Es ist mittlerweile fast eine Art Medien-Stammtisch, wenn Kerstin Scheufe-Hanken und ihr Mann Klaus uns Gastro-Schreiberlinge um Silke Albrecht von der Facebook-Gruppe „Mein (kulinarisches) Dortmund“ und Tom Thelen vom Magazin „Dortmund geht aus“ alle paar Monate nach Huckarde einlädt, um über Neuigkeiten in ihrem nordisch-westfälischen Restaurant zu informieren. Seit sie 2021 die historische alte Mühle in dem nordwestlichen Dortmunder Stadtteil übernommen hat (klick hier), haben sich die beiden am neuen Standort gut eingelebt (klick hier). Nicht nur, dass das Restaurant von der weiteren Nachbarschaft dank standortbezogener Aktionen wie dem kulturell-kulinarischen „Huckarde hat’s“ (klick hier) angenommen wurde, auch Stammgäste, die sie aus ihrem vorherigen Standort in Wetter an der Ruhr kannten, sind ihnen gefolgt.
Ganz besonders freut Kerstin, dass das Huckarder Publikum auch ihrem Menü-Konzept folgt und nicht nur schnelle Einzelgerichte à la Carte bestellt. „Viele entscheiden sich auch für unsere mehrgängigen Menüs“, freut sie sich. Darin sieht sie nicht nur den Ausdruck einer gewissen kulinarischen Kultur bei ihren Gästen, sondern so kann sie ihre Ideen von der nordisch-westfälischen Küche viel besser realisieren. Das gibt Kerstin auch den Mut für ihre neueste Aktion. An zwei Wochenenden im August will sie ihre Gäste auf eine „Hummer-Elch-Safari“ mitnehmen, mit sieben Gängen quasi das opus magnum in ihrem bisherigem Menü-Schaffen.
Und so wurden wir bei dem hochsommerlichen Termin vor zwei Wochen im wahrsten Sinne des Wortes zu Testessern und durften sozusagen die Generalprobe der „Hummer-Elch-Safari“ erleben. Kerstin und ihr Mann hatten für diesen Anlass am dienstäglichen Ruhetag extra den idyllischen Biergarten hinter dem historischen Mühlengebäude geöffnet. Wir saßen schön schattig unter dem luftigen Zeltdach, während die Sonne alles in ein güldenes Mittsommerlicht tauchte, und der extra angeworfene Räucherofen signalisierte unseren Nasen ganz besondere Spezialitäten.
Mit dem Umfang von sieben Gängen begeben sich Kerstin und Klaus durchaus in die Gefilde der Sterne-Küche, und auch mit dem stolzen Preis von 160 Euro bewegen sie sich auf diesem Niveau – schließlich kann man dafür in Dortmunds 1-Stern-Restaurants durchaus auch die große Nummer erleben. Doch die hochwertigen Produkte, die für das Menü verarbeitet werden, lassen den Preis angemessen erscheinen. Das Elchfilet kommt aus Schwedisch-Lappland, der Hummer aus der Bretagne, und der Dorsch ist hausgeräuchert, so, wie alle anderen Bestandteile auch hausgemacht sind. (Und wem’s zu teuer ist, dem sei der Spruch des Spötters F.W. Bernstein ans Herz gelegt: „Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche.")
Doch bei der Präsentation der Gänge gibt sich Kerstin wie immer herzlich unprätentiös und verzichtet auf jegliches Sterne Chi-Chi - keine Pinzettenküche, keine Mini-Portiönchen, keine Schäumchen-Schlägereien, keine Geschmacks- und Konsistenzirritationen. Vielmehr setzt Kerstin auf ihre feinen nordisch-westfälischen Aromenkombinationen, die sich so bewährt haben und jedem Gaumen schmeicheln. Obwohl auch Spezialitäten wie Meeresalgen oder Braunkohl zum Einsatz kommen, bedeutet nordisch bei Kerstin eher bodenständig und nicht etwa trendy wie in der oft archaisch anmutenden new nordic cuisine, die manchem auch nicht anders über die Zunge geht wie der Name ihres Mitbegründers René Redzepi.
So hatten wir gehörig zu tun, um uns den sieben Gängen mit dem gehörigen Respekt zu widmen. Wenn zwei Personen auf Safari gehen, sind im Preis je eine Flasche Sauvignon blanc vom Bio-Weingut Keth und ein Flasche St. Laurent vom Weingut Hauck enthalten. Die Weinbegleitung, die uns Max, der gute Service-Geist, servierte, war allerdings weitaus umfanreicher und bestens ausgesucht.
Hummer-Elch-Safari
Kerstins. Nordisch-westfälisch in der Alten Mühle
18. Juli 2023
Kerstins. Nordisch-westfälisch in der Alten Mühle
18. Juli 2023
Amuse gueulle
Forellentatar auf hausgebackenem irischen Brot
Die kleinen Häppchen wiesen unwiderstehlich den Weg, dem wir folgen sollten
Geräucherter Elchschinken trifft schwedischen Sherrysill an Pellkartoffelsalat
Beschaffungsproblem: Leider war zur Generalprobe der Elchschinken noch nicht das, deshalb gab es welchen vom Rentier. Auf dem Bild bildet er das Häuflein in der Mitte. Er war sehr fein, aber intensiv im Geschmack und hätte etwas mehr sein können, denn der dazu servierte Hering in Sherrysauce (vorn) war von süßsauer Göttlichkeit und hatte das Zeug, dem Schinken die Schau zu stehlen. Der Kartoffelsalat war fantastisch angemacht, die Kartoffeln hatten aber noch viel Biss.
Weinbegleitung
PINK by Lea Metzger feinherb 2022, Pfalz
Cuvée aus Merlot und Dornfelder
Flusskrebse zum selbst Puhlen auf frischen Sommersalaten mit Kerstins Honig-Senf-Dressing
Als es noch Flusskrebse im Roßbach gab, der heute unterirdisch durch Huckarde fließt, gehörten sie zur Verpflegung der arbeitenden Bevölkerung im Stadtteil. Hier musste der Tester schwer arbeiten, um das köstliche Fleisch aus den Winzlingen zu puhlen. Belohnt wurde er vom nicht minder köstlichen Honig-Senf-Dressing. In den Schälchen war warmes Wasser zum Fingerwaschen nach getaner Arbeit.
½ Bretonischer Hummer, gekocht und ausgelöst, nature, auf Gemüsesalat in der Hummerschale
Purer Hummerguss. Die Hummerschale war mit erfrischend süß-säuerlichen „Hausfrauensauce“ gefüllt, darauf lag das ausgelöste Hummerfleisch, dessen etwas zerrupfte Konsistenz bestens durch eine Handvoll Rucola getarnt war. Alles zusammen mundete mit dem Fleisch aus den vorgeknackten Scheren und der hausgemachten Aioli völlig problemlos.
Weinbegleitung:
2022 Sauvignon Blanc, Weingut Keth, Rheinhessen
Gratinierte Jakobsmuscheln auf Meeres-Spaghetti
Vielleicht war die Dillsauce, in der die Käse überbackenen Jakobsmuscheln serviert wurden, ein wenig schwer. Doch die sog. „Meeresspaghetti“ machten das Gericht zu einer besonderen Spezialität. Darunter versteht man eine Braunalgenart, die nicht nur im Nordatlantik, sondern auch in der Ostsee vorkommt.
Weinbegleitung:
Achkarrer Schlossberg Grauburgunder GG, Dr. Heger, Baden
Dorsch aus dem hauseigenen Räucherofen an Kerstins dänischer Remoulade und neuen Kartoffeln
Wie ein Gegenentwurf zu den Jakobsmuscheln wirkte der geräucherte Dorsch, wie der Kabeljau aus der Ostsee genannt wird – leicht auf den Punkt gebarcht und ohne irritierende Zugaben serviert. Besser und aromatischer kann Fisch nicht gegart werden. Ideal hätte ich es gefunden, wenn die Kartoffeln eine korrespondierende Konsistenz gehabt hätten.
Weinbegleitung
2021 Nieder-Flörsheimer Frauenberg Riesling Spätlese trocken, Scherner-Kleinhanß, Rheinhessen
Zwischengang
Pfirsich-Estragon-Sorbet
Medaillons aus dem Rückenfilet vom Lappland-Elch an schwedischem Braunkohl, getrüffelter Kartoffelstampf
Nein, Elchfleisch gibt es wirklich nicht alle Tage. Es ähnelt Hirsch- oder auch Rindfleisch und hat einen ganz eigenen Wildcharakter – in der Zucht können die Geweihträger nicht gehalten werden. Bei Kerstin wurde das enorme Filet fast durchgebraten serviert, kräftig und mit Biss. Entsprechend waren die Beilagen: elegant der getrüffelte Kartoffelstampf, rustikal der Braunkohl. Doch damit ist nicht Grünkohl gemeint, der in manchen deutschen Landen so genannt wird, sondern Weißkohl, der nach schwedischer Art mit Zucker karamellisiert und süß-säuerlich schmeckt.
Weinbegleitung:
2019 Endinger Engelsberg Spätburgunder, Weingut Knab, Baden
Dessert
Crème Brulée an Kerstins Sauerampfereis und Aprikosen-Ragout
Sauerampfereis – doch eine Verbeugung vor der modern nordic cuisine, die bekanntlich die Kräuter nutzt, die vor der Tür wachsen.
Digestif
Wichlinghofer Halbbitter Kräuterlikör
Brennerei Dinsing
Hummer-Elch-Safari. 18., 19. und 25. bis 27. August 2023 18:00 Uhr. Nur auf Vobstellung. Kerstins. Nordisch-Westfälisch in der Alten Mühle. Roßbachstr. 34, 44369 Dortmund-Huckarde. Tel. 01577/1330603. Mo & Do-Sa 18-22 Uhr (Küche bis 21 Uhr). So 10:30-20:30 Uhr (Küche 12 bis 18:30 Uhr) Di & Mi Ruhetag . www.nordisch-westfaelisch-essen.de
Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank an Silke Albrecht für die Organisation.
Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank an Silke Albrecht für die Organisation.
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