Montag, 7. Juli 2008

Aus dem Archiv: Domstuben - Einfach und gut

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2008/2009".
Das Restaurant ist seit 2019 geschlossen.

Hotel, Biergarten, Kegelbahn, Kneipe – seit Jörg Tittel das Sagen in der Küche der Domstuben hat, hat sich eigentlich nichts geändert – nur grundsätzlich. Noch immer ist der Gasthof gegenüber der Werdener Ludgerus-Kirche Treffpunkt für die Nachbarschaft auf ein Bierchen. Doch das Essen, das serviert wird, steht ganz im Zeichen der Genießervereinigung Slow Food, die sich der Erhaltung der regionalen Küche mit ihren Produkten und ihrer Geschmacksvielfalt widmet.

Kein Wunder also, dass vor einiger Zeit das Slow-Food-Convivium Mittleres Ruhrgebiet aus dem fernen Herne anrückte, um Buntes Bentheimer Schwein, Ahle Wurscht oder Weißlacker Käse zu verköstigen. Diese einmaligen Produkte stehen auf der Slow-Food-Liste „Arche des Geschmacks“, weil sie wegen mangelnder Kompatibilität mit der modernen industriellen Lebensmittelverwertung vom Untergang bedroht sind und – wie die Gesetze der Marktwirtschaft es wollen - nur durch steten Verzehr gerettet werden können. Auf der Speisekarte weist Jörg Tittel Gerichte mit diesen Zutaten mit einem „S“ aus, genauso wie die zahlreichen vegetarischen mit einem „V“.

Den Slow-Food-Abend in guter Erinnerung, freute ich mich auf das mittägliche Testessen für „Essen geht aus“ besonders. Auch diesmal saß eine zehnköpfige Gesellschaft an den zu einer langen Tafel zusammen gestellten Tischen im Schankraum und labte sich an dem, was die Köche in der Küche zauberten. Dass deshalb die anderen Gäste ein wenig warten mussten, machte der jugendliche Charme der netten Kellnerin problemlos wieder wett.

Wie schon beim Slow-Food-Besuch, gab auch diesmal ein paar Schönheitsfehler, die nichts mit der Qualität des Essens zu tun hatten, sondern eher als Kneipen-Unarten abzutun sind. Etwa die Zitronenschnitze im Mineralwasser, das ich als Durstlöscher parallel zum Wein bestellt hatte und die das Bouquet des hervorragenden Spätburgunder-Rosés vom Weingut Moosmann (0,25l 5,50 Euro) unfein beeinträchtigten. Oder dass die kleine Portion Ahle Wurscht mit Gewürzgurken (4,90 Euro) als Vorspeise auf einer kleinen Platte gereicht wurden wie Fingerfood an der Theke: ohne zusätzlichen Teller zum Gebrauch von Messer und Gabel oder Brot. Also griff ich ungeniert zu und scheute mich nicht, beim Verzehren der einmalig leckeren, hessischen Wurstspezialität fette Fingerabdrücke am Weinglas für die Spurensicherung am Spülbecken zu hinterlassen.

Richtig lecker war dann der Hauptgang, schön feurig gewürzte Ochsen-Fetzen auf erstklassigen Bratkartoffeln, umringt von einem Tomatencarpaccio mit Basilikumblättern (12,90 Euro). Das war so gut, wie es einfach war. Zum Nachtisch gönnte ich mir ein erfrischendes mit Prosecco aufgefülltes Mangoparfait in der Sektflöte (6,50 Euro), bei dem es besonders unterhaltsam war zu beobachten, wie Koch und Bedienung in ausgefeiltem Teamwork das Problem lösten, eine angebrochenen, aber gut verkorkte Prosecco-Flasche aus dem Kühlschrank unter der Theke in die Küche zu schaffen.

-kopf

Essen-Werden, Brückstr. 81

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