Donnerstag, 24. Juli 2008

Aus dem Archiv: Rosin - Reeller Luxus

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".

Wer ein sterngekröntes Haus wie das Restaurant Rosin besucht, kauft sich nicht nur einfach ein gutes Essen. Ein Stern bedeutet auch, dass gut geschultes Personal immer und überall zu Stelle ist, Wein und Wasser nachschenkt, bevor das Glas leer ist, entfaltete Servietten entfernt, bevor sie als störend empfunden werden. In der sozialdemokratisierten Welt des Ruhrgebiets ist die hohe Kunst des Sich-Bedienen-Lassens vielleicht nicht so ausgeprägt wie anderswo, und so mancher Gast, der seine kulinarische Prägung an den Selbstbedienungs-Büffets der Ferienhotels bekam, schreckt vielleicht bei dem selbstverständlichen Engagement der Kellnerschaft in der Sterne-Kategorie zusammen wie der Gelegenheits-Jet-Setter an den Türen des Flughafens, die sich vor ihm wie von Geisterhand öffnen.

Im Restaurant Rosin war es die unbeirrbare Emsigkeit, mit der verschiedene Bedienungskräfte jeden auf die Tischwäsche gefallenen Brotkrümel sofort entfernten, die uns immer wieder überraschte und als Nebeneffekt dem Zwang zu jeglicher Tischkonversation enthob. Dabei machte das rot geklinkerte Haus in Dorsten-Wulfen von außen eher den Eindruck von identifikationsträchtiger, kleinbürgerlicher Behaglichkeit. Innen umfing uns dann dieser Sterne-Luxus, der sich nach einer gewissen Eingewöhnung und vor allem nach dem Kosten der ersten Gerichte jedoch als äußerst reell erwies.

Edles Schwarzweiß dominierte den Gastraum. Schwarz war der Flügel, an dem ein junger Pianist im weißen Hemd live für easy listening sorgte, schwarz waren die italienischen Schieferplatten, die als Servierteller auf den weißen Tischdecken lagen, schwarz waren die eleganten Anzüge, die die jungen Kellnerinnen zu weißen Blusen trugen. Dafür, dass das Ganze nicht zu steif erschein, sorgte jedoch ihr schelmisches Lächeln. Das zeigte, dass es sich im Grunde um charmante, freche Girlies handelte, die uns hier als brave Pinguinmädchen entgegentraten und die ihr Handwerk aus dem Effeff beherrschten. Und auch als Frank Rosin, der einst als Junger Wilder begann, an den Tisch trat, um seine Honneurs zu machen, entpuppte er sich als mittlerweile raumfüllender Patron, der in Sachen Herzlichkeit und Sprachduktus seine Zugehörigkeit zum Ruhrgebiet nirgendwo leugnete und ganz bodenständig das Ende der effekthascherischen Molekularküche prophezeite. Dabei erinnerte uns so manches Schmackofatz, mit dem er uns überraschte, an die Schaumschlägereien des spanischen Molekularkochs Ferran Adria.

Schmackofatz bezeichnet in der Küchenphilosophie Frank Rosins das, was man in Bayern Schmankerl nennt, eine köstliche Kleinigkeit, die ihre Wurzel in der regionalen Küche hat. Rosin serviert fast ein halbes Dutzend solcher Schmackofatze als kleine Zwischengänge zu seinen Menüs. So wurden aus den vier Gängen, die wir bestellten, locker neun einzigartige Ausflüge in die verschiedensten kulinarischen Welten. Wo anders könnten sich z.B. türkische Einflüsse auf der Karte eines Sterne-Restaurants wieder finden als im Ruhrgebiet? Lammbratwurst, Bergforelle, Avocadocrème wurden in einer Vorspeise so geschmackvoll zelebriert wie zu Zeiten der türkischen Sultane, ein dem Caçik ähnlicher Gurkensalat und ein Ayranschäumchen waren mit Kreuzkümmel und Limette typisch osmanisch gewürzt. Ferkelbauch und Hummer zogen sich in verschiedenen eleganten Darreichungsformen und Aggregatzuständen durch die zweite Vorspeise, einfach geräuchert oder kross gebraten, gekocht oder als raffiniertes Süppchen. Gänseleberparfait mit Kaffeekrokant und zweierlei von der Orange waren keineswegs eine süße Nachspeise, sondern ein pikanter Zwischengang, die Orange wiederum ganz verschieden zubereitet. Die Fleischgerichte waren ein Gedicht an zarter Saftigkeit: ein fast weihnachtlich anmutendes Hirschkalb im Früchtebrotmantel mit alten Feigen und Wirsing und US Beef mit gebackener Schalotte, Rosenkohl, Sellerie und Krokette vom Wulfener Käse, ein gelungener Tribut an die westfälische Region.

Zu jedem Gang empfahl Sommelière Susanne Spies einen speziellen Wein, darunter Raritäten wie einen griechischen Rotwein aus der autochthonen Rebsorte Agiorgitiko, Klassiker wie einen spontanvergorenen Riesling von Heymann-Löwenstein von der Mosel oder einen Mallorquinischen Chardonnay. Und zwischendurch die Schmackofatze, klein, lecker und von kulinarischem Witz: Fenchelmousse mit Strauchtomate, Anis-Beluga-Linsen mit mediterranem Salamibrot, Basilikumschaum-Gazpacho, Sashimi von der Wassermelone und ein Vordessert von Maracuja und Nougat, dass den süßen Kontrast zum eigentlichen Nachtisch, Birnenvesper vom Blauschimmelkäse mit hausgemachter Tafel Schokolade, bildete.

So luxuriös alles war, so gut schmeckte es auch, und man hatte niemals das Gefühl, hier wird einem etwas vorgemacht. Und dennoch: Ein wenig Zauberei muss dabei gewesen sein. Wir durften jeden Gang immer dann wählen, wenn er an der Reihe war, und in kürzester Zeit stand er auf dem Tisch. Wie hat die Küche das bloß bei den aufwendigen Gerichten gemacht?

-kopf


Dorsten-Wulfen, Hervester Str. 18
Fon 0 23 69.43 22
Di-Sa ab 18.00 Uhr, So & Mo geschlossen
https://www.frankrosin.de/

Freitag, 18. Juli 2008

Aus dem Archiv: Landhaus Am Staadt - Prosecco statt Pils

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Heute (2024) befindet sich hier eine Filiale der Restaurantkette "12 Apostel".

Eigentlich müsste er ja ein Pils vor sich stehen haben. Doch der Ruheständler, der etwas einsam wartend auf der Terrasse vom Landhaus Am Staadt sitzt, hält sich an einer wohl gefüllten Sektflöte Prosecco fest, deren kühler Inhalt an diesem warmen Sommertag elegant das schlanke Glas beschlägt. Doch der gute Mann muss nicht lange warten, da erscheinen zwei Kumpel aus der Nachbarschaft und begrüßen ihn mit großem Halloo. In einer normalen Eckkneipe würden sie jetzt mit einem zünftigen Skatspiel beginnen, hier am grünen Ufer der Ruhr machen die Stammtischbrüder mit dem spritzigen Weißwein jedoch auf italienische Lebensart.

Überhaupt ist die Terrasse des traditionsreichen, heute überaus chicen Gasthofes so etwas wie eine Werden-Kettwiger Piazzetta. Bis zum Abend treffen sich hier Cabriofahrer, die sich mit ihren Prachtstücken den lauschigen Schuirweg hinunter bis über die Ruhrtalstraße hinweg ans Wasser gestürzt haben, Radfahrer vom alten Treidelpfad am Ruhrufer, Familien mit Kindern, Liebespaare, Szenevolk und Müßiggänger aller Art. Und jeder scheint für jeden ein Begrüßungs-Bussi bereit zu halten – wenn er nicht ein unbekanntes Gesicht mit intensivem Vorbeigucken ignoriert. Die Terrasse ist aber auch einmalig schön und kann bei Bedarf auf den kurz geschorenen Rasen ausgeweitet werden, der Streuobstwiesen-gleich mit Schatten spendenden Bäumen bestanden ist. Einziges Manko: Man kann das Wasser der Ruhr nicht sehen.

Die Räumlichkeiten des historischen Landhauses sind bestens für Familienfeiern aller Art geeignet, und das Catering bis 600 Personen macht einen großen Teil des Geschäfts aus. Die Restaurant- und Terrassenkarte führt der Örtlichkeit entsprechend eine übersichtliche Anzahl regionaler und mediterraner Gerichte auf, angefangen bei Matjesfilet mit roten Zwiebeln und Röstkartoffeln (9,50 Euro) bis hin zum Salatteller „Am Staadt“, einer Kreation aus verschiedenen Edelfischen an Blattsalaten mit Aioli (13 Euro). Also wage ich den rheinisch-italienischen Spagat. Zuerst eine Tomatensuppe, der ein Klecks Ingwermascarpone einen Blitzer exotische Schärfe verleiht (4,40 Euro). Dann Himmel und Erde mit französischer Blutwurst (11,50 Euro), das aussah wie eine von amerikanischen Wissenschaftlern konstruierte Ernährungspyramide: als Kohlehydrat-Basis ein dicker Haufen Kartoffelpüree (naja), darauf zur Fettversorgung die gebratene Blutwurst (großartig), und zum Schluss ein paar gebratene Apfelscheiben (viel zu wenig, um ein fruchtiges Vitamin-Gegengewicht zu bilden). Wie gut, dass ich mit einem runden, vanilligen Merlot (0,25l 5,50 Euro) aus dem beachtlichen Weinangebot das cremige Püree schluckfreundlich verdünnen konnte.

Zum Nachtisch wollte ich mir Parmesan mit Feigensenf gönnen (6,50 Euro), doch der aufmerksame Kellner wies darauf hin, dass heute eine italienische Käseplatte, ebenfalls mit einem Früchtesenf, im Angebot sei (6 Euro). Also nahm ich die drei Sorten Käse (zweie hart, eine weich) und spülte sie mit dem restlichen Wein hinunter.
-kopf
Essen-Werden, Ruhrtalstr. 111

Dienstag, 15. Juli 2008

Aus dem Archiv: La Grappa - Rinos Welt

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".

Es ist schon erstaunlich, wie viele Erinnerungen ich an Rino Frattesis La Grappa habe, obwohl ich zweifellos nicht zur Stammkundschaft dieses legendenumwobenen Edel-Italieners gehöre. Zu Beginn der 1980er Jahre, als Rino schon längst die volkstümliche Pizza von seiner Karte verbannt hatte, wollte der vor einigen Jahren verstorbene, nicht minder legendäre Filmproduzent und WAZ-Medienredakteur Michael Lentz das La Grappa zum Stammlokal des Vereins der Essener Fimemacher machen. Doch zu groß war damals der Unterschied zwischen uns Vertretern der alternativen Kultur und denen der etablierten Medien, die hier verkehrten.

Erst Jahre später erschloss sich mir dann Rinos Welt. Da sah das Ristorante schon so wie heute aus, im süditalienischen Überschwang mit fast orientalisch anmutendem Italo-Kitsch ausgestattet, enge Nischen, Weinkisten-Bretter und Spiegel an den Wänden, an der Decke die amalfitanische cupola imitierend. Ob damals schon zwischen den zahllosen Grappaflaschen der mit Goldbronze veredelte Kohleabbauhammer seinen Tribut an Rinos zweite Heimat zollte, weiß ich nicht. Aber wie heute zelebrierte er schon die Große Oper der italienischen Küche als fast selbstironische Operette und tischte die cucina alto-borghese mit internationaler Grandezza auf. Später sollte mich noch einmal eine so genannte Gourmet-Rallye ins La Grappa führen, bei der die Gäste für jeden Gang in ein anderes Essener Spitzenlokal kutschiert wurden. Als ich dabei Rino an meinen schon weit zurück liegenden Besuch erinnerte, quittierte er das sofort mit einem stoppeligen bacio auf meine ebenso stoppelige Wange.

Als ich jetzt eines Mittags das Ristorante betrete, hat sich kaum etwas verändert – nur dass gegenüber dem äußerlich schmucklosen 1950er-Jahre-Haus hinterm Bahnhof die neue Evonik-Konzernzentrale und der RWE-Tower gewachsen sind. Ein etwas fülliger gewordener Rino Frattesi steht wie früher an der Kasse. Immer mal kommt ein Taxi-Fahrer herein und bringt was. Zwei, drei Jünglinge mit lethargischem Blick geben die Kellner, in der Küche ist Hatim Srour, der geniale Küchenchef, zu Gange.

Das Business-Menü zu 38 Euro ist es, das mir als Tester ins Auge fällt, schließlich wurde die große abendliche Oper des Hauses an dieser Stelle schon oft genug gerühmt. Um aber die Flexibilität der Küche zu testen, beschließe ich, den Hauptgang, einen exklusiven Fisch, durch das Täubchen in Cassissauce (28 Euro) auszutauschen.

Um es kurz machen: Gang 1, ein Stockfisch-Süppchen mit zwei knackig gebratenen Jacobsmuscheln als Einlage, ist eine samtige Vermouth-Sahne mit kräftigem Fischgeschmack. Der Pasta-Gang, zwei mit Spargel gefüllte Maultaschen (sic! Wohl ein schwäbischer Gruß ans Nudelland-Italien) in Dattel-Tomaten (ein aromatisches Sößchen aus getrockneten Cherry-Tomaten) ist eine gelungene Kombination feiner und deftiger Aromen.

Dann kommt als Zwischengang ein kleines Löffelgericht: eine frische Himbeere mit einem Schuss „vierzig Jahre altem Balsamico“, wie der Kellner treuherzig versichert. Der Hauptgang, das Täubchen, ist schließlich von unnachahmlicher Delikatesse – aber anscheinend auf Business-Menü-Größe geschrumpft: ein Taubenbeinchen mit einem halben Brüstchen, ein Flügelchen und, ich glaube, etwas Leber, die super köstlich ist, samt einem Röschen Broccoli. „Tja“, kommentiert Rino unaufgefordert, „so ein Täubchen ist klein.“ Zum Nachtisch gibt es dann noch eine Crema Catalan.

Hatte ich zu Beginn des Essens noch die Hoffnung, heute preislich glimpflich davon zu kommen, macht mir Rinos leutselige Frage „Heute keinen Wein?“ einen Strich durch die Rechnung. Dabei legt er mir die Folianten-große, gebundene Weinkarte vor, die von Barolo bis Brunello alle italienischen Spitzenweine und die aus dem Rest der Welt enthält. Ich entscheide mich für einen 1995er Salice Salentino Donna Lisa von Leone de Castris, mit 75 Euro eher ein preiswertes Gewächs. Durch die aufmerksame Bedienung immer wieder nachgefüllt, ist mein Glas immer voll. Als ich schließlich um die Rechnung bitte, hebt Rino die Flasche ans Licht, murmelt etwas von einer halben Flasche und lässt diese dann mit den Worten „Dieser Wein ist nicht mein Geschmack!“ mit 40 Euro in die Rechnung einfließen. So ist das in Rinos Welt.
-kopf

Essen-Südviertel, Rellinghauser Str. 4
Fon 0202. 23 17 66
Mo-Fr 11.30-14.30 & 17.30-23.30 Uhr, Sa 17.30-23.30 Uhr, So geschlossen
https://www.la-grappa.de/

Aus dem Archiv: Im Eichwäldchen - Am Ende der Welt

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Wer noch in den Genuss einer klassischen humanistischen Bildung gekommen ist und des Lateinischen mächtig, weiß, dass quercus auf Deutsch Eiche bedeutet. Wer nicht, sieht wie ich im Internet nach und entdeckt dabei auch, dass Quercus der Name des neuen Bistros des Restaurants Im Eichwäldchen ist. Kleine exklusive Gerichte gibt es hier, etwa einen Burger vom Thönes-Natur-Rind mit Salat und handgeschnitzten Pommes frites (14 Euro) oder Reibekuchen mit Gewürzlachs und Limonencreme (kleine Portion 9, große 14 Euro). Doch wer sich von Essen aus auf den Weg an den südwestlichen Rand des Ruhrgebiets macht, wird diese Expedition wohl schwerlich wegen der kleinen kulinarischen Variante des Hauses unternehmen. Hier in Duisburg-Mündelheim hört die bekannte Welt schließlich auf; wenn man weiter fährt, fällt man von der Platte runter und landet in einer (übrigens ganz hübschen) Vorhölle namens Krefeld-Uerdingen. Der eigentliche Hades heißt dann Düsseldorf.

Das Eichwäldchen ist ein lauschiges Anwesen im modernen Bungalow-Stil mit einer idyllischen Terrasse an einem japanisch anmutenden Gartenteich im Grünen, in dem sich allerlei Goldfische tummeln. Wegen des kühlen Sommerabends und weil im Haupttrakt anscheinend eine Gesellschaft tafelte, wurden wir im Bereich des Quercus platziert, einem gemütliche Raum, der vom zwanglosen Kontrast des niederrheinischen Ziegel-Fachwerk-Imitats mit eleganten Perserteppichen und antiken Stühlen lebt. Doch auch hier durften wir selbstverständlich von der Haupt-Karte wählen.

Etwa 18 Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts, zum Teil zu zwei Menüs (4 Gänge 54 Euro, 6 Gänge 79 Euro) gebündelt, bildeten das Rückgrat der „großen“ Variante, die Peter Altgaßen und sein Küchenteam den Gästen bietet. Aus diesem Angebot stellten wir uns einen Querschnitt zusammen, der einen guten Überblick über die kreative, handwerklich ausgereifte Frischeküche des Hauses gab, bei der besonders die Kombination konträrer Aromen bestach. Beim gebackenen Ziegenfrischkäse im Blätterteig mit Koriandersaat, Honigsauce und Salat mit frischer Minze (11,50 Euro) hätte das Arrangement auf dem Teller vielleicht etwas liebevoller sein können, allein der Geschmack ließ nichts zu wünschen übrig. Die zweite Vorspeise war anscheinend von Carpaccio und Vitello Tonnato inspiriert. In Curry und Sesam marinierter hauchdünn geschnittener Thunfisch war mit Pinienkernsauce überzogen. Gekrönt wurde das Ganze von einem Zucchini-Tomatentörtchen, wobei die Gemüse ganz modisch zu einer Mousse verarbeitet waren (14 Euro).

Beim Hauptgang Nummer 1, einem Filet vom Pata-Negra-Schwein mit Zitronen-Kümmeljus und Bohnen (26 Euro), offenbarte sich die Qualität im Banalen. Schweinebraten ist sicherlich ein Gericht, das man zur Alltagskost zählen kann, doch vom spanischen schwarzen Schwein, das mit Eicheln gemästet wird, war er eine einzigartige Spezialität, zumal er mit der nötigen Muße saftig-rosa gegart war. Genauso die Seeteufelmedaillons in roter Ingwersauce mit Mangold und Estragonnudeln (28 Euro). In der Konsistenz herzhaft und fluffig zugleich, verband sich der Edelfisch mit den Aromen der Beilagen zu einem harmonischen Ganzen. Aus der gut sortierten Weinkarte hatten wir einen Diel de Diel gewählt, ein weiße Cuvée vom Schlossgut Diel, deren kräftiges Bukett zu Fleisch und Fisch gleichermaßen passte (35 Euro).

Die Desserts brachten dann ein Geschmackserlebnis, das genauso überraschte wie befriedigte: Feigensenf-Eis. Die auf den ersten Blick gewagte Kombination wurde als erfrischende Beilage zum gebackenen Gorgonzola mit Birne gereicht (9 Euro). Die Creme Brulée mit Tonkabohneneis und Früchten (9 Euro) war dagegen von klassischer Einfalt, mundete jedoch vortrefflich.

Die Reise an den Rand des Ruhrgebiets hatte sich voll gelohnt. Vielleicht war die Bedienung zu Beginn des Abends etwas unkonzentriert, stellte sie etwa die Teller einfach hin, ohne zu erklären, was das denn nun sei. Erst beim Hinausgehen wurde uns bewusst, dass es kein Amuse bouche gab, bei Restaurants dieser Preisklasse eigentlich eine Selbstverständlichkeit. War das auch das Ergebnis einer gewissen Hektik?

-kopf

Duisburg-Mündelheim, Im Eichwäldchen 15c
 

Mittwoch, 9. Juli 2008

Aus dem Archiv: Gebrandenhof - Radetzkymarsch für Rzepucha

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Das Anwesen wird seit 2017 nicht mehr gastronomisch genutzt.

Jedes Mal, wenn ich den Gebrandenhof besuche, macht mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung und ich kann im Biergarten leider nicht die Freiluftspezialität, gegrillte Ente, probieren. Zum Glück macht das nicht wirklich etwas aus, denn das mit viel Sinn für Denkmalpflege renovierte stattliche Fachwerkhaus von 1798 mit dem eleganten, gläsernen Küchenanbau ist allemal einen Besuch wert. Allein der kurze Fußweg vom Uhlenkrug durch den Essener Stadtwald ist bezaubernd, wird er doch von Unmengen an Walderdbeer-Sträuchern gesäumt.

Mit dem gleichen knorrigen Charme, der auch die vielen schönen freigelegten Fachwerkbalken auszeichnet, werden wir von Gebrandenhof-Chef Werner Rzepucha in den gemütlichen ersten Stock des Hauses komplimentiert. Hier ist Tafelkultur angesagt, rustikal zwar, aber mit Stil. Dielen, Wände, Einrichtung, alles korrekt hergerichtet, die Tische ländlich-sittlich eingedeckt. Die Speisekarte ist typisch für diese Art von Landhaus. Etwas deutsch, etwas mediterran, orientiert sie sich mit frischen Zutaten daran, was die Leute in Essen gern essen. In keiner Weise abgehoben, bietet sie eine Art Strukturwandel auf dem Teller, übrigens auch als jeweils halbe Portion.

Was früher dem Bergmann sein Mett, ist heute dem Dienstleister sein Carpaccio: rohes Fleisch. Die Küche des Gebrandenhof bringt die venezianische Spezialität als klassische Vorspeise (12,50 Euro) auf den Tisch. Tadelloses rotes Rinderfilet hauchdünn geschnitten, mit Parmesan, Balsamico, Pfeffer und Salz geschmacksunterstützend gewürzt und mit etwas Salat umlegt. Unsere andere Vorspeise war ein ebenso gelungener Gruß aus dem alten Österreich, eine kleine Consommée vom Tafelspitz mit Gemüsestreifen und Trüffelravioli (4,50 Euro, große Portion 6,50 Euro). An der Rindfleischbrühe hätte der selige Tafelspitz-Spezi Freiherr von Trotta aus Joseph Roths Roman „Radetzkymarsch“ seine Freude gehabt, und die nach Trüffelöl duftenden Ravioli hätten ihn darüber hinweggetröstet, dass die K.u.k.-Monarchie in der Schlacht von Solferino, in der er einst dem Kaiser Franz Joseph das Leben rettete, das Piemont verlor.

Unsere Hauptgänge waren ganz dem Meer gewidmet. Die Beilagen des Fisch-Mix-Tellers (17,50 Euro), Tomatenragout mit Rosmarinkartoffeln, waren handwerklich gelungene, aromatisch duftende Reminiszenzen an den Sommer im Süden, und die drei verschiedenen, üppig portionierten Sorten Fisch kamen in ihrer Unterschiedlichkeit in Konsistenz und Geschmack voll zur Geltung. Vielseitig und köstlich waren auch die Meeresfrüchte auf dünnen Nüdelchen (16,20 Euro). Doch bei der Pasta war es mir ein Trost, dass professionell hergestellte frische Nudeln genauso wie die zu Hause hobbymäßig gemachten klumpen können, wenn man sie nicht schnell genug aufisst. Wie gut, dass dazu der Riesling vom Weingut Tesch mit soviel Substanz den Mund wässrig machte (0,25l 4,50 Euro). Mit seinen unplugged Weinen gehört Nahe-Winzer Martin Tesch nicht ohne Grund zu den neuen Stars des deutschen Weins. Zum Nachtisch gab es dann noch eine hübsch mit Früchten ausdekorierte, lockere Nougatmousse, die sogar für zwei reichte (7,80 Euro).
-kopf
Essen-Stadtwald, Wittenbergstr. 85

Dienstag, 8. Juli 2008

Aus dem Archiv: Alte Dorfschenke - Die Exotik der Fleischwurst

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".

Als ich noch einen Arbeitsplatz im Gewerbegebiet Ludwig an der Rellinghauser Straße hatte, war für meine Kollegen und mich die Alte Dorfschenke ein bevorzugtes Ziel fürs Mittagessen. Nicht, dass uns das historische Häuschen gegenüber dem Stiftshaus an der Frankenstraße wegen der altfränkischen Kneipenausstattung so besonders imponiert hätte - die würde sich prima als Kulisse für eine ländliche Beerdigung machen. Es war der herrliche Mittagstisch, der uns an jene goldenen Zeiten bis Mitte der 1970er Jahre erinnerte, als Mütter noch zu Hause kochten und noch nicht im Zuge der Emanzipation den Löffel am heimischen Herd zu Gunsten der Tiefkühl-Pizza und der Pommesbude abgegeben hatten. Und dann gab es in dem Laden den ganzen Nachmittag über etwas zu essen, so dass man bei der Mittagspause in keiner Weise unter Zeitdruck stand.

Das hat sich bis heute nicht geändert, und Freunden der deftigen Hausmannskost läuft nach wie vor das Wasser im Mund zusammen, wenn sie eine der täglich wechselnden Mittagskarten lesen. Am 4.6. war u.a. im Angebot: Drei Spiegeleier mit Rahmspinat und Salzkartoffeln (5,50 Euro), Kasslerbraten mit Sauerkraut und Kartoffelpüree (8,90 Euro) und Frische Kalbsleber „Berliner Art“ mit Zwiebeln, Apfelscheiben, Püree und Salatteller (13 Euro).

Mich faszinierte sofort das deftige Strauchbohnengemüse „bürgerlich“, das wahlweise mit zwei Spiegeleiern oder heißer Fleischwurst geordert werden konnte (5,90 Euro). Fleischwurst, mit der kleine Kinder beim Metzger bestochen werden, damit sie den Laden nicht zusammenbrüllen, auf der Karte eines Ess-Lokals des 21. Jahrhunderts! Ist das nicht Exotik pur? Und ich hatte Glück, denn sie war nicht schon aufgegessen, wie die Bedienung zuerst argwöhnte. Und so brachte sie mir einen prächtigen Teller mit grünen Bohnen in einer leichten Specksoße, auf denen ein längs geteilter viertel Fleischwurstring thronte. Mit Senftütchen reichlich versorgt, spachtelte ich frohgemut, erfreute mich an einigen sporadisch auftauchenden holzigen Böhnchen und den vorzüglichen Salzkartoffeln als Beilage.

Als Vorspeise hatte ich mich an frischem Tomaten-Gurkensalat in Pestosauce (2,80 Euro) gütlich getan, den Nachtisch bildete ein Eiskaffee mit Vanilleeis und frischer Bailey-Sahne (2,20 Euro) – beides kannte ich aus den Urlauben der Kindheit in Österreich. Hätte ich nicht mit dem Auto fahren müssen, hätte ich mir doch glatt den als Absacker empfohlenen Korn (2cl 1 Euro) bestellt – oder ein Glas Sekt mit hauseigenem Etikett (0,1l 1,70 Euro).

Übrigens: Man kann in der Alten Dorfschenke auch abends essen. Dann gibt es neben vorzüglicher Hausmannskost Schnitzel „Holzfäller Art“ (11 Euro) oder Filetsteak „Waidmanns Art“ (19,70 Euro). Superlecker.

-kopf


Essen-Rellinghausen, Frankenstr. 151
Fon 0201. 47 03 66
Mi-Fr 17-22 Uhr, Sa, So und feiertags 12-22 Uhr. Mo,Di geschlossen.
https://restaurant-altedorfschenke.de/

Aus dem Archiv: Fischerhaus am See - Viel Fleisch, kaum Fisch

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant heißt heute (2024) "See-Bar".

Eigentlich wäre das Fischerhaus am See der Ort, sich wie einer jener feinschmeckenden commissarii aus den einschlägigen italienischen Krimis zu fühlen, die für ausgiebige nachmittägliche pranzi die Mörderjagd unterbrechen und ihre sauer verdienten Polizeibeamten-Gehälter in schmackhafte regionale Fisch- und Meeresfrüchte-Mahlzeiten anlegen. Von der Terrasse des Lokals betrachtet, kann es die Ruhr mit dem langen eisernen Steg, der wie ein Blaues Wunder das Heisinger mit dem Kupferdreher Ufer des Baldeneysees verbindet, getrost mit jedem Kanal in Venedig oder Strand auf Sizilien aufnehmen. Hier ist Urlaubsfeeling angesagt, jedenfalls im Hochsommer.

Auch, nachdem Georg Janowski vor einiger Zeit das Lokal im Gebäude des Fischereiverein Essen e.V. übernommen hat, ist die die Karte des Hauses noch immer recht volkstümlich, allerdings nicht so, wie man es in Italien versteht. Gegen das Preis-Leistungs-Verhältnis ist nichts einzuwenden, doch von den Ruhrfischen, die auf einem Lehrpfad im Garten des Hauses dem Gast nahe gebracht werden, findet sich nichts auf der Karte. Höchstens in den Überraschungsmenüs (3-gängig 28 Euro p.P. inkl. Wein, 5-gängig 38 Euro) ist frischer Fisch versteckt. Doch die gibt es erst ab zwei Personen. Ansonsten tummeln sich zwischen Currywurst, Nudelgerichten, Schweineschnitzeln und Rindersteaks lediglich Allerwelts-Fischgerichte, deren Zutaten man in jedem Supermarkt bekommen kann: Fischsuppentopf nach Art des Hauses (7,50 Euro), Heringshappen in Kräuterjoghurt mit Bratkartoffeln (9,50 Euro), Spaghetti mit Flusskrebsen (9,90 Euro) und eine „stattliche Forelle“ mit Knoblauchbutter, Butterkartoffeln und Salat (12,90 Euro). Auf die sehe ich es schließlich ab, nicht ohne zuvor das Tomatensüppchen mit frischem Thymian und Rahm (4,50 Euro) zu kosten. Recht nahrhaft mit viel Tomatenfleisch zubereitet, schien der Koch, dem Salzgehalt nach zu urteilen, ziemlich verliebt zu sein. Die tadellos gebratene, auf einem viereckigen Teller angerichtete Forelle war dann tatsächlich recht stattlich und hatte dank der Knoblauchstückchen auch ein feines Aroma. Die Butterkartoffeln, skurril in Würfel vorkonfektioniert, waren leider nicht ganz gar gebraten, und die Salatbeilage mit einem roten Früchtedressing für meinen Geschmack viel zu süß übergossen.

Wirklich störend empfand ich das allerdings nicht, denn mein Blick suchte immer wieder das Spiel der Sonnenstrahlen in den Wellen der Ruhr, das eine ungemein heitere Atmosphäre verbreitete. Und die wurde von dem hübschen Dessert des Tages, einer Nougatmousse (4,90 Euro), auch noch wunderbar versüßt.
-kopf

Essen-Heisingen, Stauseebogen 37

Montag, 7. Juli 2008

Aus dem Archiv: Domstuben - Einfach und gut

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant ist seit 2019 geschlossen.

Hotel, Biergarten, Kegelbahn, Kneipe – seit Jörg Tittel das Sagen in der Küche der Domstuben hat, hat sich eigentlich nichts geändert – nur grundsätzlich. Noch immer ist der Gasthof gegenüber der Werdener Ludgerus-Kirche Treffpunkt für die Nachbarschaft auf ein Bierchen. Doch das Essen, das serviert wird, steht ganz im Zeichen der Genießervereinigung Slow Food, die sich der Erhaltung der regionalen Küche mit ihren Produkten und ihrer Geschmacksvielfalt widmet.

Kein Wunder also, dass vor einiger Zeit das Slow-Food-Convivium Mittleres Ruhrgebiet aus dem fernen Herne anrückte, um Buntes Bentheimer Schwein, Ahle Wurscht oder Weißlacker Käse zu verköstigen. Diese einmaligen Produkte stehen auf der Slow-Food-Liste „Arche des Geschmacks“, weil sie wegen mangelnder Kompatibilität mit der modernen industriellen Lebensmittelverwertung vom Untergang bedroht sind und – wie die Gesetze der Marktwirtschaft es wollen - nur durch steten Verzehr gerettet werden können. Auf der Speisekarte weist Jörg Tittel Gerichte mit diesen Zutaten mit einem „S“ aus, genauso wie die zahlreichen vegetarischen mit einem „V“.

Den Slow-Food-Abend in guter Erinnerung, freute ich mich auf das mittägliche Testessen für „Essen geht aus“ besonders. Auch diesmal saß eine zehnköpfige Gesellschaft an den zu einer langen Tafel zusammen gestellten Tischen im Schankraum und labte sich an dem, was die Köche in der Küche zauberten. Dass deshalb die anderen Gäste ein wenig warten mussten, machte der jugendliche Charme der netten Kellnerin problemlos wieder wett.

Wie schon beim Slow-Food-Besuch, gab auch diesmal ein paar Schönheitsfehler, die nichts mit der Qualität des Essens zu tun hatten, sondern eher als Kneipen-Unarten abzutun sind. Etwa die Zitronenschnitze im Mineralwasser, das ich als Durstlöscher parallel zum Wein bestellt hatte und die das Bouquet des hervorragenden Spätburgunder-Rosés vom Weingut Moosmann (0,25l 5,50 Euro) unfein beeinträchtigten. Oder dass die kleine Portion Ahle Wurscht mit Gewürzgurken (4,90 Euro) als Vorspeise auf einer kleinen Platte gereicht wurden wie Fingerfood an der Theke: ohne zusätzlichen Teller zum Gebrauch von Messer und Gabel oder Brot. Also griff ich ungeniert zu und scheute mich nicht, beim Verzehren der einmalig leckeren, hessischen Wurstspezialität fette Fingerabdrücke am Weinglas für die Spurensicherung am Spülbecken zu hinterlassen.

Richtig lecker war dann der Hauptgang, schön feurig gewürzte Ochsen-Fetzen auf erstklassigen Bratkartoffeln, umringt von einem Tomatencarpaccio mit Basilikumblättern (12,90 Euro). Das war so gut, wie es einfach war. Zum Nachtisch gönnte ich mir ein erfrischendes mit Prosecco aufgefülltes Mangoparfait in der Sektflöte (6,50 Euro), bei dem es besonders unterhaltsam war zu beobachten, wie Koch und Bedienung in ausgefeiltem Teamwork das Problem lösten, eine angebrochenen, aber gut verkorkte Prosecco-Flasche aus dem Kühlschrank unter der Theke in die Küche zu schaffen.

-kopf

Essen-Werden, Brückstr. 81

Aus dem Archiv: Cha Chà - Positive Eating

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Das neue innerstädtische Einkaufszentrum Limbecker Platz ist ein Paradies für Marken-Filialisten, und so verwundert es nicht, dass das einzige ambitioniertere Restaurant im erst halbfertigen Shopping-Center auch nur die Filiale einer Kette aus Hamburg ist. Die Philosophie von Cha Chà kann man in chic gestylten Flyern nachlesen. Basierend auf der thailändischen Küche hat man ein Konzept für die konfektionierten Speisen entwickelt, das Farbenfreude, Gesundheit, Leichtigkeit, exotische Geschmacksüberraschungen und, soweit möglich, Bio-Produkte zu einem harmonischen Ganzen auf dem Teller verbindet. Genau das richtige für aufgeklärte Shopping-Queens, die der Brigitte-Diät überdrüssig sind.

In der Hoffnung, neben einem interessanten Snack auch den Anblick von chicen schlanken Mädchen beim Metropolen-Shopping genießen zu können, machte ich mich auf den Weg zum Test. Doch montagnachmittags um halb fünf schien dafür nicht die richtige Zeit zu sein. (Um welche Uhrzeit geht dieser Mann auch essen!?!). Lediglich die unvermeidlichen Rentner und einige pummelige, türkische Kopftuchmuttis mit Kinderwagen waren auf Schaufensterbummel. So konnte ich mich ungestört dem Essen und dem Laden widmen, der mit asiatischer Leichtigkeit geschmackvoll, naturnah und modern eingerichtet ist. Hinter dem Tresen warteten mehrere asiatische Köche auf die Rush Hour, blinkende Woks harrten auf den Einsatz. Auf den Tischen standen Sambal Olek, ein Ingwer-Dip und - in hübschen Portionsfläschchen in Form eines kleinen Fisches - die thailändische Fischsauce zum Nachwürzen bereit. Die freundliche Bedienung war blitzschnell da, ließ mir dann aber genügend Zeit, die Karte zu studieren.

Aufgeteilt in die Sparten Vorspeisen, Salate, Suppen, Currys, Gebraten und Fusion, wobei auch spanische, chinesische, italienische und indische Einflüsse verarbeitet werden, präsentieren sich ca. 30 Gerichte als „positve eating“, gelegentlich, wie in Thai-Restaurants üblich, der Schärfegrad mit Chilischoten gekennzeichnet. Auch einiges Vegetarische war dabei. Wie bei jedem neuen Restaurant, geschah dann meine Auswahl willkürlich. Die kleine Vorspeisenportion Ananas-Chili-Salat (3,40 Euro) war richtig klasse, erinnerte mich in ihrer süß-pikanten Aromenkombination an die Erdbeeren mit Pfeffer beim Italiener. Als Hauptgang dann ein Grünes Hühner-Curry (7,90 Euro), was zwar eher gelb war, doch das marinierte Hühnerfleisch, das scharfe Zitronengras und das in Kokosmilch gekochte Thaigemüse mit dem duftigen Reis waren genauso appetitanregend wie Hunger stillend.

Hoffentlich lernen die Essener Shopping-Mädels diese preiswerte Form des Imbiss bald schätzen – nicht nur wegen der der exotischen Mix-Getränke wie Maracuja-Schorle (0,4l 2,80 Euro) und Yoghurt-Drinks wie Minze-Lassie (0,3l 2,90 Euro).

-kopf

Essen-Innenstadt, Limbecker Platz 13

Aus dem Archiv: Zur Wolfsbachquelle - Wo Elfen picknicken

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Die Terrasse des heimeligen Fachwerkhauses ist ein wahrer Garten der Glückseligkeit. Alte Bäume beschatten die Kiesfläche, die sich märchenhaft im Unterholz des Heissiwaldes verliert, und frühmorgens, so stelle ich mir vor, wenn kein Gast mehr da ist und die Belegschaft des Hauses schläft, halten an den nostalgisch gebraucht wirkenden Tischen und Stühlen Zwerge und Elfen ein Picknick. Welch ein Glück, dass die Wolfsbachquelle nicht an den gängigen Routen des Fahrradtourismus liegt. Dann herrschte hier im Sommer bestimmt ein höllischer Betrieb und das Essen wäre schlecht. Stattdessen trifft sich hier jene Nachbarschaft aus den schmucken Bredeneyer Einfamilienhäusern der Umgebung, die beschlossen hat, dass heute einmal die heimische Küche und der Gartengrill kalt bleiben. Dass es sich bei Regen oder im Winter in der rustikalen Gaststube auch gemütlich sitzen lässt, ist dabei selbstverständlich.

Es ist die so erfolgreiche Mischung aus entschlackter deutscher Hausmannskost und mediterraner Urlaubsküche, die, raffiniert zubereitet wie in einem Pariser Bistro, nicht nur der Bredeneyer Klientel mundet. Zum Beispiel stehen in global-regionaler Eintracht Original Wiener Kalbsschnitzel mit Gurken-Kartoffelsalat (16,35 Euro) neben King Prawns in Knoblauch-Kräutersauce, Gemüse und Pesto-Ciabatta (14 Euro) auf der Karte.

Doch mich gelüstete mehr nach dem Kaninchenrückenfilet im Schinkenmantel mit Olivensenfsauce und Rosmarinkartoffeln (14 Euro), das mir als Hobbykoch, nach einem Rezept aus einem Pariser Bistro-Kochbuch zu Hause ähnlich zubereitet, schon manches Lob einbrachte. Und obwohl es nach einer alten Küchenweisheit daheim immer am besten schmeckt, konnte der professionell angerichtete Teller in der Wolfsbachquelle mehr als überzeugen, und die weltläufige Aromenvielfalt unterstrich nur, dass der Stallhase eigentlich ein traditionelles Ruhrgebietsessen ist. Ähnlich war es mit dem Rote-Bete-Carpaccio mit Ziegenkäse-Crostini (6,50 Euro) als Vorspeise, das in seiner süßlich-pikanten farbenfrohen Zartheit auf einen Italienurlaub einstimmte. Dabei gehört die Rote Bete, jedenfalls in eingelegter Form, genauso zum Standardessen der westfälischen Ruhrgebietler und ihrer aus Polen eingewanderten Mitbürger, wie die Ziege in früherer Zeit als Bergmannskuh aus keinem Stall einer Arbeitersiedlung wegzudenken war.

-kopf

Essen-Bredeney, Zeißbogen 33

Aus dem Archiv: Pierburg - Pure Idylle

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant gibt es in dieser Form nicht mehr. 2021 hat die Spitzenköchen Erika Berghaiem die Pierburg übernommen.


Das Essener Stadtgebiet hält in Kettwig landschaftliche Überraschungen bereit, die einem den Atem verschlagen. So hätte der Maler Hans Thoma an den Ausblicken zwischen A52 bzw. Meisenburgstraße, Schuirweg und Ruhr seine wahre Freude gehabt. Prächtige Fachwerkgehöfte, Felder und Wälder fügen sich in sanften Hügeln zu einem romantischen Idealbild deutscher Landschaft zusammen – nur über die Straußenfarm mitten drin hätte der Künstler aus dem 19. Jahrhundert den Kopf geschüttelt. Dass am Rand dieses Idylls, da wo die Besiedlung mit ruhigen Eigenheimen beginnt, mit der Pierburg ein Dorfgasthof aus dem Bilderbuch die Zeit anhält, wundert einen nicht. Ein Saal mit allerliebster Bühne wie aus den 1950ern, eine schmucke Fassade wie aus den 1960er und ein gemütlicher Biergarten wie aus den 1970er Jahren treffen mitten ins Herz. Abends bevölkern die Autos der Ausflügler, die deftig essen wollen, den hauseigenen Parkplatz, und zur Mittagszeit stellt sich die Nachbarschaft ein zum herzhaften Mahl.

„Gut und bürgerlich“ hat Inhaber Reinhard Rosprim eine Rubrik auf der Speisekarte überschrieben und lockt im Sommer ganz saisonal mit Gerichten wie Gebratenen Kräuterpfifferlingen auf Reibekuchen (10,50 Euro), Roastbeef „kalt“ mit gebratenen Pfifferlingen, Sauce Remoulade und Röstkartoffeln (15,50 Euro) oder auch Reibekuchen mit hausgeräuchertem Lachs und Crème fraiche (9,50 Euro). Hausgemacht ist so einiges in der Pierburg. Die Forelle, die Rosprim am Nachbartisch servierte, sei in einem Fischteich in der Nähe selbst geangelt, teilte er mit, und der Sauerbraten, den zu bestellen ich trotz der hochsommerlichen Temperaturen nicht widerstehen konnte, sei selbst eingelegt in einer Marinade aus Wurzelwerk, Essig und Rotwein. Und das schmeckte man auch. Kräftig süßsauer ging das mürbe Fleisch über die Zunge, ergänzt von erfrischendem Apfelkompott mit Preiselbeeren und dampfenden Klößen (15,50 Euro). Nein, einen Wein bestellte ich mir dazu nicht, der hätte den deftigen Aromen kaum standhalten können. Ein mit Limonade gesüßtes Bier (auf neudeutsch Radler, 0,5l 3,40 Euro) bildete die gleichermaßen kräftige geschmackliche Begleitung. Vorher gab’s eine Kohlrabicrèmesuppe (6,50 Euro), ein sahnig gefüllter Teller, bei dem mit jedem Löffelvoll ein schmackhafter Lachsstreifen ins Netz ging. Überraschend elegant war dann das Kürbiskernparfait (5,50 Euro) zum Dessert, nussig und von herber Süße.

-kopf


Essen-Kettwig, Schmachtenbergstr. 184

Aus dem Archiv: Parkhaus Hügel - Die Geborgenheit unter der Sonnenbrille

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".

Ich will Sie ja nicht mit vielen Plaudereien aus dem Nähkästchen langweilen, aber von diesem Ausflug an die gastronomische Sonnenseite der Industriekultur muss ich Ihnen erzählen. Eines schönen Sommermorgens hatte ich einen Termin im Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim. Der an der traditionsreichen chemischen Forschungseinrichtung für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Prof. Haenel eröffnete mir beim Rundgang durch das zum Teil denkmalgeschützte ehem. Kaiser-Wilhelm-Institut leutselig, dass hier nicht nur die Grundlagen für die Umwandlung von Kohle in Benzin entdeckt wurden, sondern auch die revolutionäre Methode, wie man grünen Kaffeebohnen geschmacksschonend das Koffein entziehen kann. Trunken von solch kulinarischen Offenbarungen beschloss ich, diesen wunderbaren Vormittag ganz stilecht an einem anderen magischen Ruhrgebiets-Ort aus der guten alten Kaiserzeit mit einem Mittagessen zu krönen, nämlich im Parkhaus Hügel zu Füßen der gleichnamigen Krupp’schen Villa am Ufer des Essener Baldeneysees. Der schmucke gründerzeitliche Bau beherbergt ein kleines Hotel mit Restaurant, Terrasse und Gesellschaftsräumen, das seit 1955 von der Familie Imhoff eloquent betrieben wird.

Sanft strich eine leichte Brise über den Baldeneysee, und ich beobachtete geborgen unter dem Inkognito meiner Sonnenbrille diskret die Gäste, die auf der eleganten Terrasse Platz genommen hatten: Geschäftsleute mit schwarzen Anzügen und gelockertem Schlips und graumelierte Herren in modischer Freizeitkleidung in Begleitung ihrer gepflegten Gattinnen. Die Schritte von Monsieur Silverio-Pen, dem schwarzen Kellner, knirschten vornehm im Kies, und als er mir gurrend den offenen Riesling von Robert Weil (0,2l 6 Euro) empfahl, war es, als höbe Marcel Reich-Ranickis Stimme zum Lob auf den großbürgerlichen Schriftsteller Thomas Mann an.

Als Kind des Ruhrgebiets suchte ich vergebens nach einem Bergmannseintopf auf der Karte, fand als regionalen Einschlag jedoch Düsseldorfer Schick. Aus der leichten Frischekost stachen mir die Rinderhüften-Rouladen mit Sauce Robert und Spätzle (16 Euro) ins Auge, bei denen ich sofort an Robert’s Bistro in der Landeshauptstadt und den Düsseldorfer Löwensenf denken musste. Und in der Tat: Die Senfsauce (die es allerdings schon seit dem 16. Jhd. gibt) mundete pikant, und die drei Rouladen glichen weniger dem, was ich von Mutters Sonntagstisch kannte, sondern leicht tänzelnden, saftig-zarten italienischen Involtini, prächtig passend zum Urlaubsambiente rundum. Vorher gab’s als Tribut an die modische Molekularküche ein Staudenselleriesüppchen mit Würfeln aus Tomatengelee, die separat gereicht wurden und sich sofort auflösten, als ich sie in Suppe tat (6 Euro). Das Dessert bildete ein Zitronen-Buttermich-Sorbet (6,50 Euro), das genauso herrlich erfrischte wie das breite Lächeln von Monsieur Silverio-Pen, als er mir zum Abschied einen Capuccino servierte – natürlich ruhrgebietstypisch koffeinfrei.
-kopf

Essen-Baldeney, Freiherr-vom-Stein-Str. 209
Fon 0201. 47 10 91
Mi-Sa 15-22 Uhr, So 12-18 Uhr. Mo, Di Ruhetag.
https://www.parkhaus-huegel.de/