Montag, 31. Januar 2022

Nachgekocht: Poulet à la Bretonne – Hähnchen mit Roscoffzwiebeln, Champignons und Karotten in Cidre geschmort. Dazu Fondantkartoffeln und Speckböhnchen.


Als ich vor ein paar Tagen auf der Facebook-Seite „Käptn’s Dinner“ das „Poulet à la Bretonne“ von Lars Westerhausen aus seinem Blog „Wesfood“ (klick hier) entdeckte, wurde ich sofort an meinen Urlaub in der Bretagne vor drei Jahren erinnert. Damals hatten wir uns nicht nur an Meeresfrüchten (klick hier) und Dosensardinen (klick hier) gütlich getan, sondern u.a. auch ein Maishähnchen in dem herrlichen Backofen von Andreas Hexenhäuschen im Finisterre gegrillt. Die ganze Aktion war mehr oder weniger improvisiert. Unter den rotierenden Spieß hatten wir eine irdene Pfanne mit Navetten gestellt, so dass das austretende Hühnerfett samt Bratensaft pfiffigerweise direkt in die regionalgerecht in Cidre schmorenden französischen Rübchen tropfen konnte. Es war herrlich. Die Zutaten für unseren Schmaus hatten wir zuvor auf dem Wochenmarkt in dem idyllischen Hafenstädtchen Audierne gekauft.

Auf dem Markt von Audierne

Coquelet vom Grill

Bretonische Häuser in Audierne

Zugegeben, als ich mich gestern an das Nachkochen des „Poulet à la Bretonne“-Rezeptes machte, war die Roscoff-Zwiebel, die die Grundlage für den Schmorfond bildete, das einzige Produkt, das aus der Bretagne stammte. Alles andere kaufte ich im Bochumer Supermarkt meines Vertrauens - auch den Cidre von meiner Lieblingssaftkelterei am Niederrhein, der an jedes Gebräu aus Nordwest-Frankreich heranreicht und in dem die Hähnchenstücke mit Möhren und Champignons geschmort wurden.

Zutaten fürs Hähnchen

Zutaten für die Beilagen

Im Vorfeld hatte ich noch im Internet nach Hähnchen in Cidre geforscht und war auf einige Varianten des Rezeptes gestoßen, so dass ich schließlich meine eigene Version entwickelte. Unbretonisch war sicherlich, dass ich keine (Salz-)Butter zum Anbraten verwendete, sondern Rapsöl. Den Speck aus dem „Wesfood“-Rezept ließ ich beim Hähnchen weg, stattdessen wickelte ich ihn um die grünen Bohnen, die ich aus eigener Machtvollkommenheit als Beilage dazu gab. Die Fondantkartoffeln, die das „Westfood“-Rezept als Beilage vorsah und für die Kartoffeln angebraten und dann in Brühe fertig gegart werden, begeisterten mich allerdings sehr, so dass ich sie ebenfalls zubereitete. Ich aromatiserte sie zusätzlich mit frischen Lorbeerblättern.


Ob es daran lag, dass der Cidre nicht ganz so brut war oder die die Möhrchen etwas zu viel Zucker enthielten - so schmackhaft die ganze Angelegenheit war, der Fond, in dem die Hähnchenteile geschmort wurden, kam mir doch ein bisschen süß vor. Die Säure der Crème fraîche, die noch dazu kam, konnte das nicht ausgleichen. Also schmorte ich einige kleine Stückchen Salzzitrone mit und schmeckte zum Schluss mit einem Hauch Piment d’espelette ab, für einen angenehmen Schärfe-Kick. 



Rezept: Poulet à la Bretonne – Hähnchen mit Roscoffzwiebeln, Champignons und Karotten in Cidre geschmort. Dazu Fondantkartoffeln und Speckböhnchen

2 Portionen

4 kleine Hähnchenkeulen
etwas Mehl
Rapsöl
2 Möhren
150 g Champignons
1 Roscoff-Zwiebel
1 Scheibe Salzzitrone
2-3 Estragonzweige
0,1 l Cidre brut
0,1 l Hühnerbrühe
5 EL Crème fraîche
1 Prise Piment d’Espelette
Pfeffer, Salz

Möhren schälen und in dünne Scheiben schneiden. Champignons abputzen und in Stücke oder blättrig schneiden. Roscoff-Zwiebel fein würfeln.
Hähnchenkeulen salzen und leicht mehlieren. Rapsöl in einer großen Pfanne erhitzen und die Hähnchenkeulen darin goldbraun anbraten. Aus der Pfanne nehmen.
Möhrenscheiben und Champignons in die Pfanne geben und bei geschlossenem Deckel ein paar Minuten anbraten. Evtl. wenig Öl nachgeben. Zwiebelwürfel dazugeben und alles braten lassen, bis die Zwiebeln glasig sind, aber keine Farbe angenommen haben. Pfanne vom Feuer nehmen und leicht mit Mehl bestreuen. Gut umrühren. Mit Cidre und Geflügelbrühe aufgießen, Salzzitrone und Estragon dazu geben. Pfanne wieder aufs Feuer setzen, zum Köcheln bringen. Hähnchenkeulen wieder dazu geben, zudecken und bei niedriger Hitze 30 Minuten köcheln lassen, bis das Fleisch gar ist. Estragonzweige entfernen. Crème Fraîche unterrühren und alles etwas einköcheln lassen, bis die Sauce gebunden ist. Mit Salz, Pfeffer und Piment d’spelette abschmecken.

Fondantkartoffeln:
10 kleine Kartoffeln (Drillinge)
Rapsöl
3 Lorbeerblätter
Cidre
Hühnerbrühe
Pfeffer, Salz

Kartoffel schälen und halbieren. Öl in einer Pfanne erhitzen. Kartoffeln mit den Schnittstellen hineingeben, salzen und braten, bis sie Unterseite schön braun ist. Mit Cidre und Hühnerbrühe auffüllen, bis die Kartoffeln knapp bedeckt sind. Lorbeerblätter dazugeben. Bei niedriger Hitze 20 Minuten bei geschlossener Pfanne köcheln lassen, bis die Kartoffeln gar sind. Den Deckel abnehmen und die Flüssigkeit verdampfen lassen.

Speckböhnchen:
200 g grüne Bohnen
Salz
Bohnenkraut
8 dünne Streifen durchwachsener Speck
Rapsöl

Bohnen putzen und in Salzwasser mit Bohnenkraut 6 Minuten blanchieren. Eiskalt abschrecken. Zu vier bis sechs Bündeln zusammenlegen und mit je einem Streifen Speck umwickeln. In einer Pfanne wenig Öl erhitzen, die Bohnenbündel hinein legen und braten, bis der Speck kross ist. Pfeffern und salzen.

Anrichten:

Auf vorgewärmten Tellern einen Spiegel aus der Sauce bilden, Hähnchenkeulen, Fondantkartoffeln und Speckböhnchen darauf verteilen.

Hier ein weiteres französisch inspiriertes Rezept mit Hähnchen:
Burgundisches Ruhrgebiet: Ein Bresse-Huhn aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis, ein rheinhessischer Frühburgunder, Kartoffelplätzchen, eine Sahnehaube und ganz viel Butter

Hier ein weiteres Gericht mit Cidre:
Gestern bei Mama: Schweineschmortopf mit Salbei und Cidre



Freitag, 28. Januar 2022

Ruhrgebiet: Menue- und Restaurant-Karussells drehen sich auch 2022



Ein Stück Normalität in Coronazeiten. Die Menue- und Restaurant-Karussells drehen sich wieder. Zahlreiche Restaurants im Ruhrgebiet bieten in diesen beiden Monaten spezielle Menüs zu besonderen Preisen an.

28. Januar bis 27. März 2022
Restaurant-Karussell
27 Restaurants in Essen, Duisburg und Mülheim an der Ruhr präsentieren ihr Frühjahrsmenüs.
Zu Infos zu den Restaurants, ihren Menüs und Möglichkeiten zur reservieren bitte hier klicken.

2. Februar bis 31 März 2022
Menue-Karussell
93 (!) Restaurants in Bochum und Herne, Dortmund und Umgebung, Hattingen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis sowie im Vest (Recklinghausen) und Umgebung präsentieren ihre Menüs.
Zu Infos zu den Restaurants, ihren Menüs und Möglichkeiten zur reservieren bitte hier klicken.

Donnerstag, 27. Januar 2022

Slow Food Bochum: Neujahrsessen bei „Küchenreise by Asterios“ in Dortmund-Hörde

Update 16.11.2023: Das Restaurant musste nach einem Brand im September 2023 schließen.


Zum Neujahrsessen 2022 traf sich der INI-Kreis von Slow Food Bochum am 23. Januar im Restaurant „Küchenreise by Asterios“ in Dortmund-Hörde. Der Grund, warum wir etwas out of area trafen, war die Bemerkung von Küchenchef und Betreiber Asterios Lampos in den Ruhrnachrichten, er würde in seinem Lokal „Slow Food“ anbieten.

Asterios ist im Ruhrgebiet geboren, in Griechenland aufgewachsen und ein leidenschaftlicher Koch, der in vielen unterschiedlichen Ländern gearbeitet hat. Den Menschen im Ruhrgebiet ist er vielleicht noch als Küchenchef der Villa Stadtgarten in Gelsenkirchen-Feldmark bekannt. Seit Dezember betreibt er in Dortmund-Hörde das Restaurant mit dem programmatischen Namen, in dessen Konzept die Erfahrungen seiner Wanderjahre eingeflossen sind.

Der INI-Kreis von Slow Food Bochum

Auf den Tellern fanden wir folgerichtig eine fröhliche Crossover-Küche mit griechisch-mediterranen, deutschen und auch österreichischen Einflüssen, die mit einer ungestümen Vorstellung von Kreativität daherkam und auf den Wohlgeschmack der frischen Zutaten setzte. Begrüßenswert war, dass vieles vegetarisch bzw. vegan war. Die Portionen besonders der als Vorspeisen deklarierten Gerichte waren sehr üppig, man brauchte eigentlich nur ein Tellergericht, um satt zu werden – etwas viel Proviant für eine Küchenreise. Nicht immer entsprachen die Bezeichnungen den Erwartungen. So war der Risotto eher ein Gemüsereis, die Crème brulée erinnerte an Griesbrei und die Mascarponecrème wurde nicht wie angekündigt mit Himbeeren serviert, sondern eher mit einer Roten Grütze aus Johannisbeeren.

Unsere Gerichte

Waldpilze / Blaukäse / Kräuterquark
 
Flammkuchen / Ziegenkäse / Waldhonig / Rucola / karamellisierte Zwiebel

Geflämmte Garnelen / Wildkräuter-Salat / Passionsfrucht-Dressing / Landbrot

Grill-Gemüsetürmchen / Halloumi Käse / Balsamico-Creme

Tiroler Hüttenkäsespätzle / Röstzwiebeln / lauwarmer Kartoffelsalat

Berliner Kalbsleber / Sellerie-Kartoffelstampf / Schmorzwiebel / Apfel

Raviolini / Feige / Birne / Mozzarella / Chili / Parmesan / Rucola

Hausgemachte Semmelknödel / Wiesen-Champignons / Rahm / Kräuter

Risotto Wintergemüse / Marini Bianco / grüner Apfel

Crème brulée

Flüssig gefülltes Schokotörtchen

Himbeer-Mascarpone-Crème

Küchenreise by Asterios. Wellinghofer Str. 167, 44263 Dortmund. Tel. 0231/13738673. Tägl. 17-23 Uhr. www.kuechenreisebyasterios.de

Sonntag, 23. Januar 2022

Genießers Kochkurs: Ein Menü wie in Bistro und Trattoria

Unser Menü, von den Teilnehmerinnen durch ihre Handys gesehen.

Im letzten Jahr mussten leider alle angedachten Kochkurse des Genießers an der VHS Herne wegen Corona ausfallen, und auch im Wintersemester, als solche Veranstaltungen wieder möglich waren, hatte ich nur wenig Lust, mich im Zeichen von Omikron um Termine zu bemühen. Schließlich gehöre ich als frischgebackener Rentner altersmäßig zur Risikogruppe – meine beiden Impfungen plus Booster hin oder her. Doch da fragte die Leiterin meiner Herzsportgruppe an, ob ich nicht Lust hätte, für die Damen ihrer Saunagruppe einen Kurs zu veranstalten. Und so sagte ich zu.

Also traf ich mich am letzten Dienstag mit den acht Damen unter Beachtung aller Corona-Sicherheitsregeln in der Lehrküche des Herner Kulturzentrums zum gemeinsamen Kochen. Als Motto des Abends hatte ich „Ein Menü wie in Bistro und Trattoria“ gewählt und bewährte Rezepte aus Südfrankreich, Italien und Spanien für drei Gänge und einen Gruß aus der Küche ausgesucht. Heraus kam dabei ein Menü aus ins Raffinierte weisender mediterraner Hausmannskost, gleichermaßen elegant wie herzhaft. Jeweils zwei Damen bereiteten je einen Gang zu und blieben dabei prima in der Zeit. (Ich selbst war allerdings ganz schön aus der Übung. Leider hatte ich meine Kamera vergessen, so dass ich den Kurs nicht adäquat dokumentieren konnte. Aber die Damen stellten mir für diesen Post Bilder zur Verfügung, die sie mit ihren Handys gemacht hatten, siehe oben. Die Bilder unten stammen aus meinem Blog-Archiv.)

Gruß aus der Küche:
Croutons mit Pistou und Tapenade sowie Käsewindbeutelchen

Pistou ist eine Spezialität von der Cote d‘Azur und besteht wie das Pesto Genovese von der benachbarten italienischen Riviera aus Basilikum, Pinienkernen, Knoblauch und Parmesankäse. Wir strichen die Paste auf knuspriges Baguette. Zum Rezept bitte hier klicken.

Tapenade stammt ebenfalls aus der Provence und ist eine grobe Paste aus Oliven, Kapern, Sardellen und Cognac oder Rum. Auch sie strichen wir auf knuspriges Baguette. Zum Rezept hier klicken.

Für die Käsewindbeutel musste ein Brandteig hergestellt werden, der mit geriebenem Käse angereichert wurde. In Frankreich heißen die leckeren Happen Gougère. Zum Rezept hier klicken.

Vorspeise:
Gorgonzola-Radicchio-Risotto mit Balsamicobirne, Steinpilzen und Walnüssen
 
Die Vorspeise führte uns nach Norditalien. Ein Risotto, der statt mit Parmesan mit dem würzigen Blauschimmelkäse Gorgonzola aus der Lombardei zu bereitet wurde, wurde von geschmortem Radicchio und Steinpilzen, einer in Balsamico gekochten Birne und gerösteten Walnüssen servierte. Eine elegante bittersüße Köstlichkeit. Zum Einsatz kam dabei der flammenförmige Radicchio trevisano.
Zum Rezept hier klicken.

Hauptgang:
Kaninchen in Senf-Weißwein-Sauce mit Artischocken, grünen Oliven und Lorbeerkartoffeln
Kaninchen in Senfsauce ist ein Klassiker der französischen Bistro-Küche. Wir gaben der Sauce Artschocken bei, die mit ihren Senfölen die Sauce sehr gesund ergänzten. Sehr gut passten noch grüne Oliven und die mit frischen Loebeerblättern aromatiserten gebackenen Kartoffeln. Kaninchen und Artischocken sind übrigens auch Spezialitäten auf Szilien.
Zum Rezept hier klicken.

Dessert:
Orangenflan mit Karamellsauce und frischem Obst

Süßer Flan ist ein verbreiteter Nachtisch in Spanien und besteht aus einer Masse aus Eiern, Milch un Zucker, die im Wasserbad gestockt wird. Wir aromatisierten unseren Flan mit Orangenschale und servierten ihn mit frischen Früchten. Eine bekannte Variation der französischen Küche ist die Crème caramel.
Zum Rezept klick hier.

Sonntag, 16. Januar 2022

Neu in Essen-Kettwig: Pierburg – Erika Bergheim

Küchenchefin Erika Bergheim

Bevor im letzten Jahr über Dortmund eine wahre Gießkanne von Michelinsternen ausgegossen wurde, konnte man die Anzahl der Sternerestaurants in der sog. Metropolenregion Ruhrgebiet buchstäblich an einer Hand abzählen. Aber zwei davon befanden sich immerhin in Kettwig, und so hatte das idyllische Ruhrstädtchen lange Zeit nicht nur für die Stadt Essen, zu deren Stadtteilen Kettwig seit 1975 gehört, sondern für die gesamte Metropole Ruhr eine Art kulinarische Leuchtturmfunktion inne.


Doch die hatte in letzter Zeit ziemlich gelitten. Waren früher für den Genießer jedes Jahr mehrere Ausflüge nach Kettwig obligatorisch, so musste ich jetzt auf dem Weg zu einem Pressetermin mit den Kollegen Tom Thelen von „Essen geht aus“ und Peter Erik Hillenbach von Gastrotel in Erika Bergheims neuem Restaurant Pierburg feststellen, dass ich lange nicht mehr dagewesen war. Längst vorbei war es mit den Jahrespressekonferenzen von Berthold Bühlers Résidence (klick hier), die mit zwei Michelinsternen jahrzehnetlang eine deutschlandweite Institution war und Ende 2016 ihre Pforten schloss, oder mit den Weinmesse- (und gelegentlichen Presse-)Veranstaltungen auf dem barocken Schlosshotel Hugenpoet in den Ruhrauen, das im Lauf der Zeit sogar mit zwei Ein-Stern-Restaurants unter der Leitung von Erika Bergheim gesegnet war, von 2009 bis 2013 mit dem Nero (klick hier) und nach einem Managementwechsel im Hotel seit 2016 mit dem Laurushaus (klick hier). Ich weiß nicht, worauf ich mich damals bei den in den exklusiven Hotelräumlichkeiten stattfindenden Hausmessen des Essener Weinhandels Vino Grande mehr freute: auf die Begegnung mit den internationalen Spitzenwinzern und ihren Weinen in gediegenster Umgebung oder auf den kleinen Block mit zahlreichen Gutscheinen, die einen dazu berechtigten, an verschiedenen Stationen im Haus die schönsten Kreationen aus der Schlossküche abzugreifen (klick hier). (Am Rande sei noch erwähnt, dass auch die Musikalisch-kulinarische Meile, dank der Kulisse des idyllischen Ruhrstädtchens eine der charmantesten Gourmetmeilen im Ruhrgebiet, seit ihrer Selbstentleibung 2019 auch nicht mehr stattfand und deswegen auch keinen Besuch Kettwigs mehr erforderte – klick hier).


Die Pierburg: Wandlung vom Dorfgasthaus zum Gourmetrestaurant.

Doch als wir uns im Schritttempo durch die winterliche Finsternis und die aufkommenden Nebelschwaden über die schmale Schmachtenbergstraße der neuen Pierburg näherten, dämmerte es uns, jetzt wird es wieder anders. Seit jeher war der geräumige Bau an der Grenze zum benachbarten Stadtteil Schuir ein Kettwiger Traditionsgasthaus gewesen, in den letzten Jahren sogar eher eine Dorfkneipe. Doch was uns durch die neuen Fenster des frischrenovierten Hauses entgegen leuchtete, war ein mit modernem Chic eingerichtetes elegantes Restaurant, das jeder Großstadt zur Zierde gereichen würde. Mitten in der Corona-Pandemie hatten es Erika Bergheim und ihr Investor vor zwei Monaten gewagt, die neue Pierburg zu eröffnen, ergänzt durch den Namenszug der Küchenchefin, der signalisiert, ab jetzt gibt es hier so etwas wie Autorenküche.


Moderne Gemütlichkeit: Der Kamin

Geräumig und elegant: Der Gastraum 

Großstadtflair in Kettwig-Umstand

An den Wänden hängen Zeichnungen von Burkhard Fahnenbruch.

Erinnerungen an die alte Pierburg

Seit der Pandemieusbruch Anfang 2020 besonders die Gastronomie gebeutelt hatte, war das Laurushaus im Schlosshotel Hugenpoet geschlossen. Die Belegschaft des Sternerestaurants war in Kurzarbeit oder höchstens noch damit beschäftigt, die Hotelgäste im Hotelrestaurant Hugenpöttchen zu verpflegen. Als dann ein Stammgast Erika Bergheim auf die auf Wiederbelebung harrende Pierburg aufmerksam machte, entschied sie sich schnell. Endlich wieder nach ihren Vorstellungen kochen zu können, war eine Gelegenheit, die sie ergreifen musste – auch wenn ein Lokal mit immerhin 80 Sitzplätzen und einer großen Terrasse für den Sommer eine ganz schöne Herausforderung ist. Doch das Wagnis scheint gelungen zu sein. Zwar nahm man von der Idee eines Mittagstisches wieder Abstand, aber sowohl die alte Stammkundschaft aus dem Laurushaus als auch die hochkarätigen Leute aus der Nachbarschaft haben die neue Pierburg angenommen. Als „gehobene Landhausküche“ bezeichnet Erika Bergheim mit typischer Zurückhaltung ihr Angebot, ergänzt um hausgemachte Pâtisserie zum Kaffee und die Menüs der „Edition E.B.“. Dass ihr damit die Kontinuität zum Ein-Stern-Restaurant Laurushaus auch in Zukunft gelingen könnte, würde dabei niemanden überraschen. Schließlich konnte sie auch einen Teil der mitbesternten Belegschaft ins neue Domizil mitnehmen, allen voran die Souschefin und Pâtissière Sandra Wnuk und den Sommelier David Wortmann.

Aber auch, wenn die Pierburg (noch) keinen Michelinstern hat, Kettwig kann schon jetzt wieder einen Leuchtturm auf der kulinarischen Landkarte des Ruhrgebiets aufweisen. Denn in gewisser Weise beerbt Erika Bergheim ja auch die unvergessene Résidence. Als deren Patron Berthold Bühler noch Küchenchef im Essener Sheraton Hotel war, machte sie dort ihre Ausbildung.


Das Menü Edition E.B.
13.1.2022


Sommelier David Wortmann präsentierte eine ausgesuchte Weinbegleitung. 

Irgendwie war es klar, das wir für unsere Presseessen alle das aktuelle Menü der Edition E.B. wählten. Sicherlich wären Gerichte von der ‚normalen‘ Karte wie Apfel-Steckrübensuppe mit süß-sauren Steckrüben, grünem Apfel und getrockneter Pancetta, Graupenrisotto mit Wintertrüffel aus dem Perigord und Artischocken oder Kalbsrücken vom baskischen Blonde d’Aquitaine mit Morchelrahmsauce, Petersilie, geröstetem Broccoli und Brandteigkartoffeln treffende Beispiele für Erika Bergheims Küche, die das Produkt in den Mittelpunkt stellt, schmackhafte Beispiel gewesen. Doch wir wählten halt die ‚große Nummer‘, die nach ihren Worten „Quintessenz und zugleich State of the art zeitgenössischer Kochkunst“ versprach. Dabei kamen die Teller im Portionsumfang sehr sympathisch und in der Präsentation sehr unprätentiös daher, wie es ihr Stil ist. Präzise wurden die Aromen herausgearbeitet, In den Fisch- bzw-Hummergängen kamen verschiedene Varianten von Säure und Süße zum Tragen, bei der Ente der Bitternote des exotischen Chiloepfeffers. Ente und Short Rib waren ganz traditionell gebraten bzw. geschmort: auf modisches Sous-vide-Garen wurde verzichtet.
Sommelier David Wortmann präsentierte eine ausgesuchte Weinbegleitung.


Alkoholfreier Traubensecco vom
Sekthaus Raumland, Pfalz als Aperitif


Brot von Backbord und
Olivenöl von Villa d'Orri vorweg



Steinbutt

mit Kohlrabi, Yuzu, Mandarine und Buttermilchsud
Wein: 2019 Menetou-Salon, Isabelle et Pierre Clément, Loire
Die japanische Zitrusfrucht Yuzu sorgte für eine erfrischende Säurenot.

Hummer
mit Krustentier-Ravioli, Kürbis, Lattuga und Grapefruit
Wein: 2015 Riesling Pechstein, Reichsrat von Buhl, Pfalz
Anders als beim Stenbutt sorgte hier die Grapefruit für eine betörende Bittersüße.

Challans Ente
mit Ananas, Macadamia, Leber, Brioche und Chiloepfeffer
Wein: 2015 Sgarzon Teroldego, Foradori, Trentino
Chileopfeffer ist eine Spezialität aus Chile und sorgte für eine leicht bittere Schärfe, die im Kontrast zur warm-weichen Entenleber auf dem hefigem Brioche stand.


Short Rib

mit orientalischen gelben Erbsen, Spinat und Aubergine
Wein: 2015 Château Biac, Côtes de Bordeaux
Fleischgang als Gaumenschmeichler: Ob hier Erika Bergheims Erfahrungen, die sie bei ihren Hospitationen in amerikanischen Sternerestaurants machte, Pate stand?

Der aufrecht stehende Chip ist das indische Fladenbrot Papadam.


Karotten-Ingwer Sorbet

mit Milchreis, Ricotta, Mango und Passionsfrucht
Wein: 2019 Furmint Auslese, Weingut Heidi Schröck, Burgenland



Presseessen in der Weinstube

Pierburg – Erika Bergheim. Schmachtenbergstraße 184, 45219 Essen. Tel. 02054 5907. Mi-Fr 15-23 Uhr, Sa, So 12-23 Uhr. pierburg-essen.com

Der Genießer bedankt sich bei Erika Bergheim für die Presseeinladung.
Vielen Dank auch an Michael Alisch für die Organisation.