Freitag, 9. September 2011

Aus dem Archiv: Auf dem Brink - Geburtstag, Hochzeit und Weihnachten auf einmal


Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2012"
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Ganz im äußersten Zipfel des IHK-Bereichs Mittleres Ruhrgebiet, da, wo die idyllische Elfringhauser Schweiz ins Bergische Land übergeht und Wuppertal nicht mehr weit ist, liegt in Sprockhövel-Herzkamp der Landgasthof „Auf dem Brink“. Das schieferverkleidete Haus beherbergt nicht nur ein kleines Hotel, sondern auch eines der ambitioniertesten Restaurants der Region. Das heißt jedoch nicht, dass hier beim Ambiente cooles Design vorherrscht oder in der Küche nach irgendwelchen Sternen gegriffen wird. Küchenchef Olaf Altenhain und seine Lebensgefährtin Rositta Peloso, die den unprätentiös und gemütlich daherkommenden Landgasthof betreiben, haben sich als überzeugte Mitglieder der Genießer-Bewegung Slow Food ganz der regionalen Küche verschrieben.

Und das meinen sie bei allem Spaß am guten Essen ziemlich ernst. Die Produkte, die Olaf Altenhain in seiner Küche verarbeitet, stammen meist aus der nahen und nächsten Umgebung. So kommen Obst und Gemüse von den Bio-Höfen im Windrather Tal in Velbert, die Forellen aus dem Felderbach, der durch die Elfringhauser Schweiz rauscht. Aus der Burger Brezel, einer Spezialität aus dem bergischen Örtchen Burg (genau, das mit dem gleichnamigen Schloss an der Wupper) und als vom Aussterben bedrohtes Lebensmittel von Slow Food in die „Arche des Geschmacks“ aufgenommen, hat Olaf Altenhain ein eigenes Menü (4 Gänge, 35 Euro) kreiert und das Backwerk in so unterschiedliche Gerichte wie die westfälische Potthucke (à la carte 13,90 Euro) oder das italienische Tiramisu (à la carte 6,90 Euro) eingebaut. Zu gern hätte ich das Menü beim Testbesuch probiert, aber jetzt im Herbst musste es dem obligatorischen Gänsemenü von der Karte weichen. Dafür nimmt Altenhain natürlich die Gillbachtaler Freilandgans, ein Premiumprodukt aus dem Rheinland.

Doch selbst die lasse ich diesmal nicht auf meinem Teller landen, sondern mich interessiert der Feldhase, der mir von der Wildkarte als Rückenfilet auf Zimt-Orangen-Pfeffersauce (23,80 Euro) entgegenspringt. Früher war Hase ja eine eher anrüchige Sache, so dass er in der Gastronomie nur selten auf den Tisch kommt, aber bei Olaf Altenhain wird er zu einer zarten Versuchung. Die Sauce ist ein aromatisches Feuerwerk, und in die Beilagen möchte man sich hineinlegen. Geht das Kartoffel-Sellerie-Püree geschmacklich über seine Funktion als Saucenträger schon weit hinaus, so fallen bei der mit Maronen gefüllten Wirsingroulade Geburtstag, Hochzeit und Weihnachten schließlich zusammen. Ist das ein herrliches Schmausen! Mit einem Glas Spätburgunder von Fritz Waßmer aus dem Badischen verputze alles bis auf den letzten Rest, obwohl ich schon die gefüllten Felderbach-Forellenröllchen (11,80 Euro) als Vorspeise zur mir genommen habe. Füllung und Basis des zarten Fischs ist ein Sauerkraut aus Filderkraut, einer Spitzkohl-Varietät von der schwäbischen Alb, die ebenfalls von Slow Food geschützt ist. So üppig das Gericht auf dem Teller aussieht, so leicht und appetitanregend ist es durch seine wunderbare Säure.

Zum Dessert genehmige ich mir schließlich einen Armen Ritter (6,40 Euro). Doch arm sieht dieser süß-pikante Landedelmann überhaupt nicht aus, ganz im Gegenteil. Zu dem ausgebackenen Zwieback gesellt sich noch eine nicht zu süße Nougatfüllung, confierte Ananas. Den Helm bildet ein Mandel-Joghurt-Sorbet. Und der Schild sei auch nicht vergessen. Er besteht aus einem knusprigen Krokant-Plätzchen.
-kopf

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