Dienstag, 14. September 2021

Slow Food: Wie und was man aus Tofu machen kann. Mit einem Rezept für in Kastanienhonig marinierten Tofu mit geröstetem Chicoree, Totentrompeten und Zwetschgen (vegetarisch).

Selbst hergestellter Tofu

Ich muss einräumen, dass ich mich bislang für Tofu nie besonders interessiert habe. Das mag daran liegen, dass die raffinierte, facettenreiche und wohlschmeckende Küche Ostasiens, wo diese Art Quark aus Sojabohnen schließlich ein Grundnahrungsmittel ist, bei mir nie die gleiche Leidenschaft entfacht hat wie etwa die italienische Küche. Zudem gilt Tofu in der vegetarischen Küche als Fleischersatz, in verarbeiteter Form sogar als Fleischimitat, und beides halte ich für ziemlich entbehrlich. Sicher, wie Fleisch ist Tofu ein hochwertiger Eiweißlieferant. Aber warum soll ich mir, wenn ich mich fleischlos ernähren will, vorgaukeln, dass ich dennoch Fleisch esse? Es gibt schließlich genügend vegetarische Gerichte, die auch ohne Etikettenschwindel delikat und vollwertig sind wie solche mit Fleisch. Zudem ist der industriell hergestellte Tofu, den es überall zu kaufen gibt, häufig eine fad schmeckende gummiartige Masse, auf die ich bislang gut verzichten konnte.

Tofu-Workshop bei Mea (links) in Schwerte

Dennoch nutzte ich die Gelegenheit, am letzten Freitag mit einigen Slow Food Freunden einen Workshop zum Thema „Tofu selbstmachen“ zu besuchen. Michaela „Mea“ Wendel hatte uns dazu nach Schwerte eingeladen. Dort betreibt sie direkt am Marktplatz in der Innenstadt mit „Meas Cucina“ eine Lehrküche (klick hier), in der sie die verschiedensten Koch- und Ernährungskurse anbietet. Zudem ist sie Mitglied der Slow Food Chef Alliance und hat die Marktschwärmerei Schwerte ins Leben gerufen.

Der Tofu-Grundstoff sind eingeweichte Soja-Bohnen,...

... die im Profi-Mixer püriert werden.

Während des gemütlichen Abends zeigte sie uns, wie man Tofu herstellt (Zu einem Video-Workshop auf Youtube klick hier). Eingeweichte Sojabohnen werden dafür mit heißem Wasser pürierte und das Püree dann unter ständigem Rühren 20 Minuten geköchelt. Das geköchelte Sojapüree wird dann heiß durch Käseleinen gepresst, so dass Sojamilch entsteht. Der dabei entstehende tresterartige Rückstand, übrigens eine ganze Menge, kann ebenfalls zur Speisenzubereitung verwendet werden. Die Sojamilch wird noch einmal 10 Minuten unter ständigem Rühren geköchelt. Dann lässt man sie auf 78 Grad abkühlen, fügt das vorbereitete Gerinnungsmittel Nigari und etwas Salz hinzuwird und lässt alles etwas ruhen, bis sich der Sojaquark von der Sojamolke getrennt hat. Schließlich füllt man den Quark in einen vorbereiteten Presskasten und lässt ihn unter dem beschwerten Deckel vollends erstarren. Nach 20 bis 30 Minuten erhält man schnittfesten Tofu. Irgendwie erinnerte mich das an einen Workhop vor acht Jahren, in dem wir Mozzarella gemacht hatten (klick hier).

Rühren, rühren, rühren und rühren:
Die eingeweichten Sojabohnen werden aufgekocht...
 
 

... und durch ein Tuch gepresst. Die so entstandenene Sojamilch wird noch einmal aufgekocht ...
 

... mit einem Gerinnungsmittel versehen ...


... und zum Erstarren in Presskästen gefüllt.

Das Ergebnis war dann eine Offenbarung. Entstanden beim Köcheln noch befremdliche Düfte, so hat das fertige Produkt ein wunderbar zartes unaufdringliches Aroma, bohnig, nussig, süßlich mit einem Hauch Bitterkeit. Und vor allem die Konsistenz war kaum mit Industrieware, bei der auf die „heiße“ Herstellung aus Zeitgründen verzichtet wird, zu vergleichen. Auch die Textur war unvergleichlich zart und dennoch schnittfest. Der selbstgemachte Tofu hatte als Saucen- bzw. Aromaträger mindestens den gleichen Soulfood-Faktor wie hausgemachte Pasta, 72 Stunden lang geruhter Pizzateig oder ganz einfach ein sahniges Kartoffelpüree – nur eben anders.


Fertig zum Probieren.

Ob man Tofu wirklich zu Hause herstellen sollte, weiß ich nicht. Sicherlich ist es nicht allzu kompliziert, aber man braucht viel Zeit, eine große Küche mit viel Platz, großen Töpfen und einer professionellen Küchenmaschine, um die sperrigen Sojabohnen fein genug zu pürieren. Am besten wäre es, es gäbe eine Manufaktur an der Ecke, wo man hausgemachten Tofu kaufen könnte wie frische Brötchen beim Bäcker.

Zutaten für mein Tofu-Gericht zu Hause frei nach Ottolenghi

Jeder durfte ein Stück Tofu mit nach Hause nehmen. Als ich überlegte, was ich damit machen sollte, fiel mir das Rezept von Yotam Ottolenghi ein, das ich vor acht Jahren in einem meiner eigenen Kochkurse hatte realisieren lassen (klick hier). Jetzt begriff ich, warum der israelische Starkoch marinierten Tofu mit geröstetem Rosenkohl kombinierte. Es ist die süße zarte Bitterkeit, die beide Produkte miteinander verbindet. Leider war für frischen Rosenkohl Mitte September noch keine Saison, und so überlegte ich, stattdessen die bitteren Salate Chicoree und Radicchio zu verwenden. Zum Einsatz kam schließlich schließlich Chicoree. Ottolenghi ergänzte diese Zutaten noch um Shii-Take-Pilze, doch ich konnte nicht widerstehen, als ich beim Einkaufen Totentrompeten entdeckte, jene schwarzen Pfifferlinge, die im Französischen morilles de la mort, Morcheln den Todes, heißen.
Die Tofu-Marinade aus süßer Chilisauce, Sojasauce, Sesamöl und Reisessig süßte Ottolenghi mit Ahornsirup. Ich hingegen nahm dafür Kastanienhonig, was die ganze Sache so mächtig machte, dass ich gern noch eine fruchtige Note im Gericht haben wollte. So gab ich noch ein paar Zwetschgen zum Gericht, die sich ganz hervorragend machten.


Als Getränk dazu hatte sich wohl ein chinesischer oder japanischer Pflaumenwein, der eigentlich ja ein Aprikosenlikör ist, gut geeignet. Den hatte ich jedoch nicht zur Hand. So kam mein heißgeliebter Salice Salentino zu Einsatz, eine süditalienischer Rotwein aus der Negroamaro-Traube, die durch ihr Trockenpflaumenaroma besticht.


Rezept: Mit Kastanienhonig marinierter gebratener Tofu mit Chicoree, Totentrompeten, Frühlingszwiebeln, Zwetschgen, Chili, Sesam und Koriander (vegetarisch)

Für 4 Portionen

150 g fester Tofu
Für die Marinade:
2 EL süß-scharfe Chilisauce
1 ½ EL helle Sojasauce
3 EL Sesamöl aus geröstetem Sesam
1 TL Reisessig
1 EL Kastanienhonig
Zitronensaft
evtl. Salz, Zucker

500 g Chicoree
Öl zum Braten
Salz
100 g rote Frühlingszwiebeln
½ kleine rote Chilischote, von den Samen befreit und klein gehackt
120 g Totentrompeten
150 g Zwetschgen
15 g Korianderblätter
1 EL Sesamsamen, geröstet

Für die Marinade süß-scharfe Chilisauce, helle Sojasauce , Sesamöl, Reisessig und Kastanienhonig verrühren. Mit Zitronensaft und evtl. Salz und Zucker abschmecken. Tofu in ein Zentimeter dicke Scheiben schneiden und ein Stunde marinieren.
Chicoree-Stauden in ein Zentimeter dicke Scheibenschneiden. Blätterstücke vom Strunk lösen u n die dünnen Teile von den dickeren trennen. Strünke in Scheiben schneiden. Öl in einer großen Pfanne erhitzen und die dicken Chicoreeteile etwas salzen und scharf anbraten, dass sie sehr dunkle Stellen bekommen. Aus der Pfanne nehmen und in eine Schüssel geben. Nun die dünnen Blatterteile salzen und sanft anbraten, ohne des sie viel Farbe verlieren. Ebenfalls aus der Pfanne nehmen und in die Schüssel geben.
Zwetschgen entkernen und in Scheiben schneiden. Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden. Große Herbsttrompeten kleiner schneiden. Etwas Chilischote ohne Kerne hacken. Etwas Öl in die Pfanne geben, Frühlingszwiebeln, gehackten Chili und Zwetschgen hineingeben, mit Sesam bestreuen und anbraten. Totentrompeten dazugeben, etwas später die Hälfte der Korianderblätter dazu geben und mitbraten, bis die Pilze sie durchgegart sind. Alles aus der Pfanne nehmen und in die Schüssel mit den anderen gebratenen Zutaten geben.
Etwas Öl in die Pfanne geben und wieder erhitzen. Von den marinierten Tofuscheiben die überschüssige Marinade abstreifen. Tofu in ein Zentimeter große Würfel schneiden. Tofuwürfel bei mäßiger Hitze braun anbraten und ebenfalls in die Schüssel geben. Überschüssiges Öl aus der Pfanne gießen und den Schüsselinhalt wieder hingeben. Restliche Marinade darüber gießen und alles wieder aufwärmen.
Auf Teller verteilen, mit weiteren Korianderblättern bestreuen und lauwarm servieren. 

Die Fotos vom Workshop stammen von Guntram Walter, Jochen Hoss, Wiebke und Torsten Rieck.

1 Kommentar:

  1. Tofu selber machen war bei mir ein Corona-Projekt - und irgendwie auch gut, weil ich hier wenig guten Tofu bekomme. Ich muss über eine Stunde fahren, da lohnt das Selbermachen. Ich habe ja länger in China gelebt, daher kenne und liebe ich viele Gerichte damit.

    In meinem Bericht dazu hatte ich auch geschrieben, dass ich diese europäische Sichtweise von Fleischersatz nicht mag. Asiatische Mönche nehmen Tofu auch als veganen Fleischersatz, aber davon abgesehen sind schöne Gerichte entstanden, die ich gerne mag.

    Eure neue Interpretation mit Pilzen und Zwetschgen so herbstlich - das stelle ich mir auch gut vor. Und sicher spannend, mal in die Produktion einzusteigen. Danke für den tollen Bericht!

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