Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Mit elegantem Schwung wirft Branka Kubicki ihre Emma-Peel-Mähne über die Schulter, zeigt ein charmantes Lächeln und sagt liebenswürdig: „Natürlich arbeiten wir ohne Geschmacksverstärker! Alles ist frisch, alles Natur!“ Eigentlich hätte mir das klar sein müssen. Denn was die Jungs in ihrer Küche da auf meinen Teller gebracht haben, ist so deftig gewürzt, gekräutert und geknoblaucht, dass jeglicher Glutamateinsatz völlig überflüssig erscheint. Das muss einfach schmecken. Die Aromenflut und Farbenfreude, die von meinem Teller ausgehen, finden ihren Widerhall in der fröhlichen sonnengelben und orangefarbenen Wandbemalung. Extravagante Ölbilder und allmonatliche Musik- und Theaterveranstaltungen dokumentieren, dass man hier auch kulturell aktiv ist.
Eigentlich ist das „Medaillon“ ja eine jener ehemaligen Eckkneipen, wie sie für die nördlichen Essener Stadtteile seit 120 Jahren typisch sind. Doch seit Familie Kubicki das Lokal vor einigen Jahren übernahm, hat es sich in ein Schmuckstück wie am Mittelmeer verwandelt. In einer Atmosphäre zwischen mallorquinischer Finca und adriatischer Villa ist bei mediterraner Frischküche unkompliziertes kulinarisches Urlaubsvergnügen angesagt. Besonders mittags ist das eine recht günstige Angelegenheit. Da gibt es nämlich für EUR 19,50 ein dreigängiges Menü, dessen Gerichte einzeln bestellt zusammen über EUR 30 kosten würden. So machte das Essen richtig Spaß und ich konnte problemlos über ein paar kleine Schönheitsfehler hinwegsehen, ohne die der Genuss perfekt gewesen wäre.
Mein „Carpaccio vom Rinderfilet mit gebratenen Pilzen, Rucola und Parmesan“ (regulär EUR 10,50) war eine leckere üppige Vorspeise wie beim Italiener. Doch die frisch zubereiteten Pilze hatte man so heiß über das vorschriftsmäßig rohe Fleisch geschüttet, dass die hauchdünnen Scheiben auf dem Teller durchgegart wurden. Der Hauptgang, vermutlich eine etwas abgespeckte Version des gemischten Fischtellers (EUR 20), bestand aus einem dicken Dorade-Royal-Filet und einem Schwertfischsteak samt Bratkartoffeln und Mangold. Diese gelungene Kombination war trotz - oder nach meinem Geschmack wegen - der gehaltvollen Knoblauchauflage sehr lecker, doch der Schwertfisch war bis zur Trockenheit durchgegrillt, wie man es aus Touristenlokalen an spanischen Stränden kennt. Der Nachtisch fegte dann alle Kritikpunkte vom Tisch. Die angeregten Geschmackspapillen auf der Zunge wurden durch eine süße Mascarpone-Orangencreme (EUR 6,50) mit köstlicher Zärtlichkeit wieder beruhigt.
-kopf
Essen-Schonnebeck, Matthias-Erzberger-Str. 82
Fon 0201. 8 99 49 93
Mo, Mi-Sa 17-22 Uhr, So 17-21.30 Uhr, Di (und Mi im Sommer) geschlossen
https://www.restaurant-medaillon.de/:
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