auberge - Bastille der Kochkunst

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Heute (2024) befindet sich hier das soanische Restaurant "Tio Pepe".


Ähnlich wie Wilfried Hensels „La Buvette“ in Werden ist Thierry Eidenweils 1974 gegründete „Bonne Auberge“ im Südviertel ein Urgestein der französischen Küche in Essen. Doch anders als in dem schmucken Landgasthaus hoch über Ruhr geht es in der von außen recht trutzig wirkenden Bastille der Kochkunst an der Witteringstraße nicht so prätentiös zu. Das mag einerseits an der mittlerweile etwas altmodisch gewordenen Ausstattung liegen, die im 80er-Jahre-Chic mit schwarzen (!) Möbeln die Ausschweifungen der Pariser Belle Époque zitiert. Andrerseits liegt es natürlich an dem burschikosen Charme von Service-Chefin Susanne Förster, die mit energischer Verve die routinierten Küchenkreationen ihres Lebensgefährten an den Kunden bringt. Und die sind ganz einfach fantastisch. Das wissen nicht nur die Geschäftsleute, die mit den dreigängigen Mittagmenüs zu EUR 22 geschmackvoll repräsentieren können, sondern ganz besonders jene Feinschmecker, die sich die großen Menüs (5 Gänge EUR 39, 7 Gänge EUR 62) servieren lassen oder ganz einfach à la carte bestellen. Thierry Eidenweil hat schließlich sein Handwerk in ersten Häusern in Paris gelernt, in Kairo und an der Cote d’Azur.

Und so kommt man schon beim Lesen der Speisekarte ins Schwelgen. Vorspeisen wie Rosa Krevetten mit Baby Ananas (EUR 9,50), Gebratene Wachtelbrust auf warmen Linsensalat und Trüffeljus (EUR 11) oder Gänsestopfleberparfait in Sauerkirschgelee und Brioche (EUR 14) orientieren sich gleichwohl an der Kreativität des Pariser Lebens wie an der Bodenständigkeit der französischen Regionen, und es ist kein Wunder, wenn sich Thierry Eidenweil im heißen Sommer an den Köstlichkeiten Südfrankreichs inspirieren lässt. Hauptspeisen wie Zartes Lammkarree in Tomatenkruste gebraten mit Kräuterpesto (EUR 19,50) oder Hummerkrabben mit Nudeln auf Knoblauchcreme "Marseillaise" (EUR 17,50) sind solch mediterrane Offenbarungen. Wir wählten von der Sommerkarte den gemischten Vorspeisenteller „Bonne Auberge“, der einen guten Überblick bot. Ein wunderbares Carpaccio (eine von Eidenweils Spezialitäten), leicht geräucherter Bayonne-Schinken, Wildschweinpastete mit Preiselbeeren, Crevetten, Räucherlachs und, als besonderer regionaler Tribut an die Jahreszeit, ein Matjesfilet, gingen wie ein begeisterndes O làlà über die Zunge. Die Lammhüfte auf schwarzen Linsen (EUR 19,50), schön erdig mit Kartoffeln und Zuckerschoten serviert, war von doppelbödiger Zartheit: zartrosa gebraten und zartkernig im Biss. Auch der Seeteufel in Orangenschaum war à point, fast noch glasig und trotzdem schön durchgegart und ein konsistenzieller Widerhall des beigegebenen Kartoffelpürees. Nicht zu süß war der Orangenschaum, der schön mit den Böhnchen und Karotten der Beilage harmonierte. Zum Abschluss dann ein erfrischendes Ananas-Melonen-Eis und eine französische Crème Karamell (beides je EUR 8), von der uns Susanne Förster leider nicht erklären konnte, was an ihr typisch französisch sei. Aber egal, das kleine Menü war es mehr als wert gewesen, dass wir vor einem sonnigen Sommerabend in die fensterlose Bonne Auberge geflohen waren. Denn draußen auf dem allzu schmalen staubigen Trottoir mit dem Kunstrasen und den Eisdielentischen hätte ein wenig das Pariser Flair gefehlt.
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Essen-Südviertel, Witteringstr.92

Donnerstag, 13. Juli 2006

Aus dem Archiv: Gummersbach - Tastender Umbruch

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".

Einer der schönsten Beweise, dass sich das gastronomische Leben von Essen nicht ausschließlich südlich des A-40-Äquators abspielt, ist das Gummersbach in Borbeck. Nicht zuletzt wegen seiner Veranstaltungen, die Kultur und Gourmandise miteinander verbinden, ist das stattliche Restaurant an der Ecke Fürstenberg-/Frintroper Straße seit Jahren ein Garant für eine fabelhafte Gastlichkeit. Dafür sorgen schon die straighte Kundenbetreuung von Sigrid Gummersbach und die Leutseligkeit ihres Mannes Klaus, der mit seinem Horst-Lichter-Schnurrbart wie eine unerschütterliche Bastion rheinischen Frohsinns in der Ruhr-Metropole wirkt. Überzeugend preist er seine eigenwillige Produktphilosophie an: die Vorliebe für das schwäbisch-hällische Landschwein, das Bœuf de Hohenlohe und den Wein aus Baden, aber auch die aktuellen Tagesangebote wie etwa die Tapas (mittl. Portion EUR 10) zu Sommerzeit. Leidenschaftlich prangert er den Unfug der Gutscheinbücher an, die dem Gastronomen zwar Mehrarbeit, aber keine Mehreinnahmen bringen und nur zu Lasten der Qualität gehen. Nach dieser Erfahrung hat er sich entschlossen, seine Kunden lieber mit moderateren Preisen, die nicht dem bundesweit gesehen recht hohen Standard der Essener Gastronomie entsprechen, ans Haus zu binden.

In der Gummersbach-Küche hat es in letzter Zeit eine Veränderung gegeben. Seit Anfang des Jahres hat der langjährige Sous-Chef Holger Nickelmann die Verantwortung als Küchenchef übernommen. „Ein Mann mit Mut zur Würze“, wie Klaus Gummersbach meint.

Früher wurde auch an dieser Stelle schon einmal bemängelt, dass die hervorragenden Grundprodukte, mit denen gekocht wird, in allzu gutbürgerlicher Manier von schweren Saucen erschlagen würden. Aus dieser Tradition scheint sich der neue Küchenchef allerdings noch nicht so ganz freigeschwommen zu haben. Als Amuse Gueulle wurde uns eine recht üppige Portion Sellerie-Salat serviert, die für die warme Jahreszeit allzu dick mit Mayonnaise angemacht war. Auch die eigentlich recht gelungenen Ravioli mit Steinpilzfüllung (EUR 7) kamen mit einer schweren, säuerlichen Tomaten-Sahne-Sauce daher, die Geschmack und Konsistenz der zart geschmorten Beilagen Rucola und Spargelspitzen deutlich übertünchte. Eine andere Vorspeise, Kaninchenleber mit Möhren, Ingwer und Rosmarinhonig (EUR 8), konnte die Erwartungen ebenfalls nicht so recht erfüllen. Zu wenig süß gingen die zarten Leberstückchen über die Zunge. Selbstverständlich waren sie ohne Salz gebraten, um sie nicht zäh werden zu lassen, doch statt etwa ein paar Körnchen Fleur de Sel hinterher darüber zu streuen, wurde der braune Jus unharmonisch gesalzen.

Eine Spezialität des Tages war die nach Tafelspitz-Art gekochte Rinderbrust von Karl Otto II. (EUR 14), einem extra für Gummersbach gemästeten Luing-Rind. Tadellos war das Gemüsestroh, das das ordentliche Fleischstück krönte. Bouillon-Kartoffeln tummelten sich in der kräftigen Rinderbrühe wie kleine Fischlein im Wasser. Nur das Fleisch selbst irritierte. Auf der einen Seite war es saftig und zart, während der Hauptteil faserig und trocken daher kam. Lag’s am Mäster oder am Koch? Dennoch: Es wäre schade, wenn Klaus Gummersbach in Zukunft auf das exklusiv aufgezogene Rind verzichten würde, wie er angekündigt hat. Es würde eine eigenwillige Spezialität in Essen fehlen.
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Essen-Borbeck, Fürstenbergstr. 2
Fon 0201.  67 64 64
Do-Mo ab 17 Uhr, Di, Mi geschlossen
https://gummersbachessen.de/

Freitag, 7. Juli 2006

Aus dem Archiv: Mezzo Mezzo - Im Herzen des Hurrikans

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es an diesem Standort nicht mehr. Es ist ins Kulturerbe Zollverein umgezogen.

Im Mezzo Mezzo spiegelt sich einmal mehr Glanz und Elend der künftigen europäischen Kulturhauptstadt. Im Seitenflügel des Lichtburggebäudes untergebracht, mit der Terrasse auf dem Burgplatz gegenüber des Essener Bischofssitzes, befindet sich dieses Lokal nicht nur im geographischen und merkantilen Mittelpunkt der Stadt, sondern auch im spirituellen Zentrum Essens, ja sogar des ganzen Ruhrgebiets. Umgeben von Deutschlands schönstem Kino und dem gelungenen VHS-Naubau, im Schatten des Rathauses und des mittelalterlichen Doms, gegenüber des historischen Baedekerhauses und unweit des Grillo-Theaters, gibt es wohl kaum einen repräsentativeren Ort in der erweiterten Essener City, sieht man einmal von der grünen Kultur-Wiese jenseits des Hauptbahnhofs mit Aalto-Oper und Philharmonie ab. Und so wundert es nicht, wenn das Lokal auch häufig für repräsentative Zwecke genutzt wird, etwa wenn es in der Lichtburg Filmpremieren gibt oder wenn ein städtisches Amt zum Arbeitsessen lädt.

Denn repräsentativ ist die modisch-elegante Ausstattung des Lokals allemal. Mit seiner urbanen Großzügigkeit und der offenen Show-Küche kann das Mezzo Mezzo sich durchaus mit dem Bochumer Livingroom vergleichen, der einst im Ruhrgebiet Maßstäbe für die Metropolen-Gastronomie gesetzt hat.

Dass Betreiber Spyros Gouziotis versucht, mit italienischer Küche eine lässige urbane Lebensart zu inszenieren, scheint da nicht verkehrt. Die Standardkarte mit Pizza (EUR 4,50-9,90) und Pasta (EUR 7,50-9,90) und ganz chic konfektionierten Fisch- und Fleischgerichten wie gegrillter Seeteufel (EUR 19,90) oder Rinderfilet mit grünem Pfeffer in Cognacsauce (EUR 19,80) eignet sich für ein schnelles Business Lunch zur Mittagszeit und am frühen Nachmittag durchaus, die Tagesannoncen variieren dieses Angebot noch einmal. Doch fünf große Lammkoteletts mit dekorativ langem Knochen in einer Sauce provinciale und Gemüse und Kartoffeln als Beilage spiegelten im Preis von EUR 18,90 zwar die Exklusivität des Ortes, waren letztendlich aber banal, uninspiriert und die Sauce vor allem zu fade. Ähnlich auch die wunderschön rote Tomatensauce (EUR 4,50), durchaus essbar, aber ohne den Kick, den solch ein Allerweltsgericht in einem Lokal an solch einem Ort haben sollte. Dafür gab es dann zum Nachtisch Kaffee und Kuchen zum Sozialtarif von EUR 3. Beim Testbesuch war die Bedienung liebenswürdig und freundlich, bei anderen Gelegenheiten erwies sie sich allerdings als überfordert oder von typisch italienischer Schnöseligkeit.

So erweist sich das Mezzo Mezzo als ein Tagesrestaurant, das nur so gut ist, wie es die Gäste zulassen. Der Wunsch, an dieser exponierten Stelle ein Restaurant zu haben, das als kulinarischer Magnet die Essener Innenstadt auch abends zu einem Ausgeh-Revier machen könnte, muss wohl angesichts der Realitäten Utopie bleiben.

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Essen City, Kettwiger Str. 36

Mittwoch, 5. Juli 2006

Aus dem Archiv: Stop-Club vis à vis - Die Provence im Gewerbegebiet

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007"
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Über den seltsamen Namen, der an gemütliches 50er-Jahre-Rotlicht erinnert und die riesige Galerie von Promifotos, die die Beliebtheit des Ladens bei Theaterleuten und Tourneekünstlern dokumentiert, ist an dieser Stelle schon mit viel Wohlwollen geschrieben worden. Auch, dass sich die Betreiber Roswitha und Karl Schirmacher an einer eher unwirtlichen Stelle im Essener Westend am Rand eines Gewerbegebiets ihre Idee von einem südfranzösisch inspirierten Restaurant realisierten, das bei Eingeweihten immer noch den Ruf eines Geheimtipps hat. Um letzteres zu ändern, haben die Schirmachers seit einiger Zeit eine flotte Internetseite eingerichtet, und immer, wenn Roswitha Schirmacher einen Gast erspäht, den sie nicht als Stammgast erkennt, fragt sie mit charmanter Neugier: „Sind Sie auf uns vielleicht über unsere Web-Site aufmerksam geworden?“

Die Speisekarte machte richtigen Appetit. Französisch-mediterrane Gerichte dominierten. Schlenker nach Spanien oder Italien, aber auch an die adriatische Küste versprachen sonnig-aromatische Gaumenfreuden. Unser erster Versuch, eine kulinarische Reise in die Provence anzutreten, wurde allerdings sogleich nach Italien umgeleitet. Mit einem südfranzösischen Rosé könne sie leider nicht dienen, bedauerte Roswitha Schirmacher, die hätten in diesem Jahr alle nicht geschmeckt, aber sie könne einen Chiaretto Bardolino (EUR 17 die Flasche) anbieten, der sei toll. Leider stellte sich der Wein dann auch nur als eine leichte Touristen-Brause heraus, die als Ergänzung zum Essen allerdings ausreichte.

Da war unsere Wahl auf das dreigängige Wochenmenü für EUR 25 gefallen. Für jeden Gang gab es die Alternative zwischen einem Fleisch- und einem Fischgericht – gerade richtig für ein abwechslungsreiches Mahl für zwei Personen. Dass die Fleischgerichte durchweg besser gelungen waren als die Fischgerichte, ist sicherlich nicht der Kreativität und Kochkunst Karl Schirmachers anzulasten. Das zeigte z.B. die Wildpaté auf Sommersalat, einen kräftige, rustikale, richtig leckere Vorspeise. Und das mit Spinat überbackene Rinderfilet war ein Fest für den Fleischfreund, das durch die Spinatkruste aus dem üblichen Steak-Einerlei heraus fiel.

Der mit Bärlauch gebeizte Lachs mit kaltem Spargel hingegen war zwar eine schöne Referenz an die Jahreszeit, doch der Beize mit dem modischen Wildkraut fehlte es an eindeutiger Würze. Richtig enttäuschend war das Ragout von Edelfischen in Hummersauce. Was die Verbeugung vor der provençalischen Küche schlechthin hätte sein können, erwies sich als Sammelsurium an Fischen und Meeresfrüchten, wie man es aus den gängigen Fischrestaurant-Ketten kennt: labbrig und trocken. Der Verdacht lag nahe, dass hier an der Qualität der Produkte und Zutaten gespart werden musste. Im Rahmen eines EUR-25-Menüs lässt sich anscheinend kein guter Fischteller realisieren, so traurig das für den Gast ist. Ein ähnliches Problem tauchte auch beim Käseteller aus Frankreich zum Dessert auf. Auch da schien die Kalkulation für die angestrebte Qualität zu niedrig sein. Hinreißend war hingegen das alternative Erdbeerparfait zum Nachtisch. Als Roswitha Schirmacher bemerkte, wie sehr uns das mundete, brachte sie unaufgefordert gleich eine zweite Portion. Und zwar gratis!

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Essen-Westviertel, Schmiedestr. 5

Montag, 3. Juli 2006

Aus dem Archiv: Villa Kunterbunt - Erotik der Kindlichkeit

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Einst hieß das idyllisch gelegene Landgasthaus mit der schönen Terrasse zwischen Werden und Kupferdreh „Grunewald“, wie die Bushaltestelle vor dem Haus heute noch verrät. Da war nach einem Berliner Gassenhauer aus Kaiser Wilhelms Zeiten bekanntlich immer Holzauktion. Heute kann man in der geschmackssicher eingerichteten „Villa Kunterbunt“ Patron Carsten Schmitz hinter einer großen Glasscheibe beim Spielen, pardon, beim Kochen zusehen. Doch wer denkt, das Haus mit dem fröhlichen Namen sei ein Kinderparadies, ist auf dem Holzweg. Vielmehr verbirgt sich dahinter ein Restaurant mit einer feinen und auch experimentellen Küche.

Kindlich ist hier vor allem der offensichtliche Spaß, mit dem sich Schmitz und seine Frau ihr Ideal-Restaurant eingerichtet haben. Hier kann man die Vorliebe für skandinavisches Wohndesign entdecken (etwa bei der rustikalen Riegelkonstruktion an den Türen der Herrentoilette), da die Lust an sonnengelber Provence-Optik (etwa an der intensiven Wandbemalung), und dort die Hingabe an die betörenden Aromen des Mittelmeers (wenn nicht plötzlich ein nicht weniger wohlschmeckender Abstecher ins Asiatische den Teller okkupiert).

Die vor über drei Jahren eröffnete „Villa Kunterbunt“ ist immer noch eine der schillerndsten und gelungensten Bereicherungen der Essener Gastroszene. Mit der gleichen fröhlichen Leidenschaft, mit der ihr Mann kocht, besorgt seine Frau Inga den Service. Mit der gütigen Autorität einer Kindergärtnerin liest sie dem Gast jeden Wunsch von den Augen ab. Als ich auf der Speisekarte bei den Desserts „Rosmarin-Creme mit Zucker karamellisiert und süßem Pesto“ (EUR 5) entdecke, brauche ich nichts zu fragen. „Das süße Pesto wird genauso wie das pikante aus Basilikum und Pinienkernen hergestellt“, flötet sie sofort, „nur wird statt Parmesan und Knoblauch weiße Kuvertüre dazugegeben!“

Um das Menü beim Dessert aufzuzäumen: Die mit Rosmarin aromatiserte Creme brulée mit dem Klecks süßem Pesto war gleichermaßen eine irritierende wie schmeichelnde Gaumenerfahrung, die begeisterte. Die Auswahl des Hauptgerichtes war da schwieriger. War ich nun „Fisch verliebt“ oder wollte ich der „Fleischeslust“ frönen, wie mir die Kategorien der Speisekarte empfahlen? Die übersichtliche, aber phantasievolle Auswahl an Fleisch- und Fischgerichten schwelgte bei den Beilagen in mediterranen Genüssen wie „Knoblauch-Rosmarin-Butter“, „Tomaten-Speck-Tortellini“ oder „Zitronen-Zwiebel-Marmelade“, doch schließlich orientierte ich meinen erotisierten Appetit auf die „Weibliche Flugentenbrust in einer Honig-Schalotten-Sauce mit Wildreis und asiatischem Gemüse“ (EUR 17). Wie ein guter Koch weiß, entspricht die weibliche Entenbrust nicht den gängigen Schönheitsidealen „groß“ und „von Silikon-Konsistenz“, sondern sie ist klein, zart und lecker. So auch hier: das in zartrosa Scheiben aufgeschnittene Geflügelfleisch zerging auf der Zunge und hatte einen ganz einzigartigen Geschmack, und der Wildreis samt Gemüse und süßpikanter Sauce gab dem Ganzen eine geradezu sommerliche Leichtigkeit.

Doch wollen wir die Vorspeise nicht vergessen. Auch hier waltete eine köstliche Kreativität. Weder die gängige Nussigkeit von Feldsalat noch die inflationäre Pikanterie von Rucola wollten die Zunge betören. Das überließ man hier einen perfekt angemachten samtigen Spinatsalat (EUR 6,50).
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Essen-Kupferdreh, Hammer Str. 116:

Sonntag, 2. Juli 2006

Aus dem Archiv: Medaillon - Urlaub zu Hause

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".

Mit elegantem Schwung wirft Branka Kubicki ihre Emma-Peel-Mähne über die Schulter, zeigt ein charmantes Lächeln und sagt liebenswürdig: „Natürlich arbeiten wir ohne Geschmacksverstärker! Alles ist frisch, alles Natur!“ Eigentlich hätte mir das klar sein müssen. Denn was die Jungs in ihrer Küche da auf meinen Teller gebracht haben, ist so deftig gewürzt, gekräutert und geknoblaucht, dass jeglicher Glutamateinsatz völlig überflüssig erscheint. Das muss einfach schmecken. Die Aromenflut und Farbenfreude, die von meinem Teller ausgehen, finden ihren Widerhall in der fröhlichen sonnengelben und orangefarbenen Wandbemalung. Extravagante Ölbilder und allmonatliche Musik- und Theaterveranstaltungen dokumentieren, dass man hier auch kulturell aktiv ist.

Eigentlich ist das „Medaillon“ ja eine jener ehemaligen Eckkneipen, wie sie für die nördlichen Essener Stadtteile seit 120 Jahren typisch sind. Doch seit Familie Kubicki das Lokal vor einigen Jahren übernahm, hat es sich in ein Schmuckstück wie am Mittelmeer verwandelt. In einer Atmosphäre zwischen mallorquinischer Finca und adriatischer Villa ist bei mediterraner Frischküche unkompliziertes kulinarisches Urlaubsvergnügen angesagt. Besonders mittags ist das eine recht günstige Angelegenheit. Da gibt es nämlich für EUR 19,50 ein dreigängiges Menü, dessen Gerichte einzeln bestellt zusammen über EUR 30 kosten würden. So machte das Essen richtig Spaß und ich konnte problemlos über ein paar kleine Schönheitsfehler hinwegsehen, ohne die der Genuss perfekt gewesen wäre.

Mein „Carpaccio vom Rinderfilet mit gebratenen Pilzen, Rucola und Parmesan“ (regulär EUR 10,50) war eine leckere üppige Vorspeise wie beim Italiener. Doch die frisch zubereiteten Pilze hatte man so heiß über das vorschriftsmäßig rohe Fleisch geschüttet, dass die hauchdünnen Scheiben auf dem Teller durchgegart wurden. Der Hauptgang, vermutlich eine etwas abgespeckte Version des gemischten Fischtellers (EUR 20), bestand aus einem dicken Dorade-Royal-Filet und einem Schwertfischsteak samt Bratkartoffeln und Mangold. Diese gelungene Kombination war trotz - oder nach meinem Geschmack wegen - der gehaltvollen Knoblauchauflage sehr lecker, doch der Schwertfisch war bis zur Trockenheit durchgegrillt, wie man es aus Touristenlokalen an spanischen Stränden kennt. Der Nachtisch fegte dann alle Kritikpunkte vom Tisch. Die angeregten Geschmackspapillen auf der Zunge wurden durch eine süße Mascarpone-Orangencreme (EUR 6,50) mit köstlicher Zärtlichkeit wieder beruhigt.

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Essen-Schonnebeck, Matthias-Erzberger-Str. 82
Fon 0201. 8 99 49 93
Mo, Mi-Sa 17-22 Uhr, So 17-21.30 Uhr, Di (und Mi im Sommer) geschlossen
https://www.restaurant-medaillon.de/:

Aus dem Archiv: Altes Zollhaus Don Quichote - Versöhnung mit dem Kaninchen

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. heute (2024) befindet sich hier das italienische Restaurant "Gallo Nero".


Die Lage an der August-Thyssen-Straße am südlichen Ortsrand von Kettwig erklärt, warum das „Alte Zollhaus“ so heißt. Sieht man aus dem Gastraum mit dem offenen Kamin durchs Fenster nach draußen, erblickt man einen Wegweiserwald, der in alle Himmelsrichtung weist. Hier in der Nähe der Ruhrbrücke war schon immer ein kleiner Verkehrsknotenpunkt, und hier konnte man den Durchgangsverkehr schon immer gut zur Kasse bitten.

Die bergische Fachwerkromantik des traditionsreichen Hauses scheint das Publikum heutzutage allerdings nicht mehr zu locken. Erst seit der Zusatz „Don Quichote“ seit ein paar Jahren signalisiert, dass in diesem deutschen Idyll mediterrane Urlaubsküche geboten wird, erfreut sich der Laden wieder offensichtlicher Beliebtheit. Da hat die Betreiberin Frau Janik der hungrigen Ruhrgebietsseele mit unverstelltem Blick und osteuropäischer Geschäftstüchtigkeit aufs Maul geschaut und bietet das an, was alle wünschen. Kalte Tapas kosten zwischen EUR 2,10 (Knoblauchmayonnaise) bis EUR 6,40 (Miesmuscheln), warme zwischen EUR 4,80 (frittierte Sardellen) und EUR 6,40 (Hähnchenbrust mit Crevetten). Einige Nudelgerichte sind als kleiner Gruß nach Italien gedacht, die Hauptgerichte kommen einem spanisch vor. Besonders inspiriert wirkt die Karte nicht, eher wie ein Dokument solider mediterraner Hausmannskost.

Das bewies auch die gemischte Tapas-Platte (EUR 6,50), die mir einen guten Überblick über die verschiedenen Vorspeisen verschaffte. Eingelegte Peperoni und Oliven, süßlicher Serranoschinken und ein Stück durchaus reife Melone zeigten zwar wenig von der Kochkunst des Hauses, dafür umso mehr von der Qualität der Feinkost-Zulieferer – genauso wir die flambierten Pfirsiche aus der Dose zum Dessert (EUR 4,50). Zusammen mit dem mäßigen Hauswein ging das über gängige Kneipenkost nicht hinaus.

Wenn da nicht der Hauptgang von der Tageskarte gewesen wäre: Kaninchenfilets (EUR 14,90). Die Gemüse- und Reisbeilage war es weniger, die dabei imponierte, sondern diese einfache und doch so schmackhafte Art der Zubereitung des Fleisches. Eigentlich treibt mich Kaninchen immer zur Verzweiflung. Entweder ist das Fleisch trocken wie eine ausgelaugte Hühnerbrust oder es steckt voller winziger Knochen wie ein Fisch voller Gräten. Doch hier waren die Filets aus dem Rücken gelöst, mit Schinken zu Zigarren großen Röllchen umwickelt und dann ähnlich wie der italienische Klassiker „Saltimbocca alla romana“ kurz gebraten. Das war zart, das war saftig, das war angenehm zu essen und machte mir die Versöhnung mit dem Kaninchen äußerst leicht. Und das Schönste an der Sache: zu Hause nachgekocht, gelang es fast noch besser als im Restaurant.

-kopf


Essen-Kettwig, August-Thyssen-Str. 1