Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant gibt es in dieser Form nicht mehr. 2021 hat die Spitzenköchen Erika Berghaiem die Pierburg übernommen.
Das Essener Stadtgebiet hält in Kettwig landschaftliche Überraschungen bereit, die einem den Atem verschlagen. So hätte der Maler Hans Thoma an den Ausblicken zwischen A52 bzw. Meisenburgstraße, Schuirweg und Ruhr seine wahre Freude gehabt. Prächtige Fachwerkgehöfte, Felder und Wälder fügen sich in sanften Hügeln zu einem romantischen Idealbild deutscher Landschaft zusammen – nur über die Straußenfarm mitten drin hätte der Künstler aus dem 19. Jahrhundert den Kopf geschüttelt. Dass am Rand dieses Idylls, da wo die Besiedlung mit ruhigen Eigenheimen beginnt, mit der Pierburg ein Dorfgasthof aus dem Bilderbuch die Zeit anhält, wundert einen nicht. Ein Saal mit allerliebster Bühne wie aus den 1950ern, eine schmucke Fassade wie aus den 1960er und ein gemütlicher Biergarten wie aus den 1970er Jahren treffen mitten ins Herz. Abends bevölkern die Autos der Ausflügler, die deftig essen wollen, den hauseigenen Parkplatz, und zur Mittagszeit stellt sich die Nachbarschaft ein zum herzhaften Mahl.
„Gut und bürgerlich“ hat Inhaber Reinhard Rosprim eine Rubrik auf der Speisekarte überschrieben und lockt im Sommer ganz saisonal mit Gerichten wie Gebratenen Kräuterpfifferlingen auf Reibekuchen (10,50 Euro), Roastbeef „kalt“ mit gebratenen Pfifferlingen, Sauce Remoulade und Röstkartoffeln (15,50 Euro) oder auch Reibekuchen mit hausgeräuchertem Lachs und Crème fraiche (9,50 Euro). Hausgemacht ist so einiges in der Pierburg. Die Forelle, die Rosprim am Nachbartisch servierte, sei in einem Fischteich in der Nähe selbst geangelt, teilte er mit, und der Sauerbraten, den zu bestellen ich trotz der hochsommerlichen Temperaturen nicht widerstehen konnte, sei selbst eingelegt in einer Marinade aus Wurzelwerk, Essig und Rotwein. Und das schmeckte man auch. Kräftig süßsauer ging das mürbe Fleisch über die Zunge, ergänzt von erfrischendem Apfelkompott mit Preiselbeeren und dampfenden Klößen (15,50 Euro). Nein, einen Wein bestellte ich mir dazu nicht, der hätte den deftigen Aromen kaum standhalten können. Ein mit Limonade gesüßtes Bier (auf neudeutsch Radler, 0,5l 3,40 Euro) bildete die gleichermaßen kräftige geschmackliche Begleitung. Vorher gab’s eine Kohlrabicrèmesuppe (6,50 Euro), ein sahnig gefüllter Teller, bei dem mit jedem Löffelvoll ein schmackhafter Lachsstreifen ins Netz ging. Überraschend elegant war dann das Kürbiskernparfait (5,50 Euro) zum Dessert, nussig und von herber Süße.
-kopf
Essen-Kettwig, Schmachtenbergstr. 184
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