Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es an diesem Standort nicht mehr. Es ist ins Kulturerbe Zollverein umgezogen.
Im Mezzo Mezzo spiegelt sich einmal mehr Glanz und Elend der künftigen europäischen Kulturhauptstadt. Im Seitenflügel des Lichtburggebäudes untergebracht, mit der Terrasse auf dem Burgplatz gegenüber des Essener Bischofssitzes, befindet sich dieses Lokal nicht nur im geographischen und merkantilen Mittelpunkt der Stadt, sondern auch im spirituellen Zentrum Essens, ja sogar des ganzen Ruhrgebiets. Umgeben von Deutschlands schönstem Kino und dem gelungenen VHS-Naubau, im Schatten des Rathauses und des mittelalterlichen Doms, gegenüber des historischen Baedekerhauses und unweit des Grillo-Theaters, gibt es wohl kaum einen repräsentativeren Ort in der erweiterten Essener City, sieht man einmal von der grünen Kultur-Wiese jenseits des Hauptbahnhofs mit Aalto-Oper und Philharmonie ab. Und so wundert es nicht, wenn das Lokal auch häufig für repräsentative Zwecke genutzt wird, etwa wenn es in der Lichtburg Filmpremieren gibt oder wenn ein städtisches Amt zum Arbeitsessen lädt.
Denn repräsentativ ist die modisch-elegante Ausstattung des Lokals allemal. Mit seiner urbanen Großzügigkeit und der offenen Show-Küche kann das Mezzo Mezzo sich durchaus mit dem Bochumer Livingroom vergleichen, der einst im Ruhrgebiet Maßstäbe für die Metropolen-Gastronomie gesetzt hat.
Dass Betreiber Spyros Gouziotis versucht, mit italienischer Küche eine lässige urbane Lebensart zu inszenieren, scheint da nicht verkehrt. Die Standardkarte mit Pizza (EUR 4,50-9,90) und Pasta (EUR 7,50-9,90) und ganz chic konfektionierten Fisch- und Fleischgerichten wie gegrillter Seeteufel (EUR 19,90) oder Rinderfilet mit grünem Pfeffer in Cognacsauce (EUR 19,80) eignet sich für ein schnelles Business Lunch zur Mittagszeit und am frühen Nachmittag durchaus, die Tagesannoncen variieren dieses Angebot noch einmal. Doch fünf große Lammkoteletts mit dekorativ langem Knochen in einer Sauce provinciale und Gemüse und Kartoffeln als Beilage spiegelten im Preis von EUR 18,90 zwar die Exklusivität des Ortes, waren letztendlich aber banal, uninspiriert und die Sauce vor allem zu fade. Ähnlich auch die wunderschön rote Tomatensauce (EUR 4,50), durchaus essbar, aber ohne den Kick, den solch ein Allerweltsgericht in einem Lokal an solch einem Ort haben sollte. Dafür gab es dann zum Nachtisch Kaffee und Kuchen zum Sozialtarif von EUR 3. Beim Testbesuch war die Bedienung liebenswürdig und freundlich, bei anderen Gelegenheiten erwies sie sich allerdings als überfordert oder von typisch italienischer Schnöseligkeit.
So erweist sich das Mezzo Mezzo als ein Tagesrestaurant, das nur so gut ist, wie es die Gäste zulassen. Der Wunsch, an dieser exponierten Stelle ein Restaurant zu haben, das als kulinarischer Magnet die Essener Innenstadt auch abends zu einem Ausgeh-Revier machen könnte, muss wohl angesichts der Realitäten Utopie bleiben.
-kopf
Essen City, Kettwiger Str. 36
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