Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. heute (2024) befindet sich hier das italienische Restaurant "Gallo Nero".
Die Lage an der August-Thyssen-Straße am südlichen Ortsrand von Kettwig erklärt, warum das „Alte Zollhaus“ so heißt. Sieht man aus dem Gastraum mit dem offenen Kamin durchs Fenster nach draußen, erblickt man einen Wegweiserwald, der in alle Himmelsrichtung weist. Hier in der Nähe der Ruhrbrücke war schon immer ein kleiner Verkehrsknotenpunkt, und hier konnte man den Durchgangsverkehr schon immer gut zur Kasse bitten.
Die bergische Fachwerkromantik des traditionsreichen Hauses scheint das Publikum heutzutage allerdings nicht mehr zu locken. Erst seit der Zusatz „Don Quichote“ seit ein paar Jahren signalisiert, dass in diesem deutschen Idyll mediterrane Urlaubsküche geboten wird, erfreut sich der Laden wieder offensichtlicher Beliebtheit. Da hat die Betreiberin Frau Janik der hungrigen Ruhrgebietsseele mit unverstelltem Blick und osteuropäischer Geschäftstüchtigkeit aufs Maul geschaut und bietet das an, was alle wünschen. Kalte Tapas kosten zwischen EUR 2,10 (Knoblauchmayonnaise) bis EUR 6,40 (Miesmuscheln), warme zwischen EUR 4,80 (frittierte Sardellen) und EUR 6,40 (Hähnchenbrust mit Crevetten). Einige Nudelgerichte sind als kleiner Gruß nach Italien gedacht, die Hauptgerichte kommen einem spanisch vor. Besonders inspiriert wirkt die Karte nicht, eher wie ein Dokument solider mediterraner Hausmannskost.
Das bewies auch die gemischte Tapas-Platte (EUR 6,50), die mir einen guten Überblick über die verschiedenen Vorspeisen verschaffte. Eingelegte Peperoni und Oliven, süßlicher Serranoschinken und ein Stück durchaus reife Melone zeigten zwar wenig von der Kochkunst des Hauses, dafür umso mehr von der Qualität der Feinkost-Zulieferer – genauso wir die flambierten Pfirsiche aus der Dose zum Dessert (EUR 4,50). Zusammen mit dem mäßigen Hauswein ging das über gängige Kneipenkost nicht hinaus.
Wenn da nicht der Hauptgang von der Tageskarte gewesen wäre: Kaninchenfilets (EUR 14,90). Die Gemüse- und Reisbeilage war es weniger, die dabei imponierte, sondern diese einfache und doch so schmackhafte Art der Zubereitung des Fleisches. Eigentlich treibt mich Kaninchen immer zur Verzweiflung. Entweder ist das Fleisch trocken wie eine ausgelaugte Hühnerbrust oder es steckt voller winziger Knochen wie ein Fisch voller Gräten. Doch hier waren die Filets aus dem Rücken gelöst, mit Schinken zu Zigarren großen Röllchen umwickelt und dann ähnlich wie der italienische Klassiker „Saltimbocca alla romana“ kurz gebraten. Das war zart, das war saftig, das war angenehm zu essen und machte mir die Versöhnung mit dem Kaninchen äußerst leicht. Und das Schönste an der Sache: zu Hause nachgekocht, gelang es fast noch besser als im Restaurant.
-kopf
Essen-Kettwig, August-Thyssen-Str. 1
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