Sonntag, 6. Februar 2022

Neu in Essen-Werden: Kettner’s Kamota

Das Restaurant wurde am 4.4.2023 mit 1 Michelinstern ausgezeichnet.

Jügen Kettner und Wiebke Meier


Der Glanz, in dem die Stadt Essen Anfang der 2010-er Jahre als kulinarische Metropole des Ruhrgebiets erstrahlte und den z.B. die zahlreichen Gourmetmeilen der Stadt dokumentierten (klick hier), ist in den letzten Jahren mit wenigen Ausnahmen (z.B. Hannappel klick hier) doch etwas verblasst. Zu den „normalen“ Ermüdungserscheinungen tat in noch die Corona-Pandemie ihr Übriges, und so konnte ihr Dortmund mit dem Michelinsterne-Regen im letzten Jahr (klick hier) doch tatsächlich den Rang ablaufen. Umso erfreulicher ist es, dass in den letzten Monaten trotz alledem eine optimistische Aufbruchsstimmung herrscht. Die Neuerfindung der Pierburg in Kettwig durch Erika Bergheim ist nur ein Beispiel dafür (klick hier).



Modernes Gasthaus-Design

Jetzt hat auch das benachbarte Essen-Werden eine neue Sensation. Mitte Januar eröffneten Jürgen Kettner und seine Geschäftspartnerin Wiebke Meier in den idyllischen Fachwerkgassen des historischen Städtchens an der Ruhr das Restaurant „Kamota“, und die durch japanische Akzente aufgepeppte österreichisch-steirische Küche schlug bei den Gästen sofort ein wie eine Bombe. Über sechs Wochen im Voraus ist das Lokal mit seinen immerhin 43 Plätzen ausgebucht – so, als wolle man aus der bedrückenden Lockdown-Atmosphäre der vergangenen Monate in eine fröhliche Urlaubsstimmung flüchten.

Eigentlich wollte Jürgen Kettner ja Maschinenbauer werden, aber dann entdeckte der heute 33-Jährige gebürtige Steiermärker Metzgerssohn seine Leidenschaft fürs Kochen. Ein Praktikum brachte in gleich zur Koch-Ikone Heinz Winkler in Aschau, doch dann gings ins Ruhrgebiet. Jürgen Kettner gehörte zu den jungen Talenten, mit denen Berthold Bühler und seine Küchenchefs Eric Werner und Erik Arnecke vor zehn Jahren in der Zwei-Sterne-Restaurantlegende Résidence in Kettwig einen Neuanfang wagte (klick hier) und die große Tradition des Hauses noch einige Zeit fortsetzen konnte. 2020 eröffnete Kettner gemeinsam mit Kevin Pietsch das „Pietsch by Kettner“ im Harz, für das er schon bald einen eigenen Michelinstern bekam und wo er sich schon den japanischen Einflüssen widmete. Dennoch zog es ihn zurück ins Ruhrgebiet. Bei der Aufbauarbeit des Asia-Ladens „Mama San“ (klick hier) lernte er schließlich die Restaurantfachfrau Wiebke Meier kennen, mit der er dann das „Kamota“ gründete.




Ironisch gebrochen: Kamota heißt so viel wie gemütlich.

„Kamota“ ist mitnichten ein japanisches Wort, sondern die steirische Aussprache des ursprünglich französischen Wortes „kommod“ und bezeichnet einen gemütlichen Ort. Und gemütlich ist es in den Räumlichkeiten der ehem. Pizzeria „Il Capriccio“ tatsächlich, aber dank des durchdachten modernen Designs immer wieder ironisch gebrochen, moderner Austro-Pop eben. Ein Teil des Restaurants beherbergt die „Greisslerei“, einen Feinkostladen, in dem es hausgemachte Kamota-Produkte gibt, in der Küche im Keller werden in Zukunft regelmäßig Kochkurse abgehalten.


In der Greisslerei gibt's hausgemachte Feinkost.

Im Restaurant setzen Jürgen Kettner und Wiebke Meier auf lockere Gasthaus-Atmosphäre. Es kommen keine Teller-Gerichte auf den Tisch, sondern es wird in Schüsseln für zwei oder je nach Gruppengröße mehr Personen serviert, aus denen sich jeder selbst nehmen kann. „Sharing“ nennt man das in modernen Restaurant-Konzepten. „ Da werden die Gäste von ihren Handys weggerissen und müssen sich dem Essen und ihren Mitgästen widmen“, lacht Kettner.

Betrachtet man aber, wie fein die Gerichte angerichtet sind, scheint es fast zu schade, um sie zu zerstören und sich selbst auf den Teller zu bugsieren. Überall scheint die Perfektion des Sternekochs durch. Die Saucen schillern in durchdachten Farbkombinationen, die Garnituren sind zarte Teller-Skulpturen. Was von der Bezeichnung her deftig erscheint, ist in der Darreichungsform leicht und fein. Ein Erdapfelschmarrn kommt als luftiges Schäumchen daher, ein Backhendl wie japanisches Tempura-Ikebana.


Wiebke Meier serviert den hausgemachten Kipferl-Likör

Zu einem kleinen mittäglichen Presse-Essen servierten Wiebke Meier und Jürgen Kettner die Gänge des aktuellen Menüs von der Karte. Die einzelnen Gerichte waren eindeutig österreichischen Ursprungs, doch die steirischen Grundprodukte wurden durch japanische Zutaten und Aromen delikat ergänzt. Die Geschmackskombinationen waren durchweg betörend, der Begriff Gasthausküche reines Understatement.

Das Kamota-Pressemenü vom 3. Februar 2022


Kleine Buschenschank Jausn
Komota Bauernbrot, g‘schlagene Butter, steirisches Kürbiskernöl


Käferbohnencracker, Pfefferoni


Rottenmanger Erdapfelschmarrn
Trüffeleigelb, Petersiliencrème
Ein himmlisches Schlürfvergnügen



Saibling Paltental
Daikon Rettich, Jahrgangs Gurkerl, Wasabi Sauerrahm
Preziose fürs Sharing, vom Genießer einigermaßen schön auf den Teller gebracht


Sulmtaler Backhendl „Kamota“
Zitrusaromen, Petersilie, scharfe Sabayon
Japanisch-steirische Köstlichkeit


Bratl vom steirischen Vulkanlandschwein
Tokyo Rüberl, Kizami Sauerkraut
Nicht nur optisch ein Gedicht. Tokyo Rüberl sind eine Mairübchen-Sorte.


Tiroler Kalbsbackerl
SHOYU Sellerie, Schwammerl, Speckkraut
Zergeht auf der Zunge. Shoyu ist eine Soja-Sauce.



Gspusi vom steirischen Schilcher
Strohmeyer Holler, Sake Lees
Das Dessert vermählt Schilcher-Sekt mit der Hefe von der Zubereitung des Reisweins Sake.

Oma Kettner`s Kaiserschmarrn
Zwetschgenröster, Kamota Vanilleeis
Hat das Zeug, zum Signature Dish zu werden.


Birnenbrand als Digestif

Weinbegleitung:
Grauburgunder Privat Kettner’s Kamota
Sauvignon Blanc, Weingut Polz
2013 Zweigelt, Weingut Tement
Schilcher Sekt, Langmann



Kettner’s Kamota. Hufergasse 23, 45239 Essen-Werden. Tel. 0201/72044700. Di-Sa 17-23 Uhr. kettnerskamota.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.

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