Der Artikel erschien erstmalig im November 2012 in Heft 5 der Zeitschrift "Revier für Genießer", Klartext Verlag. Das Restaurant "Hannappel" hat mittlerweile einen Michelinstern. Das Bistro "Hannappel Essenz" gibt es nicht mehr. In den Räumlichkeiten am Rüttenscheider Stern betreibt heute Nelson Müller das Bistro "Müller's auf der Rü".
Seit Knut Hannappel vor fast zwanzig Jahren die elterliche Kneipe in Essen-Horst übernahm, hat er aus dem Lokal eines der führenden Gourmet-Restaurants der Ruhrgebiets-Metropole gemacht. Jetzt wagt er den Schritt vom Stadtrand ins kulinarische Herz Essens. Am Rüttenscheider Stern eröffnet er in diesen Tagen im Eingangsbereich der neuen Edel-Filiale von EDEKA Hundrieser das Bistro „Hannappel Essenz“.
Von Peter Krauskopf
Hat der Mann eine Energie. Es ist halb 10 Uhr abends, die Gäste im „Restaurant Hannappel“ sind nach allen Regeln der Kochkunst mit „Dominostein von der Entenleber mit Zwiebelconfit und Baumtomateneis“, „lauwarmer Meeresforelle mit Gurke und Bronzefenchel“ oder „Gressingham-Entenbrust mit Süßkirschen, Topfennocken und Mangold“ glücklich abgespeist, doch statt endlich Feierabend zu machen, läuft der 45-jährige Knut Hannappel erst jetzt beim Interview-Termin so richtig zur Hochform auf. Mit geradezu jungenhafter Begeisterung spricht er von seinen neuen Plänen in Essen-Rüttenscheid, aber auch von der langen Geschichte, wie er in den letzten 20 Jahren aus der elterlichen Eckkneipe am südöstlichen Stadtrand eines der besten Gourmetrestaurants der Stadt gemacht hat.
Die hohen Bewertungen der großen Restaurantführer sind schöne Dokumente dieses Erfolges. Doch ob das Schicksal so gnädig ist, über dem Restaurant endlich auch einen Michelin-Stern erstrahlen zu lassen, darüber macht sich Knut Hannappel keinen besonderen Stress. Bei dem Gemeinschaftsmenü „Flug zu den Sternen“, das die Köche von fünf Essener Spitzenrestaurants im Frühjahr 2012 im „Parkhaus Hügel“ veranstalteten, konnte Hannappel mit „Gefüllter Taubenbrust, Taubenklein, Pastinake, Mairitterlinge“ einmal mehr unter Beweis stellen, dass er den Sterne-Köchen Erika Bergheim, Nelson Müller und auch der neuen Doppelspitze Eric Werner und Erik Arnecke der Kettwiger 2-Sterne-Legende „Résidence“ mehr als ebenbürtig ist. An dieser Aktion zu Ehren des „Parkhaus Hügel“-Küchenchefs Suvad Memovic teilzunehmen, war für Hannappel selbstverständlich. Schließlich hatte er einst in diesem und anderen Häusern der „Hubert Imhoff GmbH“ seine Ausbildung zum Koch absolviert.
Und dennoch: Als vor etwa anderthalb Jahren eines Tages bei ihm das Telefon klingelte, mochte er sich vorgekommen sein wie ein deutscher Schauspieler, bei dem plötzlich Hollywood anruft. Am Apparat war Günter Hundrieser, einer der profiliertesten EDEKA-Händler der Region. „Herr Hannappel, haben Sie Lust daran, für uns für uns ein Gastronomiekonzept für Rüttenscheid zu entwickeln?“, fragte er.
Natürlich hatte Herr Hannappel Lust. Die Ausgangslage war verlockend. Am Rüttenscheider Stern, wo vor der Arcandor-Pleite ein Karstadt-Kaufhaus stand, sollte ein neues repräsentatives Objekt mit dem Namen „RÜ 62“ entstehen. Und da hinein, in der Tradition der alten Karstadt-Lebensmittel-Abteilung, sollte auch ein EDEKA-Markt kommen, unter der Leitung der Familie Hundrieser. Und die wünschte sich dem exklusiven Standort gemäß in ihrem neuen Laden ein adäquates Bistro-Angebot und sahen in dem Horster Gastronomen den idealen Partner. „Ich wäre von mir aus nie auf die Idee gekommen, das EDEKA mit mir etwas machen wollte oder überhaupt nach Rüttenscheid zu gehen“, meint Knut Hannappel noch heute.
Doch die Chemie zwischen ihm und der Familie Hundrieser stimmte von Anfang an, menschlich und geschäftlich. „Es wäre für sie kein Problem gewesen, für diesen Doppel-A-Standort eine solventen Mieter aus dem Gastrobereich zu finden“, erklärt Hannappel. „Doch sie wollten etwas Besonderes.“ Gemeinsam entwickelte man Ideen, fuhr zur Inspiration nach Mailand, Turin und in der Schweiz, wo die Zusammenarbeit von Gastronomie und Einzelhandel eine weitaus höhere Stufe erreicht hat als in Deutschland. Und so entstand das Konzept für ein Bistro, das ganz die Handschrift von Knut Hannappel tragen sollte.
„‘Essenz‘ bedeutet, dass wir in Rüttenscheid einen Auszug aus der Küche bringen, die wir im Restaurant in Horst machen“, erklärt Hannappel die Pläne. „Es wird ebenfalls recht aufwendig werden. Wir werden keinerlei Convenience verarbeiten, egal in welcher Preislage, wir werden nichts fertig kaufen. Die Produkte, die wir verarbeiten, werden ähnlich sein wie im Restaurant und es werden Gerichte aus dem Restaurant wiederzuerkennen sein, vielleicht ein wenig kleiner dargestellt und eher in mittlerer Preislage.“ Allerdings wird er auch die Möglichkeiten nutzen, der der exklusive Supermarkt im Rücken bietet. „Wir brauchen keine Lagerhaltung“, sagt Hannappel. Er geht davon aus, dass EDEKA Hundrieser auf seine Bedürfnisse bei Fleisch und Fisch eingehen wird, wovon auch der Kunde im Markt profitieren wird.
Zielgruppe sind in Rüttenscheid wie in Horst Gourmets, die Hannappels Kochkunst zu schätzen wissen. „Ich habe immer Koch gelebt“, erklärt er seine Leidenschaft. „Kochen ist viel Kopfarbeit. 80 bis 90 Prozent entstehen im Kopf.“ Schon während seiner Ausbildung bei Imhoff nahm er immer wieder an Köchewettbewerben teil und gewann auch meistens, doch als er nach als Jungkoch im Sternebetrieb des Düsseldorfer „Hummerstübchens“ von Peter Nöthel anfing, fragte er sich: „Was hast du eigentlich bislang gelernt?“ Doch schon bald brachte er es trotz seiner jungen Jahre zum stellv. Küchenchef, stand am Herd, schrieb die Speisekarten. Dann ging er nach Duisburg, um bei Theo Friederichs im damaligen „La Provence“ zu arbeiten, machten einen Abstecher nach ThyssenKrupp, um das Casino des Stahlkonzerns in Hamborn umzukrempeln. Doch parallel dazu bereitete er auch seine Selbständigkeit vor.
Denn es stellte sich die Frage, wie es mit der elterlichen Kneipe in Essen-Horst weiter gehen sollte. Als klar war, dass sein Bruder die Nachfolge nicht antreten wollte, übernahm er Knut Hannappel 1993 mit 25 Jahren den Laden. An die sieben Jahre ließ er Kneipen- und Restaurantbetrieb noch parallel laufen, löste sich aber immer mehr von der Kneipenküche mit Schnitzel und Frikadelle, um seine Vorstellungen von gehobener Küche zu realisieren. „Anfänglich war das eine harte Zeit, und wir hatten auch viele Fehler gemacht.“ Vorne Kneipe und hinten Gourmetrestaurant, das passte doch nicht so richtig zueinander. So setzte Hannappel, mittlerweile zweifacher Vater, schließlich ganz auf die gehobene Küche – eine Entscheidung, die sich als richtig erwies.
Das Rüttenscheider Bistro bietet nun die Gelegenheit, auf diesem Niveau auch ein großes Publikum anzusprechen. „EDEKA wird einen täglichen Durchlauf von 5000 Kunden haben“, prognostiziert Hannappel, „und für die werden wir täglich von morgens 7 bis abends 22 Uhr ein umfassendes Angebot bereithalten: Frühstück, Mittagstisch, Nachmittagskaffee, Abendkarte.“ Besonders den Mittgastisch findet er interessant. „Da wird es auch das ein oder andere Schmorgericht geben, was man ja auch schön machen kann: eine tolle Rinderroulade, ein schönes Ochsenbäckchen, eine geschmorte Lammschulter, mittags ist das doch super“, schwärmt er. Dass er solche Gerichte kann, beweist Hannappel alljährlich auf der der Gourmetmeile „Essen verwöhnt“, auf der sein Stand einer der Hauptanlaufpunkte ist. Im Bistro vorgesehen ist auch eine kleine, oft wechselnde Weinkarte.
Dieses umfangreiche Programm erfordert eine ziemliche Umkrempelung des bisher recht gemächlichen Geschäftsbetriebs. Die Küchenverantwortung im Bistro soll sein bisheriger Restaurantküchenchef Michael Scheil tragen, aber Knut Hannappels wird dort auch dafür sorgen, dass der Laden läuft. Seine Präsenz im Restaurant soll darunter aber nicht leiden, hier muss schließlich auf höchstem Niveau weiter gekocht werden. Er ist zuversichtlich, dass das klappt. „Ich werde zwar hin und her hüpfen, aber der Elan ist noch da, und vor allem der Spaß“, lacht er.
Und das Vertrauen in seine Belegschaft. 12 bis 15 Leute werden im Bistro arbeiten, allein schon wegen der langen Öffnungszeiten, da muss schichtweise gearbeitet werden. Für die Küche hatten sich mehr Leute beworben, als er einstellen konnte - ein „Luxusproblem“, wie Knut Hannappel es ausdrückt. Jetzt hat er Leute, die in den Sterneküchen von „Schloss Hugenpoet“ und der „Résidence“ gearbeitet hatten – was will man mehr!
Wie viele Leute tatsächlich im Service arbeiten werden, wird sich zeigen. Zu tun ist eine ganze Menge. 50 Plätze im Bistro, im Sommer zusätzlich 50 im Außenbereich, die Frühstückszubereitung mit dem Schneiden der Obstsalate und der Vorbereitung der Müslis, das „to go“-Geschäft, das ist schon eine Menge Arbeit. Auf gar keinen Fall will Knut Hannappel die familiäre Kollegialität aufgeben, die er mit seinen Mitarbeitern pflegt. „Wir versuchen, unsere neuen Mitarbeiter mit offenem Herzen zu empfangen“, sagt er.
Ob die Eröffnung des Bistros ein Schritt von der Koch-Persönlichkeit Hannappel zur Koch-Marke Hannappel ist, sieht Knut Hannappel gelassen wie die Verleihung eines Michelin-Sterns. „Man wird sehen, wie das Bistro anläuft“, sagt er. Für EDEKA Hundrieser ist er der erste Ansprechpartner, wenn es um die Gastronomie in weiteren Filialen geht. „Aber ich muss nicht auf die grüne Wiese nach Velbert, um dort halbe Hähnchen oder Leberkäse zu verkaufen“, lacht Hannappel. Auch Ideen für eine eigene Produktlinie bei Hundrieser hat er im Hinterkopf, doch müsste es dafür in eigene Produktionsküche investieren – und Investitionen hat er für das Bistro schon genug getätigt.
Und schließlich will er das Restaurant nicht vernachlässigen. Hier, in Essen-Horst, schlägt schließlich das Herz des ganzen Betriebs. „In erster Linie hoffe ich, dass das Restaurant durch die Eröffnung des Bistros profitiert“.
Montag, 5. November 2012
Aus dem Archiv: Knut Hannappel - Ich habe schon immer Koch gelebt
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