Gut drauf: Teilnehmerinnen des Kochkurses
Vorgestern fand der erste Abend meines Herbstkochkurses an
der VHS Herne statt. Nach langer Zeit war wieder einmal der Ruhrgebietsküche
gewidmet.
Es ist gar nicht so einfach zu definieren, was das überhaupt
ist. Das Ruhrgebiet ist mit etwa 170 Jahren eine recht junge Region und die
ihre Traditionen noch nicht besonders alt. Die industrielle Entwicklung hat
sich nicht an die althergebrachten kulturellen und politischen Grenzen gehalten
und das Rheinland und Westfalen zwangsvermählt und vor allen Dingen die
landwirtschaftliche Produktion an den Rand der Region gedrängt. Eine gewaltige
Bevölkerungsexplosion hatte zur Folge, dass die Region allein die Menschen nicht
mehr versorgen konnte.
Die Millionen Einwanderer brachten ihre eigenen Ess- und
Kochtraditionen ins Ruhrgebiet mit, zuerst die Polen, später dann die Gastarbeiter
aus den Mittelmeerländern, deren Küche für die Deutschen gleichzeitig eine
Urlaubserinnerung war. Anfangs wurden die Menschen ins Ruhrgebiet gelockt,
indem man ihnen neben Arbeit und Wohnung auch einen eigenen Garten anbot, in
dem sie ihre gewohnten Lebensmittel anbauen konnten. Und so sind es die verschiedensten
nationalen Einflüsse und der Gemüsegarten, die die Ruhrgebietsküche definieren.
Wer will, kann im Manifest zur Ruhrgebietsküche, das der Genießer zusammen mit Slow
Food Bochum im Kulturhauptstadtjahr 2010 verfasste, all das und noch viel mehr
nachlesen. Klick hier.
Emsiges Treiben in der Lehrküche der VHS Herne
Zum Kochkurs fand sich ein munteres Trüppchen zusammen: drei
Mütter und ihre Töchter, ein Ehepaar und ein einzelner Herr. Der Genießer hatte
ein Menü zusammengestellt, das besonders die schlesisch-polnische Tradition der
Ruhrgebietsküche in den Mittelpunkt stellte.
Fingerfood: Fleischbällchen in Currysauce, Schlesische
Bierspeise und Stramme Mäxchen
Fingerfood ist eigentlich ein Widerspruch zur Ruhrgebietsküche,
ist deren wichtigstes Merkmal doch das „Viel“. Zu unserem bunten Gruß wurden
zwei Klassiker minituriarisiert. Die unvermeidliche Currywurst wurde zu „Fleischbällchen
in Currysauce“. Dafür wurde eine Currysauce hergestellt, in der gebratenen
Bällchen aus Bratwurst-Brät schwammen, das mit abgeriebener Zitrone und Curry
nachgewürzt wurde. Rezept hier.
Die Strammen Mäxchen wurden verkleinert, indem statt der
Hühnereier des Originals Wachteleier zu Einsatz kam. Dazu gehörte viel
Fingerspitzengefühle, denn die dicken Schalen der kleinen Eier mussten mit
einem Sägemesser vorsichtig aufgesägt werden, um das Eigelb nicht zu zerstören.
Rezept hier.
Das Rezept der Schlesischen Bierspeise stammt aus dem
Bierkochbuch von Josef Schwinning, dem langjährigen Küchenchef des Fiege
Sudhaus‘ in Bochum. Es ist ein Brotaufstrich aus Ölsardinen, Schmand, Kapern,
Senf und Bier. Wir verwendeten Fiege Bernstein, ein helles süßliches Bier, das
gut zu den ebenfalls süßlichen Ölsardinen passte, schmeckten aber auch noch mit
Zitronensaft ab. Rezept hier.
Schlesisches Himmelreich
Schweinbauch ist eine wichtige Fleischsorte im Ruhrgebiet
und kommt in vielerlei Form auf den Tisch, etwa paniert und gebraten als
falsches Kotelett. Wir stellten eine süß-pikante schlesische Variante her,
gekocht mit Backobst. Rezept hier.
Rinderrouladen
Auch die Rinderrouladen, gefüllt mit Senf, Speck und Gewürzgurke,
sind schlesischen Ursprungs. Wir bereiteten sie nach einem Rezept des Essener
Kochs Patrick Jabs zu. Wichtig ist dabei, das Schmorgemüse mit jeweils einem
Schuss Rotwein mindestens dreimal einkochen zu lassen. Darüber hinaus bekommen
sie eine besondere Not, weil der Senf mit geröstetem Paprikapulver vermischt
wurde. Rezept hier.
Pflaumen-Birnen-Auflauf
Desserts sind eine Luxusprodukt, und deshalb fallen sie im proletarischen
Ruhrgebiet recht einfach aus. Saisongemäß gab es einen Auflauf aus Zwetschgen,
Birnen und Zwieback. Rezept hier.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen