Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Jeannette und Peter Schnitzler
betreiben seit 2017 "La pettite cave ... de Jeannette" in Essen
Rüttenscheid,
Kann Essen schön sein? Gewiss. Man weiß es, wenn man sich den Teller mit Münsterländer Schweinerücken, frischem Spargel, neuen Kartoffeln und Sauce Hollandaise ansieht, den mir Jeannette Schnitzler im Frühjahr 2006 zubereitet und ihr Mann Peter serviert hat. Das Fleisch: goldbraun mit weißen Riefen. Der Spargel: weißlich-gelb mit kaum wahrnehmbaren violetten Nuancen. Die Kartoffeln: rund, gelb, glänzend. Und die Sauce: eiergelb und buttrig weiß. Auf der Zunge bestätigt dann die orale Sensorik, was die Optik versprochen hat. Das Fleisch, beste Bio-Ware aus dem Münsterland, ist zart, saftig und kernig zugleich. Die Würze kommt praktisch von innen und bedarf kaum einiger Körnchen Salz, um sie zu unterstreichen. Der Spargel, ebenfalls aus dem Münsterland, ist so frisch, wie er nur sein kann. Nichts ist faserig, die Stangen sind fest und zergehen dennoch auf der Zunge. Die Kartoffeln schmecken nach Kartoffeln, und die Sauce ist selbstverständlich selbst gerührt. EUR 21 kostet dieser Teller purer Genuss, aber klassische Einfachheit bedarf nun einmal großer Zutaten. Und die haben ihren Preis.
Es verwundert nicht, dass Peter Schnitzler erzählt, er habe vor ein paar Tagen die Mitgliedschaft bei Slow Food beantragt, jenem internationalen Verein von engagierten Feinschmeckern, der mit der Förderung der regionalen Küche, seltener Lebensmittel und der handwerklichen Kochkunst dem Aussterben der Geschmacksvielfalt Einhalt gebieten will. Denn Jeannette Schnitzler kocht – passend zur modernen Bürgerlichkeit des schmucken Landhauses in Byfang hoch über der Ruhr - gern mit regionalen Produkten, etwa dem Rindfleisch von einem Züchter in Hattingen oder im Frühjahr mit Lammfleisch von einem Schäfer direkt aus der Nachbarschaft.
Diese Gerichte findet man dann bevorzugt auf der wechselnden Angebotstafel, die auch saisonal bestimmt ist, wie etwa die auf den Punkt gebrachte Maischolle mit Bamberger Hörnchen, Senfsauce und grünem Salat (EUR 16), die im Ganzen an der Gräte gebraten war. Aber auch die Standardkarte hält schöne Überraschungen bereit, wie etwa die erfrischende Dickmilchstippe mit frischen Beeren (EUR 6), die an jene glücklichen Tage erinnerte, in denen man die übrig gebliebene Milch dick werden lassen konnte und daraus dann ein schönes Dessert wurde und nicht jene stinkende Flüssigkeit, zu der heutzutage die Industriemilch mutiert.
Die Begeisterung für die traditionelle Kulinarik kombiniert Jeannette Schnitzler mit einer Lust am kreativen Kochen, die sich auch am Mediterranen, Asiatischen und Französischen orientiert. So waren die Scampi auf Pumpernickel mit Rhabarber-Johannisbeer-Chutney (EUR 11) zwar geschmacklich äußerst gewagt, doch der Bunte Salat ”Chevre chaud" (EUR 11/13) gab sich wie auf der Karte versprochen „ganz wie in Frankreich“.
-kopf
Essen-Byfang, Nöckersberg 65
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