Eine Fahrt nach Mülheim versetzt mich immer wieder in eine gewisse nostalgische Wehmut, schließlich hat in der Stadt an der Ruhr bis vor acht Jahren meine – ursprünglich in Essen beheimatete – Familie gewohnt. Damals bekochte ich dort fast jedes Wochenende meine hochbetagte Mutter und meine Schwester. Diese Kochabenteuer veröffentlichte ich hier im Blog unter dem Titel „Gestern bei Mama“, woraus ich später dann das Konzept der „Urbanen Landhausküche“ entwickelte, übrigens eine Titelwahl nicht ohne Augenzwinkern.
Und so fand ich es ganz passend, dass das ehemalige ‚Restaurant „am Kamin“‘ in Mülheim seit letztem Herbst als „Landhaus am Kamin“ firmiert. Heike Nöthel-Stöckmann hatte mich schon länger eingeladen, ihr neu ausgerichtetes Haus zu besuchen. Von 2015 bis 2019 hatte das historische Fachwerkhaus einen Michelinstern. Mit der Corona-Pandemie kamen 2020 die Lockdown-Probleme und nach deren Abklingen der Versuch, an die Sterne-Phase wieder anzuschließen, der allerdings nicht klappte. So beschloss Heike Nöthel-Stöckmann, sich von den Zwängen und Ansprüchen der High-End-Gourmet-Küche zu befreien und mit ihrem Restaurant ganz andere Wege zu gehen.
Neuer Herr der Töpfe: Tobias Weitz
Zurück zu den Wurzeln heißt das neue Motto, Bodenständigkeit ist die Devise. Es geht jetzt um eine Küche „wie bei Oma“, die die Gefühle anspricht. In Tobias Weitz hat Heike Nöthel-Stöckmann einen neuen Küchenchef gefunden, der dieses Konzept auch umsetzen will. Gelernt hat der 28-Jährige das Kochhandwerk im Landhaus Mönchenwerth in Meerbusch und dabei eine große Leidenschaft für die bodenständige Küche entwickelt. Wichtig ist ihm die hohe Qualität der Produkte, die verarbeitet werden. Um den Bezug dazu zu erhalten, hilft der Neusser oft beim Geflügelbetrieb „Gänsepeter“ in Rommerskirchen aus, einem Slow-Food-Unterstützer. „Es ist schön, in der Küche jemanden zu haben, mit dem man die gleichen Ansprüche teilt und mit dem man sich einig ist, wie es schmecken soll“, sagt Heike Nöthel-Stöckmann.
Und dass die neuen Gerichte nicht nur die Zunge, sondern auch das Herz des Genießers treffen, zeigte das kleine bodenständige Menü, das ich probieren durfte. Alles war handwerklich perfekt und geschmacklich stimmig, aber unprätentiös zubereitet. Immer wieder wurde ich an mein eigenes familiäres Kochen erinnert. Beim Grünkohlsalat im Gruß aus der Küche musste ich daran denken, wie wir einmal bei der Vorbereitung für ein Grünkohlessen von Slow Food Bochum das rohe Gemüse mit Inbrunst weich massiert hatten (klick hier). Die Zwiebelsuppe des ersten Ganges erinnerte ich an den Heiligabendschmaus bei meinen Schwestern (klick hier), und die Rinderrouladen, quasi das neue „signature dish“ des Hauses, waren so klassisch mit Speck, Zwiebeln, Gurken und Senf gefüllt wie in Mamas Traditionsrezept (klick hier). Käsekuchen, wie es ihn zum Nachtisch gab, kannte ich noch aus den 1960-er Jahren als Lieblingskuchen meiner Großmutter. Allerdings wurde er damals nicht selbst gebacken, sondern zum Sonntagskaffee beim Bäcker gekauft.
Ein kleines bodenständiges Menü
Landhaus am Kamin, 16.2.2023
Vorweg
Hausgebackenes Brot mit Petersilienschmand
Erster Gang
Zwiebelsuppe mit Freiland-Eiernudel und gratiniertem Altbierkäse
Hauptgang
Rinderroulade wie von Oma
Möhrchen untereinander, Semmelknödel mit Speck und Senfsauce
Restaurant ‚am Kamin‘. Striepensweg 62, 45473 Mülheim an der Ruhr. 0208/760036. Di-So ab 18 Uhr. www.landhauskamin.de
Korrigierte Fassung. Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
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