Dienstag, 8. Juli 2008

Aus dem Archiv: Fischerhaus am See - Viel Fleisch, kaum Fisch

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant heißt heute (2024) "See-Bar".

Eigentlich wäre das Fischerhaus am See der Ort, sich wie einer jener feinschmeckenden commissarii aus den einschlägigen italienischen Krimis zu fühlen, die für ausgiebige nachmittägliche pranzi die Mörderjagd unterbrechen und ihre sauer verdienten Polizeibeamten-Gehälter in schmackhafte regionale Fisch- und Meeresfrüchte-Mahlzeiten anlegen. Von der Terrasse des Lokals betrachtet, kann es die Ruhr mit dem langen eisernen Steg, der wie ein Blaues Wunder das Heisinger mit dem Kupferdreher Ufer des Baldeneysees verbindet, getrost mit jedem Kanal in Venedig oder Strand auf Sizilien aufnehmen. Hier ist Urlaubsfeeling angesagt, jedenfalls im Hochsommer.

Auch, nachdem Georg Janowski vor einiger Zeit das Lokal im Gebäude des Fischereiverein Essen e.V. übernommen hat, ist die die Karte des Hauses noch immer recht volkstümlich, allerdings nicht so, wie man es in Italien versteht. Gegen das Preis-Leistungs-Verhältnis ist nichts einzuwenden, doch von den Ruhrfischen, die auf einem Lehrpfad im Garten des Hauses dem Gast nahe gebracht werden, findet sich nichts auf der Karte. Höchstens in den Überraschungsmenüs (3-gängig 28 Euro p.P. inkl. Wein, 5-gängig 38 Euro) ist frischer Fisch versteckt. Doch die gibt es erst ab zwei Personen. Ansonsten tummeln sich zwischen Currywurst, Nudelgerichten, Schweineschnitzeln und Rindersteaks lediglich Allerwelts-Fischgerichte, deren Zutaten man in jedem Supermarkt bekommen kann: Fischsuppentopf nach Art des Hauses (7,50 Euro), Heringshappen in Kräuterjoghurt mit Bratkartoffeln (9,50 Euro), Spaghetti mit Flusskrebsen (9,90 Euro) und eine „stattliche Forelle“ mit Knoblauchbutter, Butterkartoffeln und Salat (12,90 Euro). Auf die sehe ich es schließlich ab, nicht ohne zuvor das Tomatensüppchen mit frischem Thymian und Rahm (4,50 Euro) zu kosten. Recht nahrhaft mit viel Tomatenfleisch zubereitet, schien der Koch, dem Salzgehalt nach zu urteilen, ziemlich verliebt zu sein. Die tadellos gebratene, auf einem viereckigen Teller angerichtete Forelle war dann tatsächlich recht stattlich und hatte dank der Knoblauchstückchen auch ein feines Aroma. Die Butterkartoffeln, skurril in Würfel vorkonfektioniert, waren leider nicht ganz gar gebraten, und die Salatbeilage mit einem roten Früchtedressing für meinen Geschmack viel zu süß übergossen.

Wirklich störend empfand ich das allerdings nicht, denn mein Blick suchte immer wieder das Spiel der Sonnenstrahlen in den Wellen der Ruhr, das eine ungemein heitere Atmosphäre verbreitete. Und die wurde von dem hübschen Dessert des Tages, einer Nougatmousse (4,90 Euro), auch noch wunderbar versüßt.
-kopf

Essen-Heisingen, Stauseebogen 37

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